Zum Beispiel auf X und Instagram verbreitete sich am Sonntag ein vermeintlicher Screenshot der Seite "amazon.eg", dem ägyptischen Amazon. Doch bei dem Bild handelt es sich um eine Fotomontage. Was darauf zu sehen ist, kann erst einmal erschrecken: In dem Onlineshop sollen angeblich israelische Geiseln der Hamas zum Verkauf angeboten werden. Die Suchanfrage "Israelischer Gefangener" auf Arabisch soll zu ihnen führen.
Amazon-Screenshot von israelischen Geiseln ist fake
Dass es sich um eine Montage handelt, bestätigt die Antwort von Amazon auf eine Anfrage des #Faktenfuchs. Aus Unternehmenskreisen hieß es, das Inserat sei eine Fälschung - das habe eine interne Prüfung ergeben.
Auf den ersten Blick sieht man in dem Fake-Bild keine großen Unterschiede zu einer echten Amazon-Trefferliste. Ist man sich unsicher, ob ein solcher angeblicher Screenshot echt ist, kann es helfen, einfach selbst auf Amazon nachzuschauen. Mit der App "Google Lens" ist es möglich, Text aus Bildern auszulesen und übersetzen zu lassen. Daraufhin kann man entweder wie hier auf Arabisch oder in der Übersetzung nach den Stichwörtern aus den angeblichen Inseraten suchen und sich die Ergebnisse anzeigen lassen. Tauchen andere Ergebnisse auf als auf dem Screenshot, ist das ein Hinweis, dass es sich um einen Fake handeln könnte.
Video zeigt Syrien-Konflikt, nicht Angriff auf Israel
Auf Telegram und X verbreiteten Kanäle und User außerdem ein Video, das angeblich zeigen soll, wie israelische Städte aus dem Gazastreifen beschossen werden. Doch das Video ist nicht aktuell. Eine Bilderrückwärtssuche mit Yandex führt zu zwei Online-Artikeln aus dem Jahr 2020 zum Syrien-Krieg (zum Beispiel hier). Diese Artikel enthielten dieselben Szenen, die jetzt wieder nach dem Angriff der Hamas geteilt werden.
Stellt man die beiden Videos nebeneinander, erkennt man eindeutig die Ähnlichkeit des Materials: Der Abstand der Bäume, die in dem jetzt verbreiteten Video und auch in den Videos von 2020 zu sehen sind, ist identisch. Auch die Position der Explosion am Himmel stimmt überein. Das Material ist also nicht aktuell in Israel entstanden, sondern den älteren Medienberichten zufolge vor mindestens drei Jahren im Syrien-Krieg.
Altes Video- und Bildmaterial nach Krisen und Kriegen erneut zu teilen, ist eine bekannte Falschinformationsstrategie. Nicht immer geschieht das Weiterverbreiten mit der Absicht, zu schaden. Einige aber tun das, um Chaos zu säen, Vorurteile zu bestärken oder zu verunsichern.
- Welche Strategien Verbreiter von Desinformation nutzen, finden Sie in diesem #Faktenfuchs-Artikel.
Auch zu Beginn des Ukraine-Kriegs kursierten in den sozialen Medien Bilder, die teils vor mehreren Jahren in anderen Zusammenhängen entstanden waren. So zeigte das Video einer Explosion nicht wie behauptet ein Kraftwerk in Luhansk in Flammen, sondern eine Explosion aus dem Jahr 2015 in der chinesischen Stadt Tianjin.
Aus dem Kontext gerissene Fotos und Videos kann man häufig mit einer Bilderrückwärtssuche entlarven. Dafür können Sie die Datei oder die URL zum Bild einfach in eine Bildersuchmaschine wie Google, TinEye oder Yandex eingeben. Es kann sich lohnen, die Ergebnisse unterschiedlicher Suchmaschinen zu vergleichen.
- Mehr dazu, wie Sie Fotos und Videos selbst verifizieren können, hat der #Faktenfuchs hier zusammengefasst.
Video von Kindern in Käfigen entstand vor dem Angriff der Hamas
Ein Video zog auf TikTok und X besonders viel Aufmerksamkeit auf sich. Es zeigt fünf Kinder in einem Käfig. In dem Video ist ein lachender, Arabisch sprechender Mann zu hören. Die Aufnahme wird benutzt, um fälschlicherweise zu behaupten, die Hamas sperre israelische Kinder nach dem Angriff in Käfige.
