Nach einer Änderung auf der Plattform X, vormals Twitter, durch Elon Musk sind die Online-Interaktionen mit mehreren Propaganda-Accounts staatlich kontrollierter Quellen um 70 Prozent gestiegen. Zu dieser Bewertung kommt eine Studie des Portals "Newsguard", das sich regelmäßig mit der Glaubwürdigkeit von Webseiten beschäftigt.
Laut Newsguard rührt diese zunehmende Interaktion unter anderem daher, dass früher Accounts, die von staatlicher Seite kontrolliert werden, während Twitter-Zeiten als solche gekennzeichnet waren. Als der neue Eigentümer der Plattform, Elon Musk, dieses System im Frühjahr aufhob, stiegen laut Newsguard die Interaktionen mit solchen Accounts, die oft auch staatliche Desinformation verbreiten, sprunghaft an.
Musk schafft das Label "staatsnah" ab
Bis zum 20. April 2023 trugen X-Konten regierungsnaher Organisationen wie beispielsweise der englischsprachigen, chinesischen Publikation "China Daily" das Label "staatsnah", als Hinweis für Nutzerinnen und Nutzer von Twitter.
Nach der Entfernung dieser Kennzeichnung sei der Weg frei für chinesische Propagandaquellen sowie russische und iranische Staatsmedien, schreibt Newsguard. "Sie können nun Desinformation verbreiten, ohne dass X-Nutzer:innen transparente Informationen über die Art der Quelle erhalten."
Quellen aus Iran, Russland und China geprüft
Newsguard analysierte an einem Stichtag im September die Gesamtzahl der Likes und Reposts von zwölf englischsprachigen X-Konten regierungsnaher Organisationen, die laut Newsguard Desinformation verbreitet haben. Zu den analysierten Quellen gehörten vier russische staatliche Quellen (RT, Sputnik News, RIA Novosti und TASS), vier iranische staatliche Quellen (Press TV, Islamic Republic News Agency, The Tehran Times und Mehr News) sowie vier chinesische staatliche Quellen (People's Daily, Global Times, China Daily und Xinhua).
Newsguard verglich die Interaktions-Metriken der Accounts in den 90 Tagen vor der Änderung der Kennzeichnungsrichtlinie von X und in den 90 Tagen danach.
Freiwillig geben Sender ihre Regierungsnähe nicht an
Laut Newsguard gibt keiner der zwölf analysierten staatlichen X-Accounts, die zusammen insgesamt 30,9 Millionen Follower haben, freiwillig an, dass er mit der Regierung verbunden ist.
So heißt es beispielsweise in der Selbstbeschreibung der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS auf X: "Bei uns werden Nachrichten zu Geschichten und Ereignisse zu Geschichte". Die Selbstbeschreibung des staatlichen russischen Nachrichtensenders RT lautet: "Freiheit vor Zensur, Wahrheit vor Narrativ", und das Konto wird als "Medien- und Nachrichtenunternehmen" bezeichnet.
Interaktion mit Propaganda-Accounts steigt drastisch
Interaktionen mit staatlich betriebenen Desinformationsquellen stiegen nach Informationen von Newsguard drastisch – und das, obwohl die Anzahl der Posts sich kaum veränderte. In den drei Monaten vor der Änderung erhielten die Konten 2,93 Millionen Interaktionen auf 62.551 Beiträge. Eine Zunahme um fast 70 Prozent. In den drei Monaten nach der Änderung der X-Richtlinie erhielten die zwölf analysierten Accounts insgesamt 4,98 Millionen Likes und Reposts auf insgesamt 63.108 Posts.
Beispiel "China Daily" auf X
Ein Beispiel: Auf seinem X-Profil stellt sich "China Daily" als unabhängiges Medienunternehmen dar. Unter dem Bannerfoto findet sich ein sogenannter blauer Haken. Früher kennzeichnete dieser blaue Haken die Authentizität des Autors und wies einen sogenannten verifizierten Account aus. Inzwischen können sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen den blauen Haken mit einem Premium-Abo auf X einfach kaufen. Unter dem Profilbild von "China Daily" folgt unter der Selbstbeschreibung des Accounts die Klassifizierung als "Medien- und Nachrichtenunternehmen".
Bei "China Daily" handle es sich jedoch um eine regierungseigene chinesische Zeitung, die regelmäßig Desinformation verbreite und im Februar 2020 vom US-Außenministerium als ein von der Volksrepublik China kontrolliertes Propagandamagazin eingeordnet wurde, kritisiert Newsguard.
Im Audio: Biografisches zu Multimilliardär Elon Musk
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