Ein Regionalzug steht auf einem Gleis im Bahnhof Mittenwald. Mittenwald verfügt über einen Bahnhof an der Bahnstrecke Innsbruck–Garmisch-Partenkirchen.
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Das 49-Euro-Ticket soll die Menschen zum Zugfahren bewegen. Ein ständiges Streitthema: Muss der Preis steigen?

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Streit ums Geld: So könnte es mit dem 49-Euro-Ticket weitergehen

Beim Ziel sind sich alle einig: Mehr Menschen sollen den ÖPNV nutzen und das Auto stehenlassen. Beim Weg dorthin aber gibt es Streit, und ein Streitgegenstand ist immer wieder das 49-Euro-Ticket. BR24 beantwortet die wichtigsten Fragen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Erst vor wenigen Wochen hat das Deutschlandticket seinen ersten Geburtstag gefeiert. "Nicht mehr wegzudenken" sei es, schrieb das Bundesverkehrsministerium im Mai [externer Link]. Doch jetzt, kurz vor der Sommerpause, ist – schon wieder – eine politische Diskussion darüber ausgebrochen, wie es das D-Ticket auch in Zukunft geben kann. Wie könnte es also weitergehen mit dem 49-Euro-Ticket?

Worum geht es in der aktuellen Debatte?

Schon länger fungiert das Deutschlandticket, das wie eine Monatskarte für alle Nahverkehrsangebote in ganz Deutschland funktioniert, als Spielball für politischen Diskussionsstoff. Vor allem geht es dabei ums Geld: Der Bund und die Länder haben allen Verkehrsverbünden zugesichert, dass sie Unterstützung für die Finanzierung bekommen. Vom Bund und von den Ländern kommen jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Zusätzlich war den Ländern im vergangenen Jahr zugesichert worden, dass nicht verwendetes Budget aus dem Jahr 2023 nach 2024 umgeschichtet wird. Nun aber warten die Verkehrsverbünde schon länger auf das Geld, das sie vorgestreckt haben. Erst vergangene Woche hat der Münchener Verkehrsverbund MVV ein Finanzierungsdefizit von 300 Millionen Euro moniert – das Geld steckt noch wegen der Haushaltsverhandlungen fest.

Öl in dieses Feuer hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in derselben Woche gegossen, als er gesagt hat, man müsse sich entscheiden: Wenn die Leute weiter 49 Euro für das Ticket zahlen wollten, dann könne das Schienennetz nicht renoviert und der Nahverkehr nicht ausgebaut werden. Das aber – so entgegnen die Befürworter des Tickets – sei die Grundvoraussetzung, um noch mehr Menschen weg vom Auto und hin zum ÖPNV zu bringen.

Welche Auswirkungen hat das D-Ticket bisher?

Insgesamt wurde das Deutschlandticket mittlerweile etwa 20 Millionen Mal verkauft. Es gibt bereits mehrere Untersuchungen, die sich damit befassen, welche Auswirkungen es hat – jeweils mit anderem Fokus. Bei der TU in München konnte das Team des Forschungsprojekts Mobilität.Leben [externer Link] nachweisen, dass ein Fünftel aller Abonnentinnen und Abonnenten ihr Auto stehenlassen, seit sie das D-Ticket besitzen. Aber nur sieben Prozent derjenigen, die bereits vorher im Besitz eines ÖPNV-Tickets waren, fahren ihr Auto jetzt weniger.

Studienautor Allister Loder von der TUM ist der Ansicht, dass "die ganze Gesellschaft von dem Ticket profitiert". Aktuell seien die Auslastungszahlen des Nahverkehrs vor allem am Wochenende über dem Niveau vor der Coronapandemie. Das spreche für einen enormen Freizeitwert durch das Ticket. Zudem ist das Deutschlandticket eine der am positivsten bewerteten Neuerungen der aktuellen Legislaturperiode. Laut einer Umfrage vom März 2024 [externer Link] finden 95 Prozent der Befragten, dass das Ticket eine Erleichterung bringt.

Hinzu kommt der ökologische Nutzen. Laut einer Untersuchung der Beratungsfirma Exeo Consulting [externer Link] aus Bonn bringt das Ticket eine "volkswirtschaftliche Entlastung von etwa 1,4 Milliarden Euro pro Jahr". Die Autoren der Untersuchung kritisieren in ihrem Aufsatz, dass dem Deutschlandticket vor allem die Planungssicherheit fehle. Und an zweiter Stelle: Würde der Preis erhöht, dürfte sich das "kontraproduktiv" auf die Kaufzahlen auswirken.

Wer nutzt das D-Ticket vor allem?

Bisher geht man davon aus, dass vor allem junge Großstadtbewohner mit höherem Bildungsabschluss und Festanstellung das Deutschlandticket nutzen. Ein Großteil von ihnen nutzt wöchentlich den ÖPNV und ist laut einer Fraunhofer-Studie "unterdurchschnittlich Pkw-abhängig". Aber die Datenlage ist noch sehr lückenhaft. Viele Beobachter kritisieren das, unter anderem der Fahrgastverband Pro Bahn. Dort fordert man schon seit der Einführung des Tickets eine "Open-Data-Verpflichtung", um "Echtzeit- und Auslastungsdaten" erfassen zu können. Aber auch das würde nicht ausreichen. Etwa die Hälfte aller Deutschlandtickets wird nicht auf dem Smartphone gekauft, sondern in Papierform.