Doch diese Bilder zeigen das nicht. Sie sind ein Beispiel dafür, wie Aufnahmen aus dem Kontext gerissen und für interessengeleitete Behauptungen instrumentalisiert werden können. Es zeigt aber auch, wie schwierig es sein kann, den tatsächlichen Zusammenhang herauszufinden, in dem Videos entstanden sind.
Das Video wurde ursprünglich von dem User "@user6903068251281" auf TikTok gepostet. Das wissen wir, weil TikTok-Videos immer das Wasserzeichen des Users enthalten, der es zuerst veröffentlicht hat. Zwischenzeitlich fand man weder den User noch das ursprüngliche Video auf der Plattform. Das Video wurde laut den palästinensischen Faktencheckern des Online-Mediums "Kashif" gelöscht, als es viral ging.
Wann genau das Video zuerst veröffentlicht wurde, ist deshalb über TikTok nicht mehr nachvollziehbar. Doch israelische Faktenchecker von "Fake Reporter" konnten einen Screenshot des Videos sichern, als es noch online war. Er gibt einen wichtigen Hinweis auf den Veröffentlichungszeitpunkt - denn zum Zeitpunkt des Screenshots war darauf zu sehen, dass das Video schon vier Tage alt war. Die Faktenchecker von "Fake Reporter" teilten den Screenshot am 8. Oktober. Es entstand also vor dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023.
Auffällig ist die Tonspur des viral gegangenen Videos. Wie die dänischen Faktenchecker von Tjekdet herausfanden, ist das Lachen des Mannes, das im Video zu hören ist, eine in arabischen Ländern beliebte Tonspur auf TikTok. Sie wurde über die ursprüngliche Tonspur gelegt.
In welchem Kontext dieses Video tatsächlich entstand, ist nicht eindeutig. Hinweise in den Kommentaren auf einen möglichen Ursprung des Videos erwiesen sich als unbelegt. Am 11. Oktober allerdings wurde der TikTok-Account des Nutzers “@user6903068251281” wiederhergestellt, wie Kashif und die norwegischen Faktenchecker von Faktisk berichteten. Der User äußerte sich in einem neuen Video zu den Aufnahmen der Kinder im Käfig auf Arabisch. Der #Faktenfuchs hat einen arabischen Muttersprachler den Text übersetzen lassen. Im Video sagt der User: "Diese Kinder sind meine Verwandten, keine zionistischen Kinder und das Video entstand drei Tage vor der Eskalation." Der Begriff "zionistische Kinder" wird hier synonym für "israelische Kinder" verwendet. Die Wörter "Zionist" oder "zionistisch" werden oft als Schimpfwort benutzt. "Zionismus" bezeichnet eine Nationalbewegung, die auf einen jüdischen Nationalstaat in Palästina zielt.
Ob die Darstellung des Nutzers stimmt und ob die Kinder tatsächlich mit dem User verwandt sind, lässt sich nicht überprüfen. Verschiedene Faktenchecker recherchierten zu dem Video, auch der #Faktenfuchs. Es konnte bislang kein anderer Ursprung des Videos ausgemacht werden.
Die bisherigen Hinweise reichen aber aus, um eindeutig festzustellen, dass das verbreitete Video nicht in dem behaupteten Kontext des Angriffs auf Israel steht.
Ausschnitte aus Videospielen werden als reale Kriegsbilder verkauft
Nicht jede angebliche Kriegsszene, die in den sozialen Medien kursiert, ist echt. Wie unter anderem das Faktenchecker-Team des spanischen Senders RTVE berichtete, teilten User auch Sequenzen aus einem Videospiel. Die Bildunterschrift suggerierte aber, dass es sich um echte Kampfszenen im Gazastreifen handele. Tatsächlich stammen die Bilder aus dem Videospiel "Arma 3", einem Militärspiel, mit dem man Kämpfe nachspielen kann.
Den kompletten Faktencheck von RTVE können Sie hier in der deutschen Übersetzung nachlesen:
Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob eine Kriegsszene echt ist oder vielleicht aus einem Videospiel stammt, kann auch hier eine Bilderrückwärtssuche helfen. Die Sequenzen aus dem Spiel werden vorher häufig auf YouTube hochgeladen - mit dem Hinweis auf Arma.
- Tipps dazu, wie Sie Bilder und Videos selber überprüfen können, hat der #Faktenfuchs hier gesammelt.
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