Drei Stunden vor Trainingsbeginn steht er schon in der Halle und wirft und wirft und wirft. Morgens um 7.30 Uhr macht er bei den Baskets das Licht an: Otis Livingston, der neue Spielmacher. Das zahlt sich aus: Mit rund 20 erzielten Punkten pro Spiel ist der 27-Jährige einer der besten Spieler der Basketball-Bundesliga.
Wenn ein Wurf daneben geht, fällt schon mal das Wort, das mit F beginnt und mit uck aufhört. Aber es geht kaum ein Wurf daneben. "Die jungen Spieler, die schauen auf zu ihm", sagt Baskets-Kapitän Felix Hoffmann über Livingston. "Die fragen, warum ist der eigentlich so erfolgreich und sehen dann, dass der hier um 7.30 Uhr auftaucht."
Würzburg: Sieben Siege in Serie in der BBL
Sieben Mal in Serie haben die Würzburger in der Liga zuletzt gewonnen. Damit egalisierten sie den Vereinsrekord für die meisten Siege in Serie binnen einer Saison. Mit einem Sieg in Rostock am Wochenende könnten sie die erfolgreichste Hinrunde der Vereinsgeschichte spielen.
Dabei dürfte der Etat des Kaders eher im unteren Mittelfeld der BBL liegen. Nachdem sich der ehemalige Hauptsponsor und Namensgeber s.Oliver zu großen Teilen aus dem Sponsoring zurückzog, haben die Baskets ein Jahr mit finanziellen Sorgen hinter sich – die Zukunft des Profi-Klubs hing an Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler, der binnen weniger Wochen neue Sponsoren und Partner für ein Engagement im Verein begeistern musste. Dabei half, dass die Baskets schon letzte Saison mit einem Mini-Etat begeisterndes Basketball spielten und bis zum Schluss um die Playoffs kämpften.
Erfolgstrainer Sasa Filipovski will keine Egoisten
Dem Trainerteam um Sasa Filipovski ist es gelungen, aus wenig viel zu machen. Wie das funktioniert? "Nun, wir schauen nicht nur auf Basketball-Skills", sagt Cheftrainer Sasa Filipovski. In Würzburg suchen sie Spieler, die für den Sport brennen, die hungrig auf Erfolg aber keine Egoisten sind. Da passt einer wie Livingston perfekt ins Beuteschema.
"Seinen Charakter hat er von seiner Familie", sagt Filipovski über Livingston. Der Spieler aus New Jersey hat zwei Brüder und zwei Schwestern – dadurch habe er von klein auf mitbekommen, im Team zu spielen, sagt sein Coach: "Ich habe Otis nicht gut gemacht, seine Eltern waren das." Sein neuer Point-Guard ist nicht nur ein brillanter Scorer, er ist auch einer der besten Vorlagengeber der Liga.
Livingstone knackt 20 Jahre alten Rekord
Für einen Basketball-Spieler ist Livingston mit seinen 1,80 Meter eher kleingewachsen – auf der Position des Point-Guard ist das aber kein Problem. Er ist der Taktgeber des Spiels, leitet Angriffe ein und verteilt die Bälle. Oder er setzt spontan zu einem Tempodribbling an, dreht sich um die eigene Achse und umkurvt die teils 2,10 Meter großen Abwehrspieler der Liga. Sein Wurf ist aus allen Lagen gefährlich.
In Tübingen lagen die Baskets kurz vor Schluss mit neun Punkten zurück, dann riss Livingston das Ruder an sich und führte die Würzburger zu einem Sieg in der Verlängerung. In dem Spiel erzielte der Point-Guard 42 Punkte, eine neue Bestmarke: "Ich glaube, das sind so viele Punkte wie schon lange nicht mehr. Vielleicht seit 20 Jahren", kommentierte Livingston seinen Erfolg trocken. In dieser Saison war das der Liga-Bestwert. "Ich muss mich einfach bei meinen Teamkollegen, meinen Trainern und dem Verein bedanken, ich habe tolle Unterstützung. Das macht mir die Arbeit leicht."
Livingstons "Tour de Europa"
Bis zu seinem Engagement in Würzburg hat Livingston eine große Reise durch Europa hinter sich. Über Dänemark, Nordmazedonien und Serbien führte sein Weg schließlich in die Bundesliga – erst zu Crailsheim, dann zu Bayreuth. Schon in Oberfranken war er der dominierende Spieler, er konnte sein Team trotzdem nicht vor dem Abstieg bewahren. Im Sommer folgte deswegen der Wechsel nach Unterfranken. In Deutschland fühle er sich wohl, sagt er, in Würzburg genießt er den Bummel durch die Innenstadt und auch für deutsches Essen kann er sich begeistern: "Schnitzel ist mein Lieblingsessen", sagt er.
Livingstons Vertrag läuft Ende der Spielzeit aus
Bei den Baskets hat der Spieler, der mit der Nummer 0 aufläuft, noch einen Vertrag bis zum Saisonende. Es ist gut möglich, dass er einen ähnlichen Weg einschlagen wird wie die Top-Spieler der Vorsaison Cameron Hunt und Stanley Whittaker, die im Sommer zu finanzstärkeren Klubs ins europäische Ausland wechselten.
Livingston sagt, dass er sich gerade nur auf den Sport konzentriert – und sich erst gegen Ende der Saison mit seiner vertraglichen Zukunft beschäftigen will. Das waren wohl die richtigen Antworten, denn der Baskets-Pressesprecher nickt fleißig, als er das ins Mikrofon spricht. Der Verein würde ihn gerne noch so oft wie möglich frühs in der Würzburger Trainingshalle begrüßen.
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