Das wahrscheinlich bekannteste DGB-Plakat: "Samstags gehört Vati mir" vom 01. Mai 1956
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Das wahrscheinlich bekannteste DGB-Plakat: "Samstags gehört Vati mir" vom 01. Mai 1956

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75 Jahre nach Gründung in München: DGB gibt sich kämpferisch

75 Jahre nach Gründung in München: DGB gibt sich kämpferisch

Am 13. Oktober 1945 wurde in München der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB gegründet. Allerdings leiden seine Einzelgewerkschaften unter sinkenden Mitgliederzahlen. Doch der DGB hält den Kampf für Arbeitnehmerrechte weiter für eine Zukunftsaufgabe.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Drei Tage dauerte das "Parlament der Arbeit", zu dem vor 75 Jahren Vertreter von 16 Einzelgewerkschaften zusammenkamen, um kurz nach der Gründung der Bundesrepublik einen Dachverband ins Leben zu rufen. Dabei schrieben sie die Tradition fort, die 30 Jahre zuvor ebenfalls in Bayern begonnen hatte: 1919 wurde der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund in Nürnberg gegründet. Der ADGB wurde 1933 von den Nationalsozialisten zerschlagen.

Pragmatisches Engagement für Arbeitnehmerrechte

In den DGB-Gewerkschaften war in der Nachkriegszeit Sympathie für sozialistische Ideen weit verbreitet. Aber der DGB verstand sich stets als parteiübergreifend. Und die Gewerkschaftsbewegung hatte neben vielen Aktiven mit SPD-Parteibuch immer auch prominente Gesichter aus dem Unionslager, wie etwa den langjährigen CDU-Sozialminister Norbert Blüm, der mit 15 in die IG Metall eingetreten ist.

Die Einzelgewerkschaften des DGB kämpften von Anfang an um konkrete Ziele: höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, arbeitsfreier Samstag, Mitbestimmung in größeren Betrieben.

Aufschwung in der sozialen Marktwirtschaft

Der wirtschaftliche Aufschwung der 1960er Jahre und oft erfolgreiche Tarifverhandlungen über Löhne und Arbeit brachten den DGB-Gewerkschaften in den folgenden Jahren beträchtlichen Zulauf. Sie konnten ihre Mitgliederzahl von zunächst knapp fünf Millionen bald steigern, Mitte der 1960er Jahre waren es schon rund sechseinhalb Millionen.

Abschwung nach der Einheit

Einen Höhepunkt bei den Mitgliederzahlen erreichten die DGB-Gewerkschaften nach dem Zusammenschluss mit den Gewerkschaften der früheren DDR. Im Jahr 1990 hatten fast zwölf Millionen Menschen einen Mitgliedsausweis einer DGB-Gewerkschaft. Inzwischen sind es weniger als halb so viele.

Seit kurzem wieder Aufschwung

Allerdings konnten die Gewerkschaften insgesamt ihre Mitgliederzahlen zuletzt wieder steigern. Bundesweit ist die Zahl von 2022 auf 2023 um knapp 22.000 gestiegen, auf gut 5,6 Millionen. Die mit Abstand größten Einzelgewerkschaften sind die IG Metall mit gut 2,1 Millionen Mitgliedern und Verdi mit rund 1,9 Millionen.

In Bayern wurden im vergangenen Jahr 776.000 Mitglieder gezählt, ein Zuwachs um etwa 8.000 gegenüber dem Jahr 2022. Damit lag die Mitgliederzahl im Freistaat aber ein ganzes Stück niedriger als zehn Jahre zuvor, als sie noch bei knapp 810.000 gelegen hatte.

Konkurrenz durch Spartengewerkschaften

Zu schaffen macht den DGB-Gewerkschaften neben einem allgemeinen Mitgliederschwund auch die Konkurrenz durch Spartengewerkschaften, die nicht zum Deutschen Gewerkschaftsbund gehören. Viele angestellte Ärztinnen und Ärzte fühlen sich durch den Marburger Bund besser vertreten als durch Verdi. Viele Lokführer setzen auf die GDL, wenn es darum geht, ihre Interessen durchzusetzen.

Gewerkschaften werben mit Vorteilen

Bei ihrer Werbung um Mitglieder werben die Gewerkschaften zum einen mit Argumenten, die schon vor 75 Jahren galten: Damit ein Arbeitnehmerverband mit Arbeitgebern gute Löhne und Arbeitsbedingungen aushandeln kann, braucht er möglichst viele Mitglieder. Wer an einem Streik teilnimmt und Gewerkschaftsmitglied ist, erhält einen Ausgleich für den entgangenen Lohn. Bei Rechtsstreitigkeiten mit ihrem Arbeitgeber können Gewerkschaftsmitglieder Rechtsschutz erhalten.

Beitrag nach Einkommen

Ihre Arbeit finanzieren die Arbeitnehmerverbände über Mitgliedsbeiträge, die sich nach dem Einkommen richten. Die meisten DGB-Gewerkschaften nehmen ein Prozent vom Bruttolohn. Im Gegenzug ist auch der Verdienstausfall bei Streiks umso höher, je mehr ein Mitglied verdient.

Neue Sonder-Tarifregeln für Gewerkschaftsmitglieder

Vielen Arbeitnehmern ist nicht bewusst, dass Tarifverträge, rein juristisch gesehen, zunächst nur für Gewerkschaftsmitglieder gelten. Denn es sind sogenannte Kollektivverträge zwischen einer Gewerkschaft als Arbeitnehmerverband auf der einen Seite, und einem Arbeitgeberverband oder auch einem einzelnen Unternehmen auf der anderen Seite. Doch üblicherweise zahlen Arbeitgeber Lohnerhöhungen, die sie mit Gewerkschaften vereinbaren, an alle Arbeitnehmer aus oder senken die Arbeitszeit für alle Beschäftigten, wenn ein Tarifvertrag das vorsieht. Ein Recht, entsprechende Tarifregelungen einzuklagen, haben aber nur Gewerkschaftsmitglieder.

Eine Ausnahme von dieser jahrzehntelangen Praxis hat die IG BCE im Sommer 2024 ausgehandelt. Der aktuelle Tarifvertrag sieht einen zusätzlichen freien Tag für Gewerkschaftsmitglieder vor. Der Gedanke dahinter: Wenn Gewerkschafter mit ihren Beiträgen die Arbeit ihres Verbandes finanzieren, dann sollen sie davon mehr haben als andere Arbeitnehmer, die keine Gewerkschaftsbeiträge zahlen.

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