Die russische Zentralbankchefin Elwira Nabiullina bei einer Pressekonferenz
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"Riecht nach Kerosin": Russen verlieren Vertrauen in Zentralbank

"Riecht nach Kerosin": Russen verlieren Vertrauen in Zentralbank

Seit Tagen spekulieren russische Medien und Blogger über mögliche Kontensperrungen. Damit wolle der Kreml zwangsweise die Geldmenge verringern und die Inflation eindämmen. Die Aufregung bleibt groß, trotz einer dubiosen Stellungnahme der Zentralbank.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Es handelt sich nicht um ein Dementi, sondern um eine Warnung", so der russische Wirtschaftsexperte Semjon Nowoprudski über die jüngste Stellungnahme der russischen Zentralbank zu anhaltenden Gerüchten, demnächst würden die Bankkonten "eingefroren", um Abhebungen zu verhindern und damit die Inflation zu bremsen und den Staatshaushalt zu retten.

Dabei hatte sich diesmal nicht etwa die Chefin der Zentralbank, Elwira Nabiullina, zu Wort gemeldet. Es gab auch keine offizielle Pressemitteilung, sondern vielmehr eine wortreiche anonyme Stellungnahme auf dem Telegram-Kanal der Zentralbank, wonach das "Einfrieren" von Konten in jeder Hinsicht schädlich und absurd sei. Damit werde der "Ast abgesägt", auf dem das gesamte Bankensystem sitze.

"Gibt es in Russland eine Marktwirtschaft?"

Das alles sehe nach einer "Polemik" gegen "namentlich nicht genannte Gegner" aus, bilanziert der Experte seinen Kommentar. Offenbar wolle die Zentralbank für den Fall des Falles jede Verantwortung vorbeugend zurückweisen.

"Schwer zu sagen, wie sehr diese Stellungnahme Zweifler überzeugen wird", urteilt Dmitri Drise, der Chefkolumnist des Wirtschaftsblatts "Kommersant". Sein Fazit mutet ebenfalls wenig zuversichtlich an: "Natürlich kann man die Frage stellen: Gibt es in Russland eine Marktwirtschaft oder nicht? Ist das Eigentum der Bürger unverletzlich oder nicht in jedem Falle? Die Bank von Russland mag dagegen sein, aber andere Abteilungen denken vielleicht anders? Solange es keine klaren Antworten auf all diese Fragen gibt, werden die Menschen weiterhin zweifeln."

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In russischen Blättern versuchten Wirtschaftsexperten die Leser zu beruhigen, was allerdings nicht so recht funktionierte: "Sofort alles Geld abheben", forderte ein Leser der St. Petersburger Zeitung "Fontanka". Ein anderer warnte mit Blick auf die russische Elite: "Sie alle sind generell Fachleute für grobe Rechtsverstöße." Es gab auch konkrete Empfehlungen: "Wenn Sie über ausreichende Ersparnisse verfügen, kaufen Sie Immobilien. Wer mittelgroße hat, greife zu Goldbarren. Wer kleine Beträge hat, setzt auf Eintopf und Nudeln. Und wer nichts hat, der bete."

Demnächst werde Russland wohl auf "Quinoa und Brennnesseln" angewiesen sein, hieß es: "Wenn sie selbst anfangen, über das Einfrieren zu sprechen, dann riecht es nach Kerosin. Jetzt werden sie die Konten bestimmt einfrieren. Auch bei den Renten haben sie geschworen, dass sie diese niemals absenken würden. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht."

"Sonst funktioniert das Wunder nicht"

Ein Telegram-Kanal mit 340.000 Fans wollte erfahren haben, dass geplant sei, weiterhin Beträge bis zu umgerechnet rund 14.000 Euro auszuzahlen, größere Summen jedoch zu blockieren: "Der Vorteil eines solchen Szenarios gegenüber einem kompletten Einfrieren der Einlagen besteht darin, dass es die Zahl der Unzufriedenen verringert und eine Massenpanik unter den Einlegern verhindert." Einer der populären Blogger scherzte, wenn alle weniger Geld hätten, würden ja auch die Preise sinken: "So gesehen hat das Einfrieren von Einlagen viele Vorteile. Hauptsache, es wird jedem etwas weggenommen, sonst funktioniert das Wunder nicht."

Weitere Unruhe hatte eine Analyse des US-Bankenexperten Craig Kennedy ausgelöst, der auf eine bisher wenig beachtete Verordnung von Putin verwiesen hatte, wonach die russischen Banken gezwungen sind, der Rüstungswirtschaft stark vergünstigte Kredite zu gewähren. Der entsprechende Betrag der "Schattenfinanzierung" des Krieges sei auf umgerechnet 415 Milliarden US-Dollar angewachsen, weshalb eine Destabilisierung des Systems drohe.

"Frage ist nur, mit welcher Begründung das geschieht"

"Die Druckerpresse qualmt", schrieb dazu einer der maßgeblichen Telegram-Kanäle: "Diese Ausgaben wurden zu einem der wichtigsten Faktoren für die Inflation – und nicht etwa, dass die Russen anfingen, mehr Fleisch oder Butter zu essen [wie Putin behauptete]. Beachten wir, dass die erhöhte Schuldenlast der Rüstungswirtschaft diese bald in den Bankrott führen wird. Sie werden ihre Schulden nicht mehr bedienen können, sobald der Haushalt die Mittel kürzt. Und dann drohen entweder die Verstaatlichung der Verluste oder die Schließung von Unternehmen."

Blogger Anatoli Nesmijan hielt die Kontensperrung für "durchaus relevant" und schrieb: "Die Frage ist nur, mit welcher Begründung das geschieht und was genau die Propagandisten sagen werden, wenn sie an die Pflicht der Bürger appellieren, das Land in schwierigen Zeiten zu unterstützen."