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Solarstrom: Hohe Hürden für Mieter und Vermieter

Die Solarbranche boomt. Viele wollen sich vom Strompreis unabhängig machen und zugleich etwas für den Klimaschutz tun. Wenn Mieter auf Solar auf dem eigenen Balkon setzen wollen, stehen Hürden im Weg. Dabei sollten längst Gesetze alles erleichtern.

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Die Tage werden länger, die Sonne scheint wieder mehr. Für Besitzer von Photovoltaikanlagen bringt jede Stunde Sonnenschein eine Ersparnis bei der Stromrechnung. Doch wer als Mieter zum Beispiel mit einer Mini-Solaranlage auf dem Balkon Strom sparen will, steht oft vor vielen Hürden. Und eine Solaranlage auf dem Dach ist in Häusern mit mehreren Wohnungseigentümern oft auch schwer umzusetzen. Woran hakt es? Wie können Mieter und Eigentümer in Mehrfamilienhäusern an günstigen Solarstrom kommen?

Balkonkraftwerk: Vermieter kann noch nein sagen

Alexander Naumann will die Energiewende vorantreiben. Für seine Dachwohnung im vierten Stock eines Mietshauses in München möchte er Sonnenstrom am Balkon produzieren. Über ein Jahr hat er für sein geplantes Balkonkraftwerk gekämpft und nicht lockergelassen. Am Anfang ging es um die Technologie, die noch nicht verfügbar war. "Dann hat der Vermieter erst mal nein gesagt, als ich gefragt habe, ob ich so etwas installieren dürfte", berichtet Naumann. Doch schließlich stimmte der Vermieter dann doch zu.

Eigentlich sollte Naumann bereits einen Rechtsanspruch auf sein Balkonkraftwerk haben. Das heißt, der Vermieter dürfte nicht ablehnen. So will es ein Gesetzesentwurf für Mietrecht aus dem vergangenen Jahr. Doch die Bundesregierung streitet weiter über Details, ein Beschluss ist noch nicht in Sicht.

Balkonkraftwerk: Anmeldung soll einfacher werden

Naumann hat sich für zwei etwas teurere, flexible Leichtmodule mit je 200 Watt entschieden. Diese werden einfach mit Klettbändern fixiert. Der französische Balkon seiner Mietwohnung ist ein idealer Standort dafür: direkt nach Süden ausgerichtet und keine Verschattung. Im bestellten Set mit dabei ist ein Wechselrichter, das Herz der Anlage. Er wandelt den Sonnenstrom in Strom für die Steckdose. "Wir haben ein Flachbandkabel hier unter der Balkontür durchverlegt und jetzt wird es zusammen mit dem Wechselrichter verbunden und dann in die Steckdose eingesteckt", erläutert Michael Steigemann vom Verein Solar2030, der ehrenamtlich unterstützt.

Jetzt steht noch die Anmeldung der Anlage bei der Bundesnetzagentur und beim örtlichen Netzbetreiber an. Auch das soll einfacher werden mit neuen Regeln im sogenannten "Solarpaket 1". Doch auch hier streiten die Ampelparteien noch. Ein Inkrafttreten ist nicht in Sicht.

Wann lohnt sich die Investition in ein Balkonkraftwerk?

530 Euro hat Naumann für sein Balkonkraftwerk ausgegeben. Ab jetzt spart er bei den Stromkosten. Denn der Sonnenstrom speist unmittelbar die Geräte im Haushalt. Was dort nicht direkt verbraucht wird, geht ohne Vergütung in das öffentliche Netz. Naumann hat also nur dann finanziell etwas davon, wenn er seinen Strom auch tatsächlich selbst verbraucht. "Hoffentlich kann ich das zu einem guten Teil, sodass ich vielleicht nach fünf bis acht Jahren die Investition wieder drin habe", sagt der Balkonkraftwerk-Betreiber.

