"Christus resurrexit – vere resurrexit." Mit dieser antiken Formel grüßen sich Christen am Ostermorgen: "Christus ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden." Es ist der Kern des christlichen Glaubens: ein Leben nach dem Tod, denn Jesus Christus selbst ist "am dritten Tage auferstanden von den Toten", wie es im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt. Auch der Apostel Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Korinther: "Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos." Die Überzeugung, dass die Auferstehung tatsächlich stattgefunden hat, ist demnach essenziell für den christlichen Glauben.
Ist Christus wirklich auferstanden? Archäologe Dieter Vieweger scheint im BR24-Osterinterview direkt Wasser in den Wein zu gießen: "Rein wissenschaftlich gesehen ist das eine Frage, die nicht beantwortet werden kann." Vieweger ist Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes mit Sitz in Jerusalem und Amman; er verweist in seiner Antwort auf das Zwei-Quellen-Prinzip der Wissenschaft: "Ich brauche immer zwei ganz unabhängige Quellen." Hat sich damit die Frage nach der wahrhaftigen Auferstehung etwa bereits erledigt? Nein, führt Vieweger weiter aus:
"Nicht alles, was wirklich passiert ist, lässt sich an unabhängigen Quellen wirklich beweisen." Dieter Vieweger, Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes
Wir wüssten daher zuverlässig weniger, als tatsächlich angenommen werden könne. Ein gewisser Zweifel bleibe immer.
Welche Quellen für Jesus Christus gibt es?
Stellen wir die österliche Frage nach der Auferstehung für den Moment zurück und klären erstmal grundlegend: Hat es Jesus Christus überhaupt gegeben? "Davon kann man hundert Prozent ausgehen; Jesus aus Nazareth hat es gegeben", sagt Vieweger – und er führt Quellen an. "Da ist zunächst Flavius Josephus, das ist ein jüdischer Schriftsteller, der an zwei Stellen auf diesen Jesus aus Nazareth zu sprechen kommt."
An der Authentizität des Flavius Josephus gab es allerdings immer wieder Zweifel. Auch Vieweger räumt ein, dass bei der einen Stelle "ein paar Christen nachgeholfen haben könnten". Die andere Stelle ist laut Vieweger aber "ziemlich wasserdicht".
Denn außer Flavius haben noch Sueton und Tacitus, bedeutende römische Geschichtsschreiber, über die frühen Anhänger von Jesus berichtet. Vieweger führt zudem jüdische Quellen an, die davon berichten, "dass Jesus am Vorabend des Passahfestes hingerichtet wurde".
Im Audio: Archäologe Dieter Vieweger über die Auferstehung Jesu
Neues Testament als wissenschaftliche Quelle?
Prominenteste Quelle für Jesu Leben, Tod und Auferstehung ist natürlich die Bibel selbst, genauer gesagt: das Neue Testament. Das ist Gerd Häfners Fachgebiet, er ist Professor für Biblische Einleitung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München (und passenderweise in Osterburken geboren). Im Gespräch mit BR24 führt er aus, wie valide die Berichte über Jesus in der Bibel sind: "Wir haben die frühen Zeugnisse in den Briefen des Paulus, die sind in den 50er-Jahren geschrieben, also 20 bis 30 Jahre nach dem Tod."
Eine Zeitspanne, die für antike Texte außergewöhnlich nah dran ist. Zum Vergleich: Das älteste überlieferte Textfragment von Cäsars "De bello Gallico" ist etwa 1.000 Jahre nach der ursprünglichen Abfassung geschrieben worden, die Historien des Herodot etwa 1.300 Jahre.
Diese Erkenntnisse aus der neutestamentlichen Wissenschaft sind hilfreich, um der Antwort auf die Frage, ob Jesus wirklich auferstanden ist, näherzukommen.
Jesus: Eine Legitimation der Macht?
Die historisch-kritische Methode in der biblischen Exegese, der Fachterminus für die Schriftauslegung nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten, untersucht zudem auch die Intention der Autoren biblischer Texte. Gerade durch die Vormachtstellung der katholischen Kirche im Mittelalter unterfüttert, hält sich ein Vorwurf gegenüber biblischen Erzählungen und kirchlichen Überlieferungen hartnäckig: Alles mindestens geschönt, wenn nicht gar erfunden, um die eigene Machtbasis auf- und auszubauen.
Neutestamentler Häfner winkt ab: "Subjektiv haben die Zeugen [in der Bibel] keine Intention zu lügen, sondern sie wollen das, was sie erfahren haben, bezeugen, und ich nehme den Zeugen diese subjektive Erfahrung ab." Für den Bibelprofessor sei das "sprechendste Argument" die Tatsache, dass "Existenzen gewandelt" wurden. Was sehr vergeistigt klingt, meint zum Beispiel die Wandlung vom Saulus zum Paulus.
