Die Band "Steppenwolf"
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Hardrock-Pioniere: Die Band "Steppenwolf"

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"Steppenwolf"-Dokumentation: Von Kriegskindern zu Macho-Rockern

Vielen ist die Rockband Steppenwolf durch die Motorradhymne "Born To Be Wild" bekannt. Dass sie von zwei aus dem ehemaligen Ostpreußen stammenden Rockmusikern geprägt wurde, zeigt ein Dokumentarfilm, der jetzt in die Kinos kommt. Eine Filmkritik.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Bands und Künstlern, die durch einen einzigen Song bekannt sind, wird oft unrecht getan. Auch die US-Band Steppenwolf, die mit der archetypischen Hymne "Born To Be Wild" Geschichte geschrieben hat, ließe sich vorschnell in die Liste der One-Hit-Wonder einreihen - aber damit würde man diese ebenso legendäre wie rätselhafte Formation missverstehen, die immer ein wenig zwischen allen Lagern stand: zwischen Underground und Mainstream, zwischen Psychedelic-Rock und Heavy Metal. Der Dokumentarfilm "Born To Be Wild – eine Band namens Steppenwolf" bringt erstmals Licht ins Dunkel und macht die gewundenen Lebenswege zweier entscheidender Bandmitglieder, von Sänger John Kay und Bassist Nick St. Nicholas, nachvollziehbar.

Sänger John Kay ist im damaligen Ostpreußen geboren

Da ist man schon mal total erstaunt: Sänger John Kay wurde als Joachim Fritz Kraudelat in Tilsit, dem heutigen Sowetsk im russischen Kaliningrad, geboren. Er ist farbenblind und muss deshalb eine Sonnenbrille tragen, weswegen er sich als Kind absonderte. 1958 wanderte er mit seiner Familie nach Kanada aus. In Toronto widmete er sich seiner Leidenschaft, nämlich der amerikanischen Musik, Folksongs und Country Blues.

Steppenwolf-Bassist Nick St. Nicholas heißt eigentlich Klaus Karl Klassbaum. Er wurde ebenfalls im damaligen Deutschen Reich geboren. Sein Vater, ein hochrangiger Marine-Offizier, hat laut Dokumentation sogar Adolf Hitler getroffen. Auch der junge Klaus Karl interessierte sich, nachdem seine Familie nach Toronto ausgewandert war, für Beat- und Rockmusik. Weil die Initialen seines Namens aber dieselben sind wie die des Ku Klux Klan, nennt er sich Nick St. Nicholas. John Kay, wie sich Sänger Kraudelat nennt, und St. Nicholas finden sich in einer Band zusammen, die "The Sparrow" heißt. Es läuft ganz gut, aber der kanadische Markt ist zu klein. Man geht nach Kalifornien, aus "The Sparrow" wird "Steppenwolf", weil ein Manager findet, dass es ein optisch gut aussehender Name ist. Zu diesem Zeitpunkt hat kein Bandmitglied Hermann Hesses gleichnamigen Roman gelesen.

Erfolgsfaktor "Easy Rider"

Regisseur Oliver Schwehm zeigt in seinem Dokumentarfilm nicht nur die Genese einer kalifornischen Rockband, die in einer entscheidenden Phase das Genre Rockmusik geprägt hat. Er macht auch deutlich, welche Faktoren zum Erfolg der Formation geführt haben. Wer und was alles mitgestrickt hat am Mythos der verwegenen Rockband mit dem Bad-Boy-Image, die ganz nebenbei den Begriff "Heavy Metal" erfand.

Entscheidenden Anteil hatte natürlich "Easy Rider", die Independent-Filmproduktion von 1969, das ultimative Road Movie. Gleich zwei Steppenwolf-Songs tauchen im Soundtrack auf, zwei ihrer besten Lieder. Danach gelten Steppenwolf als die Lieblingsband der Biker-Gangs und Motorradfahrer, was die Musiker zwar nicht wirklich wollen, gleichwohl bedienen sie das Image freiheitsliebender, unangepasster Machotypen.

Erstaunlicher Release-Katalog

Tatsächlich haben Steppenwolf mehr als nur einen oder zwei gute Songs im Portfolio. Die Band hat, obwohl durch ständige Tourneen ausgelaugt, einen erstaunlichen Katalog zustande gebracht, das Kollegen wie den Blueshelden Taj Mahal, Indierock-Ikone Jello Biafra und Rolling-Stones-Autor Cameron Crowe, die im Film zu Wort kommen, mehr als Respekt abnötigt.

Der Film zeichnet auch das Psychogramm zweier aus Nazi-Deutschland stammender Persönlichkeiten, die nicht mehr der Täter-Generation angehören. Trotzdem versuchen sie die Traumata, die sie als Kriegskinder erlebt haben, künstlerisch und existenziell zu bewältigen. Jeder auf seine Weise: Nick St. Nicholas, indem er zum liebenswert exaltierten Showman wird – zum Missfallen seines Kompagnons John Kay, der sich als hocheffizientes Arbeitstier erweist und sich ansonsten lieber auf seine Familie konzentriert. Die Dokumentation liefert damit einen nuancierten Blick auf die frühen Tage des Hard Rock – und ist daher unbedingt sehenswert.

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