Rücktritte, Siege, Ausfälle, Jubel, Gams und Hundertstel-Entscheidungen - für die deutschen Skirennläufer geht eine turbulente Saison zu Ende. Ein Auf und Ab der Emotionen und der Leistungskurve, für die der DSV-Alpinchef Wolfgang Maier im Interview mit BR24Sport klare Worte fand: "Es ist nicht schwierig zu bilanzieren, weil es einfach keine gute Saison war."
Bis auf Ausnahmen seien die deutschen Skirennfahrer "deutlich hinter all den Erwartungen und Zielen geblieben". Das müsse man jetzt hinnehmen, so wie es ist, "weil wir können es ja jetzt nicht mehr ändern. Wir können nur noch den Blick nach vorne richten, wie wir es besser machen für die kommende Saison", so Maier.
Linus Straßer und Lena Dürr sorgten für Jubel
Doch zwei Namen haben den DSV aber dann doch aus der Saisonmisere gehievt: Linus Straßer und Lena Dürr. Straßer hatte im Januar innerhalb weniger Tage beide Slalomklassiker gewonnen: Erst raste er auf dem Ganslernhang in Kitzbühel zum Sieg, dann gewann er das Flutlichtspektakel von Schladming. In Palisades Tahoe, Aspen und Saalbach hatte er seine Hammer-Saison mit Podestplätzen abgerundet. "Er ist das Lebenselixier", schwärmte Maier im Interview mit BR24Sport.
Selbst die kleine Kristallkugel für die Slalomgesamtwertung schien lange in Griffweite - die holte sich am Ende dann aber der österreichische Slalomdominator der Saison, Manuel Feller.
Und auch mit Lena Dürr hatte das deutsche Skiteam eine Rennfahrerin in petto, die die gesamte Saison über Top-Leistungen abrief: Vier Podiumsplatzierungen, viele Mal war sie unter den Top fünf.
28 Top-Ten-Plätze für DSV
Doch ganz wettmachen konnten die deutschen Slalom-Stars das Gesamtleistungstief des DSV nicht. Dürr und Straßer fuhren gemeinsam alle neun Podiumsplatzierungen ein. Insgesamt gab es nur 28 Top-Ten-Platzierungen (43 im Vorjahr), weniger waren es zuletzt 2006 (19).
"Da müssen einfach noch zwei, drei Läufer dabei sein, die sich in der erweiterten Weltspitze zeigen können." Die Lücken bleiben trotz der Slalomerfolge von Straßer und Dürr. "Das ist eigentlich zu wenig für den Aufwand, den wir gehen, für den Invest, den wir tätigen", sagte Maier.
Emma Aicher mit vielen Ausfällen
Emma Aicher, die 20-Jährige, auf der schon lange die Hoffnungen ruhen, die seit Jahren als Supertalent gehandelt wird, ist immer und immer wieder ausgefallen. Auch wenn sie das Ziel gesehen hat, waren die Ergebnisse oft mau - mit Ausnahmen.
Am Ende gelang der Allrounderin dann doch noch eine partielle Wiedergutmachung: Beim Slalom im schwedischen Are holte sich Aicher mit einem siebten Platz das beste Ergebnis in der Disziplin in ihrer Karriere. Von konstant guten Ergebnissen ist Aicher aber noch weit entfernt.
Die größte Baustelle aber liegt im Abfahrtsbereich: Beim Weltcupfinale am Freitag und Samstag ist kein Mann dabei, nur Kira Weidle bei den Frauen. Anstatt zwei, drei Athleten mehr zu haben, ist der DSV-Weltcup-Kader um zwei bisherige Erfolgsgaranten geschrumpft - und das ausgerechnet im angeschlagenen Speed-Team.
Hoffnung liegt auch auf Luis Vogt
Erst trat Thomas Dreßen zurück und bewältigte im Januar das letzte Mal die Streif, dann verabschiedete sich Josef Ferstl vom Weltcupzirkus. "Im Speedbereich der Herren haben wir mit den Abgängen jetzt eine Delle drin, mit der wir so nicht gerechnet haben", so Maier.
Auch wenn die beiden Speed-Asse bei ihren letzten Rennen nicht mehr für Top-Ergebnisse sorgten - ob verletzungsbedingt, oder weil sie wie im Fall von Ferstl nicht mehr bereit waren, das letzte Bisschen Risiko einzugehen - so fehlen in der nächsten Saison doch zwei erfahrene Athleten im deutschen Skirennstall. Diese Löcher gilt es nun zu stopfen.
Zuversicht für Ski-WM 2025
Und genau hier liegt die Krux, sagte Maier, "weil wir sind jetzt in Deutschland nicht mehr so breit aufgestellt, dass wir uns nur umdrehen brauchen, dann sofort einen Ersatz für den Josef (Ferstl) oder für den Thomas Dreßen bekommen – das haben wir nicht." Der DSV habe "ein paar gute Leute – zum Beispiel den Luis Vogt, den wir dahin entwickeln müssen, dass er diesen Platz einnehmen kann."
Nächstes Jahr findet dann auch die Ski-WM in Saalbach statt, dort wo aktuell die letzten Rennen der Saison stattfinden. Wie blickt der DSV-Alpinchef auf das Großevent - nach einer so schwierigen Saison? "Ich habe keine Angst - Ich glaube, dass man hier [Anm. der Red.: in Saalbach] eine super WM veranstalten wird. Ich denke auch, dass wir uns in dem ein oder anderen Bereich stabilisieren (...), dass wir eine Rolle spielen können."
Maier plädiert für "Selbstreflexion"
Um bei der Ski-WM 2025 eine Rolle zu spielen, muss der DSV jedoch noch Aufholarbeit leisten. "Letztendlich ist es ja immer so: Wenn man Misserfolge hat, dann muss man weggehen davon, immer jemand anderen verantwortlich dafür zu machen", sagte Maier. "Man muss in eine gewisse Selbstreflexion gehen und festzustellen: Was ist mein Anteil am Ergebnis, was muss ich in erster Linie umstellen?" Nur so würde es gelingen, nächste Saison wieder eine bessere Gesamtleistung zu erzielen.