Je nach Platz kann ein Balkonkraftwerk auch größer sein und wird damit noch rentabler. Ein Beispiel: Zwei Module mit zusammen 840 Watt Leistung kosten in der Anschaffung etwa 500 Euro. Ein Einpersonenhaushalt kann bei einem angenommenen Preis von 35 Cent pro Kilowattstunde rund 100 Euro Stromkosten im Jahr sparen. So amortisiert sich die Anlage nach etwa fünf Jahren. Oft gibt es eine regionale Förderung, dann rechnet es sich noch schneller. Da die Module etwa 30 Jahre halten sollen, lässt sich lange Strom sparen.

Mit dem "Solarpaket 1" soll für Balkonkraftwerke die maximale Einspeiseleistung von 600 auf 800 Watt hochgesetzt werden, um mehr Ausbeute zu haben. Doch auch darauf müssen Mieter noch warten. Aber es gibt einen kleinen Trick, wie Michael Steigemann vom Verein Solar2030 erläutert: "Aktuell kann man sich schon Wechselrichter, die auf die 800 Watt gehen, kaufen und kann die dann entsprechend drosseln, so dass man sie jetzt schon nutzen kann und dann nicht umbauen muss."

Wohnungseigentümergemeinschaften: Oft fehlt die Mehrheit

Lieber eine eigene große Anlage auf dem Dach statt vieler Balkonkraftwerke an der Fassade, dachten sich Simon Noggler, Thomas Neiß und Matthias Walter. In drei Jahren nervenaufreibender Vorbereitung haben sie für ihre Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) in München mit 57 Haushalten Photovoltaik durchgeboxt. 60 Prozent der Wohnungen sind eigengenutzt, 40 Prozent vermietet. Mehrheiten für das Projekt zu finden, war keine leichte Aufgabe. Jeder der drei hat rund 100 Arbeitstage an Zeit investiert, und beinahe wäre es gescheitert.

"Hätten wir die Anlage im Eigenbetrieb aufgebaut, hätten wir als Messstellenbetreiber und Stromanbieter auftreten müssen, um so auch den Strom an die Mieter zu bekommen, nicht nur an die Eigentümer", erklärt Wohnungseigentümer Matthias Walter. "Das wäre sowohl aus steuerlichen Aspekten als auch im Umgang mit der Abrechnung nahezu unmöglich geworden."

Viele Hürden: Von der Machbarkeitsstudie bis zum Versorger

Die einzig praktikable Lösung: Die WEG sucht sich einen Stromversorger, der die Photovoltaik-Anlage finanziert, errichtet, betreibt und den erzeugten Strom an die Haushalte verkauft. Doch die WEG brauchte nicht nur den Stromversorger.

"Die Partner sind bei einer so großen Anlage sehr wichtig, angefangen von der Machbarkeitsstudie bis hin zum Elektrofachplaner, dem Baugutachter, dem Rechtsanwalt, der die Verträge prüfen muss, bevor man dann einem der großen Anbieter, die so eine Anlage auf ein Dach installieren können, dann tatsächlich den Auftrag erteilt", ergänzt Walter.

Modell Mieterstrom: Sonnenstrom zu günstigen Preisen

Die Wahl fiel auf die Stadtwerke München SWM. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat mit der SWM einen Vertrag über 20 Jahre geschlossen. So lange verteilen die SWM den Sonnenstrom im Haus zu günstigen Preisen, weil zum Beispiel Netzentgelte wegfallen. Mieterstrom heißt das Modell. Scheint keine Sonne, kommt der Strom auch für Treppenhauslicht oder Lift aus dem Netz. Für die Versorgung der einzelnen Wohnungen schließt jede Partei einen individuellen Vertrag. Sie muss den Solar-Strom aber nicht abnehmen, jeder kann nach EU-Recht seinen Stromanbieter frei wählen. Mindestens die Hälfte sollte aber mitmachen. Denn wenn es zu wenige Haushalte sind, ist der Anteil an Strom, der vor Ort verbraucht wird, zu gering, und die ganze Anlage wird unwirtschaftlich.

