Es war ja mindestens derbes Marketing zu befürchten, womöglich sogar eine österreichische Nabelschau, gewürzt mit einer Prise Pathos und ein paar Takten Kitsch: Anlässlich der Ski-Weltmeisterschaft in Saalbach-Hinterglemm ab 4. Februar hatte das Salzburger Landestheater ein Musical über den Wintersport in Auftrag gegeben. Damit das auch jeder mitbekommt, steht jetzt eine Original-Gondelkabine vor der Tür. Doch wie sich erfreulicherweise herausstellte, verbirgt sich hinter dem Titel "Skiverliebt – zwei Brettln, die die Welt bedeuten", keine musikalische Werbeeinblendung.
Da fliegen die Rosinen aus dem Kaiserschmarrn
Komponist Martin Lingnau und den Textdichtern Frank Ramond (Songs) und Johannes Glück (Dialoge) gelang eine in jeder Hinsicht rasante Satire auf den austriakischen Skizirkus. Anna Lukasser-Weitlaner, die sich die Handlung ausdachte, wedelt einmal über die gesamte Buckelpiste des fragwürdigen Millionengeschäfts: Leistungsdruck, Drogen und Doping, sexuelle Übergriffigkeiten, dämliches Ballermann-Gegröle mit entsprechenden Besäufnissen beim Après-Ski, durchgeknallte Umweltschützer, eitle Funktionäre, hysterische Touristen und überforderte Hoteliers.
Drei Stunden tost das herrlich verrückte Durcheinander, auf dass der Pulverschnee staubt, der Jagertee kreist und die Rosinen aus dem Kaiserschmarrn fliegen. Regisseur Andreas Gergen: "Da haben wir uns wirklich am 'Weißen Rössl' orientiert, was ja unser Vorbild ist: Eine Revue-Operette aus den 1920er Jahren von Erik Charell für das Große Schauspielhaus in Berlin. Das ist ganz liebevoll, diese Revue spielt mit Klischees. Wir haben auch eine Ansammlung von Klischees, über Wintersport, über die Hotellerie, und die verarbeiten wir anhand unserer Figurenkonstellation auf eine spielerische und liebevolle Art und Weise."
"Workshop mit Skiern an den Füßen"
Großartig, wie die Macher dieses zurecht umjubelten Musicals die Zuschauer immer wieder überraschen. Musikalisch mit einem wilden Mix aus Jodeln, Samba, Tango, Landler, Schlager und Disco-Beats. Dramaturgisch mit sehr überraschenden Wendungen in den Liebesbeziehungen und szenisch mit herrlich "schrägen" Einfällen zum Pistenvergnügen.
Andreas Gergen: "Was kann man an Choreografien mit Skiern machen? Das haben wir tatsächlich versucht, wir haben Workshops gemacht mit Skiern an den Füßen, um choreografisch zu arbeiten, und da sieht man, dass das gar nicht geht. Man ist in der Beweglichkeit eingeschränkt, außer einem Steptanz auf Skiern ging nichts. Deshalb mussten wir kreativ werden und sehr theatrale Mittel finden. Das hat uns noch mal bestätigt, dass es im Theater nicht darum gehen kann, die Realität abzubilden, sondern dass man mit spielerischen, fantasievollen Mitteln arbeiten sollte."
Darauf einen Königsjodler!
Die Ausstatter Christian Floeren (Bühne) und Johanna Lakner (Kostüme) schwelgten in Daunen und Dirndl, der kambodschanische Choreograf Jonathan Huor schickte eine fröhliche Yeti-Truppe ins Geschehen. Das machte einen Heidenspaß, weil die Klischees nicht gefeiert, sondern auf charmante Weise durchgerüttelt werden: Dem melancholischen Pistenraupenfahrer (Georg Clementi) fliegen die Herzen ebenso zu wie der brasilianischen Rennläuferin (Anna Bárbara Bonatto), dem viel beschäftigten Bürgermeister (Alfons Haider) und sogar dem hinterhältigen Koks-Trainer Peppi (Manuel Mairhofer).
Da stellt sich die Frage: Haben die WM-Verantwortlichen versucht, bei diesem Musical mitzureden? Andreas Gergen: "Die Entwicklung des Musicals haben sie zum Glück nicht beeinflusst, sondern sich ganz rausgehalten und das uns Theaterleuten überlassen. Aber wir waren vor Ort, haben dort Studien betrieben und wir werden zu Gast sein bei der WM-Eröffnung, mit einem Live-Act. Unsere Anna Rosa Döller und der Franz (Timotheus Hollweg), die werden dabei sein mit 'Zwei Brettln, die die Welt bedeuten', also da bestand schon eine sehr gute Kooperation, sowohl mit der WM, als auch mit Tourismus Salzburg."
Wie oft erweisen sich neue Musicals als ödes Einerlei, weil Produzenten auf kommerziellen Erfolg und Massentauglichkeit setzen und Risiken scheuen. Umso erfreulicher, dass mit "Skiverliebt" eine Satire gelang, die (fast) alle diese Regeln außer Acht lässt. Natürlich wird hier nicht verraten, wie es ausgeht, aber es ist ein absolut zeitgemäßes, Diversity-taugliches Happy End ohne jede Süßlichkeit. Darauf einen Königsjodler!
Wieder am 4., 6. und 7. Februar, viele weitere Vorstellungen bis zum 23. April. 2026 hat das Musical in einer weniger aufwändigen Fassung Premiere in Schmidts Tivoli in Hamburg.
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