Nach knapp 13 Jahren Bürgerkrieg liegt Syriens Wirtschaft am Boden, ein Großteil der Bevölkerung lebt in Armut. Nach dem Sturz des Assad-Regimes gilt es als eine der wichtigsten Aufgaben für eine neue Regierung, die Infrastruktur des Landes wieder aufzubauen. Dabei könnten auch deutsche und bayerische Unternehmen helfen, denn schon in der Zeit vor dem Bürgerkrieg gab es enge Verbindungen zwischen den Ländern.
Erdöl bleibt wichtigstes Handelsgut
Auch wenn die Reserven bei weitem nicht so groß sind, wie in Saudi-Arabien oder im benachbarten Irak – Erdöl gehört traditionell zu den Standbeinen der syrischen Wirtschaft. Vor dem Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 war Deutschland der mit Abstand wichtigste Abnehmer für das dort geförderte Rohöl.
Wegen Sanktionen und dem Niedergang der syrischen Ölindustrie brachen die Handelsbeziehung dann komplett zusammen. In den Jahren des Krieges wurden viele Ölanlagen bei Kämpfen zerstört, andere liefen nur in einem Notbetrieb weiter, da kaum noch Ersatzteile und westliche Experten ins Land kamen.
Pistazien und Öl gegen Maschinen und Flugzeuge
Insgesamt waren die Handelsbeziehungen Syriens zum einst wichtigen Partner Deutschland, und insbesondere Bayern, zuletzt auf kaum mehr messbare Dimensionen geschrumpft. So exportierten bayerische Firmen im vergangenen Jahr nur noch Waren für gerade einmal sieben Millionen Euro nach Syrien. Mehr ging schon wegen der Sanktionen auf zahlreiche Produkte nicht.
Umgekehrt lagen die Importe in den Freistaat bei weniger als 700.000 Euro. Einen erheblichen Teil der syrischen Lieferungen machten landwirtschaftliche Produkte aus – zum Beispiel Pistazien. In Bayerns Wirtschaft hofft man nun auf stabile Verhältnisse durch eine neue Regierung. Das würde es Unternehmen aus dem Freistaat ermöglichen, zum Beispiel Fahrzeuge, Maschinen und Anlagen zu liefern. Außerdem wären bayerische Firmen auch beteiligt, wenn syrische Airlines bei Airbus neue Flugzeuge bestellen dürften. Wichtige Zulieferer wie Premium Aerotec, Diehl oder Liebherr fertigen im Freistaat Bauteile für Flieger. Bisher bestehen auch hier Sanktionen.
Waffen made in Russia
Auch Waffenlieferungen fielen in den Zeiten des Bürgerkrieges unter ein westliches Handelsembargo. Ohnehin hatten bayerische Rüstungsfirmen keine Handelsbeziehungen zu Syrien. Das Assad-Regime setzte bei der Bewaffnung seiner Streitkräfte traditionell auf sowjetische und später russische Lieferanten. Im Norden Syriens setzte die türkische Armee zeitweise Leopard 2-Panzer ein. Diese hatte das Nato-Land allerdings lange vor dem Syrien-Krieg beim bayerischen Hersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) gekauft.
Kraftwerkstechnik von Siemens
Ähnlich heruntergewirtschaftet sind große Teile der Industrie und der Infrastruktur. Zum Beispiel funktioniert das Stromnetz nur in Teilen des Landes zuverlässig. Es fehlt an Kraftwerken und Netzen für die Stromverteilung. Hier sehen Experten wie Volker Treier, der Außenhandelschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Chancen für deutsche und insbesondere bayerische Firmen. Treier erinnert an die Zeit vor 2011: "Aus Deutschland hatte Syrien damals hauptsächlich Maschinen, Fahrzeuge und chemische Erzeugnisse importiert.“
Bis kurz vor dem Beginn des Bürgerkrieges war Siemens in Syrien einer der wichtigsten Lieferanten für Energietechnik. Noch 2011 gab es Ausbaupläne für Kraftwerke, die allerdings wegen der immer strengeren Sanktionen nicht realisiert wurden. Firmen wie Siemens oder die inzwischen abgespaltene Siemens Energy gelten deswegen als wahrscheinliche Kandidaten, sollten in Zukunft neue Kraftwerke gebaut oder bestehende Anlagen modernisiert und erweitert werden.
Vom Assad-Clan ausgeplündert
Wie ein wirtschaftlicher Aufbau des Landes gelingen kann, ist offen. Für ausländische Investoren hängt viel davon ab, ob sich in naher Zukunft in Damaskus eine stabile Regierung bildet, die Frieden und berechenbare Rahmenbedingungen garantiert. Darüber hinaus dürfte das Land auf Jahre auf internationale Hilfe angewiesen sein. Denn in den Jahrzehnten der Diktatur hat der Assad-Clan Syrien regelrecht ausgeplündert.
Internationale Finanzexperten gehen davon aus, dass die Herrscherfamilie und ihre Günstlinge mehr als 100 Milliarden Dollar zusammengerafft haben, während geschätzt 90 Prozent der einheimischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben.
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