Erst Österreich, dann Norwegen und jetzt die Schweiz: Die Ermittlungen der österreichischen Staatsanwaltschaft wegen Untreue und Korruption im Biathlon ziehen immer weitere Kreise. Es geht um den Verdacht, Verantwortliche von Infront könnten den ehemaligen Präsidenten des Biathlon-Weltverbandes (IBU) bestochen haben. Wie die "Zuger Zeitung" zuerst berichtete (externer Link, möglicherweise Bezahl-Content), haben Polizisten am Montag Büros des Sportvermarkters Infront Sports & Media AG in Zug in der Schweiz durchsucht.
Damit haben die Wiener Staatsanwälte ihre Ermittlungen auf den Hauptsitz des weltweit führenden Sportvermarkters Infront ausgeweitet. Auf Anfrage von BR, "Augsburger Allgemeine", "Spiegel", der österreichischen Zeitung "Der Standard" und des norwegischen Fernsehsenders NRK schreibt die Wiener Staatsanwaltschaft, es hätten "gestern weitere Hausdurchsuchungen im Ausland stattgefunden". Nähere Angaben will die Behörde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht machen. Ob weitere Räume in der Schweiz oder auch in anderen Ländern durchsucht wurden, ist derzeit nicht bekannt.
Zweite Razzia bei Infront
Die Schweizer Infront Sports & Media AG bestätigt die Durchsuchung. Im Zuge der Amtshilfe würden österreichische Behörden untersuchen, "ob es im Rahmen der Geschäftsbeziehung zwischen der Infront Austria GmbH und dem ehemaligen IBU-Präsidenten zu Fehlverhalten gekommen ist".
Es handelt sich bereits um die zweite Razzia bei Infront. Im April vergangenen Jahres hatten Ermittler die Geschäftsräume von Infront Austria in Salzburg durchsucht. Schon damals ging es um die Frage, ob Mitarbeiter des Sportvermarkters den ehemaligen Präsidenten des Biathlon-Weltverbandes Anders Besseberg bestochen haben.
Prozess gegen Anders Besseberg in Norwegen
Anders Besseberg gilt als "Mister Biathlon", dem es während seiner langjährigen Präsidentschaft beim Weltverband seit Mitte der 90er Jahre gelungen war, den Sport aus den Wäldern auf die Fernsehbildschirme zu bringen. Seit Anfang Januar steht er in Norwegen vor Gericht. Dort werfen ihm die Staatsanwälte Korruption vor. So habe Besseberg von russischen Funktionären teure Uhrengeschenke angenommen und sich Jagdausflüge und Dienste von Prostituierten bezahlen lassen. Im Gegenzug soll er Fälle von russischem Staatsdoping verdunkelt haben, so der Vorwurf der norwegischen Staatsanwaltschaft.
Bei dem Prozess, der in Norwegen für großes Aufsehen sorgt, spielt auch der Sportvermarkter Infront eine Rolle. Besseberg soll von Infront Vorteile angenommen haben. So habe er sich regelmäßig zu exklusiven Jagden in Österreich oder Tschechien einladen lassen. Zudem habe Infront jahrelang Besseberg an dessen Wohnsitz in Norwegen privat einen BMW X5 zur Verfügung gestellt. Die Kosten habe Infront getragen. Besseberg weist vor Gericht alle Vorwürfe zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung.
In der vergangenen Woche waren dazu Stefan K., Geschäftsführer von Infront Austria, und Volker S., Gründer einer Vorgängerfirma von Infront Austria und langjähriger Jagdfreund von Anders Besseberg, in Norwegen als Zeugen geladen. Stefan K. verweigerte die Aussage; Volker S. immer dann, wenn die Vorwürfe konkret wurden.
Infront weist Vorwürfe zurück
Infront erklärt auf Anfrage, die Firma kooperiere mit den Strafverfolgungsbehörden. Zugleich bestreitet Infront "jegliche unrechtmäßige Einflussnahme" auf Verträge zur Verwertung von Marketing- und Sportrechten mit dem Biathlon-Weltverband. Die Vereinbarungen mit der IBU seien "seit jeher marktüblich" und im Verband durch Gremienbeschlüsse "breit abgestützt" gewesen.
Die Schweizer Infront Sports & Media AG gilt als weltweit führender Sportvermarkter. Die Firma hat in 17 Ländern Niederlassungen. Zu ihren Kunden zählen unter anderem der Ski-Weltverband FIS. Mit dem Biathlon-Weltverband laufen die Verträge bis 2030. Auch in Deutschland werden zahlreiche Sportevents von Infront vermarktet, darunter die Spiele der Eishockey-Nationalmannschaft und die Vierschanzentournee der Skispringer.
Auch Münchner Staatsanwälte interessieren sich für Infront
Für das Geschäftsgebaren von Infront interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft München. Hier geht es um Verträge mit dem Deutschen Eishockey-Bund (DEB), die der langjährige DEB-Präsident Franz Reindl mit abgeschlossen hat. Wie der BR, die Augsburger Allgemeine und der Spiegel im vergangenen November berichteten, steht der Verdacht der Untreue im Raum. Dabei geht es um die Frage, ob Reindl Vermarktungsrechte für die Eishockey-Nationalmannschaft zu günstig an Infront abgegeben habe.
In dem Verfahren ist nur Reindl beschuldigt, Infront dagegen nicht. Der DEB und der ehemalige Präsident Franz Reindl wollten sich wegen der laufenden staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen zu den Vorgängen nicht äußern. Reindl hatte in der Vergangenheit jeden Verdacht auf ein strafwürdiges Verhalten zurückgewiesen, es gilt die Unschuldsvermutung. Infront kooperiert laut eigenen Angaben in dem Fall mit der Staatsanwaltschaft.
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