"Die Teilnehmerquote beträgt hier circa 67 Prozent, was sehr erfreulich ist", sagt Manuel Welte von den Stadtwerken München. "Die Teilnahmequote wirkt sich neben den anderen Parametern auf den Strompreis aus, umso mehr Personen teilnehmen, umso günstiger kann der Stromtarif im Endeffekt angeboten werden."

Mieterin: Halbierte Kosten

Viktoria Große ist eine der Mieterinnen in der Wohnanlage. Sie hat sich schnell überzeugen lassen, beim Mieterstrommodell mitzumachen. Ein Strompreisvergleich brachte keine besseren Angebote, sie sieht nur Vorteile. "Wir waren zuvor in der Grundversorgung und haben uns jetzt mit dem Mieterstrom beim Arbeitspreis halbiert von den Kosten her", berichtet Große. "Auch erwarten wir, dass die Nebenkosten für das Haus für den Gesamtstromverbrauch hier in der WEG deutlich geringer werden, das sehen wir dann, wenn die Abrechnung kommt."

Matthias Walter nutzt seine Immobilie selbst. Er muss, anders als die Mieterin, auch die Anfangsinvestitionen anteilig mittragen. Für die gesamte WEG waren das rund 11.000 Euro. Matthias hat ein Programm geschrieben, mit dem jeder Eigentümer ausrechnen kann, wieviel er bei der jeweiligen Wohnungsgröße investieren musste, einspart und wann sich das amortisiert. "Bei der Wohnungsgröße sind das bei uns ungefähr 80 Euro im Jahr, die wir da einsparen, und wir haben ungefähr 270 Euro investiert, und das hat sich nach knapp drei Jahren gerechnet bereits", sagt Walter.

Für Vermieter ist Solarstrom finanziell nicht lukrativ

Eigentümer, die ihre Wohnung vermieten, investieren, profitieren aber nicht vom günstigen Strom. Das ist häufig der Grund für die Ablehnung solcher Projekte. "Vermieter haben nur den Vorteil, dass sie sich aktiv an der Energiewende beteiligen", bestätigt Walter. "Finanziell gibt es keine Vorteile, aber die Investitionssumme beträgt nur 250 Euro, und in unserer Wohnungseigentümergemeinschaft haben alle Vermieter diesem Beschluss zugestimmt."

Eine wichtige Rolle spielte dabei die Hausverwaltung. Deren Chefin, Rosemarie Ellmann, unterstützte die drei Initiatoren tatkräftig. Nicht immer sieht sie so viel Initiative und Willen bei Wohnungseigentümergemeinschaften. 60 Stück betreut sie, doch nur eine einzige mit PV-Anlage. Gerade erst ist wieder ein Vorhaben an der Mehrheit gescheitert. "Die älteren Bewohner sind der Meinung, dass man, ich sag es jetzt mit den Worten der Bewohner, dass man das gar nicht mehr erlebt, bis sich das amortisiert", berichtet Ellmann.

Potenzial von Sonnenstrom wird nicht ausgeschöpft

Hinzu kommen die gesetzlichen Auflagen. "Wir müssen immer drei Angebote vorlegen. Nur gibt es noch nicht so viele Firmen, die tatsächlich Photovoltaikanlagen auf die Dächer setzen", ergänzt Ellmann. Sie wünscht sich mehr Erleichterung, Förderung und Planungssicherheit.

Rund 22 Prozent der Wohnungen in Deutschland sind in WEG-Besitz. Ihre Dächer böten ein großes Potenzial für die Produktion von Sonnenstrom. Trotzdem streitet die Bundespolitik weiter über bürokratische Erleichterungen im "Solarpaket 1". Und das angedachte "Solarpaket 2", mit darüber hinaus gehenden Vereinfachungen, steht in den Sternen.

Dieser Artikel ist erstmals am 04.04.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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