Auch Allister Loder, der Leiter des TUM-Forschungsteams, bemängelt, dass in den Untersuchungen viele Abonnenten nicht berücksichtigt werden können. So habe es sich beispielsweise in den USA oder China herumgesprochen, dass es in Deutschland jetzt die Möglichkeit gibt, bei einer Rundreise für nur 49 Euro Schloss Neuschwanstein, Bamberg, München und Regensburg zu besichtigen. Diese Kundschaft werde in den Befragungen aber nicht berücksichtigt. Man wisse auch nicht, wie viele Seniorinnen und Senioren das Ticket nutzen.

Die Zielgruppe, die hingegen sehr genau untersucht ist, das sind die Pendler. Hier gilt: Je länger der Weg, desto größer die Ersparnis durch das Deutschlandticket. So konnte gerade auf den Strecken von Regensburg, Landshut oder Augsburg nach München oder Nürnberg gemessen werden, dass erheblich mehr Menschen vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umgestiegen sind.

Wie könnte eine nachhaltige Finanzierung aussehen?

Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert, dass das Finanzierungsmodell ähnlich strukturiert ist wie jetzt, nur mit einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren. Sonst, so die Argumentation, würde "das Fass weiter alle paar Tage aufgemacht". Auch hier fordern Beobachter vor allem Planungssicherheit.

Allister Loder von der TU München regt zudem an, das Thema um einen Grundsatzdebatte zu erweitern: "Ist der Nahverkehr für uns ein öffentliches Gut oder sind das Privatunternehmen?", fragt er. Soll er ein öffentliches Gut sein, so Loder, dann müsste man sich auch auf eine öffentliche Finanzierung einigen, die beispielsweise über Steuern oder ähnliche Abgaben funktioniert. Soll der Nahverkehr nur denen zugute kommen, die ihn auch nutzen, dann müssen sie auch den vollen Preis zahlen.

Bis zu welchem Preis wird das D-Ticket angenommen?

Wie viel die Menschen durchschnittlich bereit sind, für das Noch-49-Euro-Ticket auszugeben, das haben mehrere Fraunhofer Institute versucht herauszufinden. Die Untersuchung erschien im Juni 2024, befragt wurden 3.700 Menschen [externer Link]. Demnach ist der aktuelle Preis "akzeptabel", während 53 Euro als "teuer" empfunden würden und 75 Euro als "zu teuer". Im Gespräch ist aktuell eine Anhebung in einer Spanne zwischen 59 und 79 Euro. Eine andere Variante wäre ein flexibler Preis, der beispielsweise mit den Inflationsraten für Mobilität steigt.

Zwei Drittel der Befragten besaßen das Ticket allerdings nicht und hatten es auch noch nie erworben. Von denen sagen viele, dass ihnen schon ein Preis ab 51 Euro als "hoch" erscheinen würde. Daraus schlussfolgert Carolin Hamel, eine der Studienautorinnen, dass "mit einer Preiserhöhung die Barriere für Nichtnutzende noch einmal angehoben" wird. Als Gründe, warum die Personen das Ticket nicht kaufen wollten, gaben sie die Unzuverlässigkeit und den mangelhaften Ausbau des ÖPNV in ihrer Region an.

Bleibt das Deutschlandticket erhalten?

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Deutschlandticket vorerst bleibt. Dafür sprechen zum einen sein guter Ruf und die Zusage des Kanzlers, dass es das Ticket weiterhin geben wird. Außerdem hat die Bundesregierung erst im April eine Studie in Auftrag gegeben [externer Link], mit der das Kauf- und Nutzungsverhalten des Tickets genauer untersucht werden soll – der Studienzeitraum wird bis 2026 angegeben.

Aber das Ticket wird sich voraussichtlich noch verändern. Viele Beobachterinnen und Beobachter gehen inzwischen davon aus, dass das Ticket noch einmal teurer wird – um wie viel, darüber wird es voraussichtlich Streit geben.

Welche Ideen für die Zukunft des Deutschlandtickets gibt es?

Es gibt auch gute Nachrichten: Zum einen heißt es immer wieder, dass das Ticket noch stärker vereinheitlicht werden soll. Bislang kümmert sich jeder Verkehrsverbund selbst um den Vertrieb, was teilweise zu Konkurrenz und Synergieverlusten führt. Pro Bahn regt an, mit solchen Vereinheitlichungen das Geld einzusparen, das für die Netzoptimierung gebraucht wird. Außerdem fordert der Fahrgastverband, auch die Privatbahnen in das D-Ticket einzubeziehen.

Zum anderen gibt es viele Ideen, das Ticket als eine Art Basisticket einzusetzen und erweiterbar zu machen. Wer mit Kindern, Hund oder Fahrrädern fährt oder die Erste Klasse bevorzugt, soll diese Fahrscheine unkompliziert dazubuchen können. Solche Zusatzoptionen gibt es bereits jetzt beispielsweise in Hamburg.

Allister Loder von der TU München geht sogar noch einen Schritt weiter und regt an, das D-Ticket mit Angeboten für Carsharing, Scooter, Fahrräder oder den Fernverkehr zu koppeln. Durch solche Pakete könnten Menschen künftig eher davon absehen, sich ein neues Auto anzuschaffen oder mit dem alten Pkw gemeinsam mit anderen Pendlern die Straßen zu verstopfen.

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