"Paulus, der ja zuerst die christlichen Gemeinden verfolgt hat, hat eine Erfahrung gemacht, die ihn vollkommen umkrempelt, sodass er zum Verkünder der Auferstehung wird." Gerd Häfner, Professor für Biblische Einleitung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München
Für Häfner ein Indiz, das helfen kann, die Zuverlässigkeit des Bekenntnisses der Auferweckung Jesu einzuordnen.
Im Audio: Theologe Gerd Häfner über die Auferstehung Jesu
Kirche in Zeiten der Naherwartung
Für den Altertumsforscher Vieweger ist jede Quelle "interessengeleitet". Wenn Zeugen von der Auferstehung Jesu überzeugt waren, wollten sie natürlich die anderen Menschen überzeugen, auch daran zu glauben, "was nicht heißt, dass sie damit etwas Falsches sagen".
"Ich glaube, die Frage des Beweisens ist eine Frage unserer westeuropäischen Kultur", sagt Vieweger. Ein "Orientale" denke anders und schließlich ist Jesu Leben, Tod und Auferstehung im Orient passiert: "Wir denken heute von hinten her und fragen, wie du mir das beweisen kannst; die Leute, die damals gesprochen haben, haben einfach nicht damit gerechnet, dass wir uns heute mit dieser Frage herumschlagen."
Für Paulus etwa war nach Vieweger klar: Der jüngste Tag, also der Weltuntergang, steht kurz bevor, schließlich hat sich Gott geoffenbart. In der christlichen Vorstellung endet die irdische Welt mit der Wiederkunft Christi, die frühe Kirche lebte in der sogenannten Naherwartung, war also überzeugt, dass das Ende der Welt, die Wiederkunft Christi, zu ihren Lebzeiten passieren werde.
Deshalb ist es für Vieweger abwegig, den frühen Christen eine böse Intention zu unterstellen, es ginge ihnen nur darum, eine christliche Macht aufzubauen, zumal die Kirche ihren Aufstieg zur Macht erst Jahrhunderte später erlebte, als das Christentum im römischen Reich Staatsreligion wurde: "Bei den ersten Christen würde ich überhaupt nicht von einem Fundament der Macht ausgehen. Die Evangelien wurden nicht geschrieben, um zu sagen, ich mach' mal eine Kirche und dann machen wir eine Machtstruktur draus und dann beherrsche ich die Menschen und damit kann ich reich werden, weit gefehlt. Das waren ziemlich clevere Leute, die darum gerungen haben: Wie war es?"
Ist Jesus wirklich auferstanden?
Zurück zum Anfang: Christinnen und Christen glauben an die wahrhaftige und leibhaftige Auferstehung Jesu und wie Apostel Paulus es eben sagt: "Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos." Ist ohne unumstößlichen Beweis dieser Glaube gerechtfertigt? Ja, finden sowohl Vieweger als auch Häfner.
Der Bibelprofessor Häfner von der LMU hält fest: "Man kann es nicht beweisen, dass Jesus auferstanden ist. Aber ich würde schon sagen, dass der christliche Glaube mit dem Bekenntnis zur Wirklichkeit der Auferstehung Jesu steht und fällt. Ich würde sagen, es hängt eben nicht an der historischen Wahrheit der Geschichten. Die Wahrheit des Glaubens drückt sich in solchen Geschichten aus und ist eben, wie man auch sagt, erzählende Theologie. Aber die Wirklichkeit dessen, was bezeugt wird, wird dadurch nicht grundsätzlich relativiert."
Der Archäologe Vieweger führt aus: "Es ist überhaupt nicht unvernünftig zu glauben, dass dieser Jesus von Nazareth eine historische Person ist, und dass er hingerichtet wurde, das sagen uns alle Quellen, die christlichen wie die nichtchristlichen. Und nun ist die Frage: Ist er am dritten Tage auferstanden oder nicht? Und da kann man jetzt keinen Beweis mehr anbringen, sondern muss fragen: Erlebe ich das? Kann ich das nachfühlen? Aber da sind wir mitten im Glauben. Da muss man ganz ehrlich sein, das sind zwei Paar verschiedene Schuhe, der Glaube auf der einen Seite, die Wissenschaft auf der anderen Seite. Die historische Person Jesu ist zu fassen, aber nicht der Auferstandene selber. Das ist immer ein [Glaubens-]Zeugnis."
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