"Solange ein Mensch nüchtern ist, soll er zunächst ein Gericht zu sich nehmen, das aus Früchten und Mehl zubereitet ist. Auch soll er zuerst eine warme Speise verzehren, damit sein Magen warm wird." So rät es Hildegard von Bingen schon im 12. Jahrhundert. Für ihr Wissen über die Speisen, die auch der Gesundheit zuträglich sind, ist die Benediktiner-Äbtissin bis heute bekannt.
200 Jahre nach Säkularisation: Klosterstüberl wieder in Ordensbesitz
Kloster und Kulinarik gehören zusammen. Davon sind auch die Franziskanerinnen im oberbayerischen Au am Inn überzeugt. "Das Bräustüberl erwacht nach mehr als zehn Jahren Dornröschenschlaf wieder zu neuem Leben", heißt es auf der Homepage des inzwischen wieder klostereigenen Betriebs.
Vor mehr als zehn Jahren musste das Bräustüberl am Sitz der Auer Franziskanerinnen schließen. Grund waren wirtschaftliche Schwierigkeiten. Auch zuvor war das Bräustüberl schon lange nicht mehr im Besitz des Ordens – eine Spätfolge der Säkularisation. Damals war der klösterliche Wirtschaftsbetrieb in private Hände gefallen. Nun haben die Schwestern entschieden, das brachliegende Bräustüberl aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken.
"Es wird Zeit, aus dieser Ruine wieder einen schönen Ort zu gestalten", sagt Schwester Roswitha Otter. Und das, obwohl die meisten der elf Auer Franziskanerinnen hochbetagt sind und es akut an Nachwuchs fehlt. "Aber die Leute verbinden was mit dem Ort und fragen jeden Tag, wann das Bräustüberl denn jetzt endlich wieder aufmacht."
Kloster-Gaststätten ursprünglich für fromme Besucher
Entstanden sind Klostergasthöfe wie das Bräustüberl ursprünglich für fromme Klosterbesucher, die einst – aus Respekt vor den eucharistischen Gaben von Brot und Wein – noch nüchtern und zum Teil von weit her zum Gottesdienst kamen. Hier konnte man nach der Messe gemütlich zusammensitzen und sich stärken.
Es sei aber kein Zufall, dass kulinarische Klosterangebote bis heute Besucher anziehen – auch jene, die eher nicht zum Beten kämen, sagt der Würzburger Theologe Guido Fuchs, Spezialist in Sachen klösterliche Tischkultur. Die Besonderheit einer Klosterwirtschaft: "Da ist nicht so ein Abfüttern."
Außerdem habe alles Kulinarische, was mit Kloster und Ordensleben in Verbindung steht, "eine Art Label für Tradition". Dahinter stehe etwa die Vorstellung, dass das Klosterbrot seit Jahrhunderten so gebacken wird, wie es gebacken wird, nach Rezepten, die sich bewährt haben. "Aber da sind auch Menschen dahinter, die das machen", erklärt Fuchs die Faszination. "Es ist eben kein seelenloses Brot wie im Supermarkt."
Klosterbrot - kein "seelenloses Brot wie im Supermarkt"
Auf das gute Image, das die Klosterkulinarik zu haben scheint, setzt auch Mario Fürst. Der Unternehmer aus Franken vermarktet einen Ingwershot – unter dem Namen "Kloster Kitchen". "Kitchen", englisch für Küche, stehe für Modernität; Kloster für Tradition - so erklärt er das Konzept. Und tatsächlich kommt das Rezept für den Shot von einer bayerischen Benediktinerniederlassung, auf die Fürst per Zufall gestoßen ist. "Im Ursprungsrezept steht nichts von Shot, aber das Rezept ist ansonsten dasselbe", erklärt der Unternehmer.
In der Kulinarik hat die Klosterkultur also einen bleibenden Platz gefunden, auch wenn sich immer weniger Menschen für ein Leben als Nonne oder Mönch entscheiden. Das ist auch das Stimmungsbild bei den Franziskanerinnen von Au am Inn. Mit ihrem Bräustüberl, das im Oktober wiedereröffnet, kehrt trotzdem wieder Leben bei den Ordensfrauen ein. Und wer weiß, vielleicht kommt die ein oder andere Besucherin ja doch auch monastisch auf den Geschmack.
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