Es gibt Krisen mit Ankündigung. Die bei VW ist so eine. 2019 hatte der damalige Oppositionspolitiker Robert Habeck von den Grünen dem damaligen VW-Chef im Interview prophezeit: "Wenn Sie 2025 kein E-Mobil für unter 20.000 Euro anbieten, dann werden Sie – so fürchte ich – im Markt scheitern." Nun hat die Krise das Riesenschiff VW erreicht, das immer noch mit Schweröl fährt. Das günstigste E-Auto kostet bei VW knapp 37.000 Euro. Der Absatz der E-Autos in Deutschland kommt insgesamt nicht voran, aber VW leidet darunter besonders.
VW erhöht den Druck auf die Politik
Es sind nicht nur die E-Autos, auch der stagnierende Markt in China macht VW sorgen. VW spricht nun von Kostenreduktion in Deutschland, erwägt Werksschließungen, hat die alte Zusicherung an die Arbeitnehmer zurückgenommen, wonach es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt. Bis zu 30.000 Stellen könnten in Gefahr sein. Der Konzern dementiert. Aber das Signal an die Politik ist gesetzt: Wir sind zu groß, um zu scheitern. Tut was.
Der Bundeswirtschaftsminister gibt sich unbeeindruckt
Robert Habeck, schon lang nicht mehr in der Opposition, sondern Bundeswirtschaftsminister, besucht am Freitag das VW-Werk in Emden, in dem E-Autos produziert werden. Habeck spricht von der großen Bedeutung des VW-Konzerns mit seinen fast 700.000 Mitarbeitern weltweit. Er fordert den Erhalt der VW-Werke in Deutschland, gibt sich ansonsten aber unbeeindruckt. "Der Großteil der Aufgaben wird von Volkswagen selbst gelöst werden müssen", sagt der Bundeswirtschaftsminister nach dem Besuch des Werks. Habeck ergänzt mit einem Aber, dass die Politik prüfen müsse, "ob wir Marktsignale richtig setzen oder noch verstärken können".
Staatshilfen, um VW zu retten?
Der Staat ist schon öfter großen Konzernen zu Hilfe gekommen: 2020 während der Corona-Pandemie wurde die Lufthansa mit Milliarden unterstützt. In diesem Fall lohnte sich die Unterstützung besonders, da der Bund durch Aktienverkäufe ein deutliches Plus erwirtschaften konnte. Zuletzt wurden milliardenschwere Staatshilfen für die kriselnde Meyer-Werft auf den Weg gebracht.
Nun also auch für VW? "Davon ist das Unternehmen noch weit weg. Das kann sich noch gut selber retten", sagt Habeck auf die Frage am Donnerstag. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt zudem, dass Staatshilfen in vielen Fällen als kaum mit europäischem Wettbewerbsrecht vereinbar gelten. So auch bei der Lufthansa-Rettung. Das Verfahren darüber, ob die Hilfen damals zulässig waren, läuft bis heute.
E-Auto-Prämie reloaded?
Habeck will Marktsignale richtig setzen oder noch verstärken. Und meint damit, den lahmenden E-Auto-Markt wieder in Schwung zu bringen. Er verweist auf bereits Vereinbartes: Steuervorteile für elektrisch betriebene Dienstwagen und günstigere Abschreibungsbedingungen für gewerblich genutzte E-Fahrzeuge. Das solle nun schnell umgesetzt werden. Es gibt noch keinen Hinweis darauf, dass die Bundesregierung eine Neuauflage der E-Auto-Prämie plant.
Die Prämien für den Kauf vollelektrischer Fahrzeuge gab es bis vergangenes Jahr. Sie sollten eigentlich langsam auslaufen, wurde dann zum 18. Dezember vergangenen Jahres aber abrupt beendet. Das ließ die E-Auto-Verkäufe einbrechen. Experten wie Frank Schwope, Automobilwirtschaftsexperte an der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover, bewerten solche Prämien kritisch: "Prämien verderben das Geschäft. Sie kurbeln die Nachfrage erst an und lassen sie dann einbrechen."
Niedersachsen will mit Strompreissenkung helfen
Aus Niedersachsen, dem Stammland von VW, das 20 Prozent des Unternehmens hält, kommt schon seit Längerem die Forderung, dass der Strompreis sinken müsse, um die Autobauer zurück auf Erfolgskurs zu bringen. Das könne etwa über eine Reform der Netzentgelte passieren, sagt Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies von der SPD. Am Elektro-Kurs von VW dürfe aber nicht gerüttelt werden. "Wir begehen einen dramatischen Fehler, wenn wir glauben, dass wir die E-Mobilität aussitzen könnten", sagt Lies.
Ökonom: "Wir haben den Zug verschlafen"
Das Gegenteil sagt Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der im "Zwang zum Elektroauto" den eigentlichen Grund für die VW-Krise ausgemacht hat. "Wir haben den Zug verschlafen", sagt dagegen Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft im Interview mit BR24. "Wir sind zu spät auf die Elektromobilität aufgesprungen." Jetzt habe man große Schwierigkeiten bei der Technologie aufzuholen. Schularick regt im Fall VW an, offen für ausländische Investoren zu sein, um Technologie zu importieren und den Rückstand bei VW aufzuholen. Die Politik solle dabei nicht direkt eingreifen. Nur die Rahmenbedingungen stellen.
"Autogipfel" am Montag geplant
Für kommenden Montag ist ein "Autogipfel" mit dem Bundeswirtschaftsminister angesetzt. Die Autobranche, mit 780.000 Beschäftigten immer noch einer der bedeutendsten Industriezweige des Landes, steckt insgesamt in der Krise, auch Bayerns Autobauer und viele Zulieferer. Was dagegen zu tun ist, darum soll es bei der Videokonferenz am Montag gehen. Inwieweit auch konkrete Schritte in Richtung VW-Rettung besprochen werden, ist noch unklar.
Im Video: Wirtschaftsminister Habeck bei VW in Emden
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