Eigentlich haben solche Fakten keinen besonderen News-Wert im Arbeitsleben des Fußballers Leroy Sané: Leroy Sané stand am Samstag gegen den FC St. Pauli für den FC Bayern in der Startelf. Leroy Sané ist für die Nationalmannschaft nominiert. Doch in der momentanen Situation des 28-Jährigen sind diese eigentlich selbstverständlichen Momente tatsächlich hervorzuheben. Schließlich wurde Sané am Sonntag von Bundestrainer Julian Nagelsmann noch für den verletzten Deniz Undav nachnominiert. Und der Startelf-Einsatz war erst der zweite in dieser Saison. "Eigentlich war nicht geplant, dass er dabei ist", gab auch Nagelsmann zu, aber Sané habe es in den letzten Wochen "meistens sehr gut gemacht".
Sané unter Tuchel: Von der Hochform ins "Wellental mit Schmerzen"
Für den hochbegabten Flügelspieler sind diese eigentlichen Selbstverständlichkeiten Hinweise, dass er langsam wieder zur Normalität zurückfindet. Monatelang waren starke Schmerzen sein ständiger Begleiter. Alles begann in der vergangenen Saison. Sané spielte unter Thomas Tuchel in der Hinrunde den vielleicht besten Fußball seiner Karriere. Acht Tore in den ersten neun Bundesligaspielen, dazu jede Menge Assists - bis zur Winterpause war der Flügelstürmer einer der besten Spieler beim FC Bayern. Dann hörte der beeindruckende Run von Sané einfach auf.
Erst später in der Saison klärte Tuchel auf: Sané laborierte seit dem Winter an einer Schambeinentzündung. "Er hat ein Wellental mit Schmerzen. Er ist extrem hart im Nehmen. Er beißt auf die Zähne", erklärte der damalige FC-Bayern-Trainer. Monatelang spielte, trainierte, ruhte er unter Schmerzen. Und Tuchel konnte in der schwierigen Situation, in der sein Team war, nicht auf ihn verzichten. Dann kam die Heim-EM. Erst nach dem bitteren Aus gegen Spanien konnte Sané sich einer Operation unterziehen. Seitdem arbeitet er kontinuierlich an der Rückkehr zur Normalität.
Auch Nagelsmann sprach zu Beginn des Lehrgangs über Sané und dessen Rolle im vergangenen Sommer. "Er weiß, dass ich mit der ein oder anderen Situation rund um das EM-Spiel gegen Spanien nicht ganz zufrieden war. Das haben wir auch besprochen. Was er kann, weiß jeder. Dass er einer der besten Spieler ist, die wir in Deutschland haben, wenn er das Potenzial auf den Platz bringt."
Kompany über Sané: "Hat gezeigt, wie gut er ist"
Sein Trainer Vincent Kompany, einst Mitspieler von Sané bei Manchester City, führt ihn langsam wieder an eine größere Rolle heran. Ausschließlich Einsätze unter 30 Minuten mutete er seinem Schützling zu. Doch die Handbremse scheint mittlerweile gelockert: 90 Minuten gegen Mainz, 82 Minuten gegen St. Pauli, dazwischen lag ein starker 34-Minuten-Einsatz gegen Benfica in der Champions League, bei dem Sané mal wieder richtig Spielfreude verbreitete. "Wir kennen Leroys Talent, er hat heute wieder gezeigt, wie gut er ist", lobte Kompany danach und nannte Sané einen der Spieler, "die Entscheidendes machen", und schränkte aber ein: "Wenn er fit und glücklich ist, sehen wir das alle."
Fit scheint Sané allmählich wieder zu sein. Sonst hätte auch Nagelsmann, der nicht bekannt dafür ist, mit seiner Nominierung Geschenke zu verteilen, nicht den 28-Jährigen nachnominiert. "Sané brauche "mehr Spielpraxis und Rhythmus", erklärte der Bundestrainer noch am vergangenen Donnerstag. Das Spiel gegen St. Pauli scheint ihn umgestimmt zu haben.
Erstes Bundesliga-Tor seit 364 Tagen
Endgültig im Rhythmus ist der Flügelspieler allerdings nicht. Zwar erzielte er gegen Bochum sein erstes Bundesliga-Tor - genau 364 Tage nach seinem letzten Treffer gegen Darmstadt in der Vorsaison. Doch dass Sané, der in seinen besten Phasen eine ständige Gefahr ist, noch immer nicht zu alter Stärke zurückgefunden hat, belegen auch die Statistiken. Er geht in deutlich weniger Dribblings, hat deutlich weniger gewonnene Zweikämpfe als in seinen besten Phasen - dazu drei Tore und keine Vorbereitung. Die Ansprüche von Sané und auch die Erwartungen an ihn sind andere.
Die Zeit drängt: Sanés Vertrag läuft aus
Umso wichtiger, dass er nach der Rückkehr zur Normalität auch zu seiner Außergewöhnlichkeit zurückkehrt. Schließlich befindet sich Sané in einer richtungsweisenden Saison. Er ist 28 Jahre alt, das Alter im Leben eines Fußballers, in dem man gerne seinen "letzten großen Vertrag" unterschreibt. Das Arbeitspapier in München läuft im Sommer aus. Grundsätzlich sollen beide Parteien an einer weiteren Zusammenarbeit Interesse haben. Doch der FC Bayern möchte Kosten reduzieren und Sané müsste bei einer Unterschrift wohl auf Gehalt verzichten.
Aktuell lassen es Sané und die Münchner mit den Vertragsgesprächen ähnlich vorsichtig und abwartend angehen, wie mit Sanés Comeback. Erst muss der gebürtige Wattenscheider liefern, weiß auch der Bundestrainer: "Das kann keiner für ihn übernehmen, aber ich bin guter Dinge, dass er das auch machen wird."
Sollte der Nationalspieler wieder auf dem Spielfeld die alten Geschwindigkeiten erreichen, dürfte das automatisch auch die Verhandlungen um ein neues Arbeitspapier beschleunigen. Die Startelf-Einsätze und Nationalmannschafts-Nominierungen dürften dann längst wieder Alltag im Leben des Ausnahme-Fußballers sein.
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