Die Energiekrise macht auch vor dem Gesundheitssystem nicht halt - mit erheblichen Folgen für die Versorgung, warnt Kassenärzte-Chef Andreas Gassen. "Der Preisdruck und die Energiekrise schlagen nicht nur auf die Kliniken, sondern natürlich auch auf Arztpraxen durch", sagte er in einem Interview mit den Zeitungen der "Funke Mediengruppe".
"Wenn die Heizkosten für die Praxisräume massiv steigen, wenn sich Stromkosten etwa für Radiologen verfünffachen oder sogar verzehnfachen, dann stellt sich die Frage, ob zum Beispiel MRT-Untersuchungen noch wirtschaftlich durchführbar sind", erklärte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung weiter.
Reduzierte Arzt-Angebote oder Schließungen wegen steigender Kosten?
Deutschland werde erleben, dass Ärzte ihr Leistungsangebot beispielsweise eventuell reduzieren müssten, wenn die Politik nicht helfe. Es könne aber auch passieren, dass "diejenigen, die ohnehin am Ende ihrer Berufslaufbahn sind, jetzt früher als geplant zum Beispiel ihre Mietverträge nicht mehr verlängern und aufhören".
Ein Drittel der Hausärzte sei über 60 Jahre alt. "Wir werden diese krisenbedingten Praxisschließungen spätestens im nächsten oder übernächsten Jahr mit voller Wucht spüren. Und das in einer Lage, wo wir jetzt schon viele Praxen nicht nachbesetzen können", sagte Gassen. Diese Folge der Energiekrise würde die wohnortnahe Versorgung weiter schwächen.
Krankenkassen: "Ärzte sollten Honorarzuwachs würdigen"
Die gesetzlichen Krankenkassen kritisierten die Aussagen von Kassenärzte-Chef Gassen. "Diese Unkenrufe verunsichern Millionen von Patientinnen und Patienten und erstaunen gerade deshalb, weil ein Praxisbesitzer pro Jahr im Durchschnitt weit über 200.000 Euro an Reinertrag erhält", sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz, der Nachrichtenagentur AFP. Bei Radiologie-Praxen seien es sogar mehr als 400.000 Euro.
"Es steht bereits fest, dass das Ärzte-Gesamthonorar im kommenden Jahr um 1,4 Milliarden Euro steigt", argumentierte Lanz weiter. Das seien "rechnerisch 11.000 Euro pro Ärztin und pro Arzt mehr, die aus den Portemonnaies der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler kommen". Diese sollten daher lieber "diesen Honorarzuwachs, den Millionen Menschen durch ihre Krankenkassenbeiträge finanzieren, würdigen, statt reflexhaft nach noch mehr zu rufen".
Protestaktionen bei den Ärzten
Ohnehin ist der Unmut bei vielen Ärzten derzeit groß - das äußerten sie bereits mit Protestaktionen. Unter anderem geht es dabei um die sogenannte Neupatientenregelung, die aus Spargründen abgeschafft werden soll. Bislang erhielten Ärzte durch die Maßnahme finanzielle Vorteile, wenn sie neue Patienten behandelten und zusätzliche Termine anboten. Doch das habe sich so nicht bewährt, meint Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun.
Lauterbach: Mehr Geld für Ärzte bei schneller Terminvermittlung
Jetzt aber sollen die Honorare für Hausärzte erhöht werden, die kurzfristig Termine bei Fachärzten erfolgreich vermitteln. Das gehe aus einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hervor, über den das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) berichtete. Demnach soll es pro Fall eine Erhöhung von aktuell zehn Euro auf dann 15 Euro geben. Außerdem würden auch die Fachärzte mehr Geld bekommen, die mit Terminservicestellen zusammenarbeiten.
"Einen Facharzttermin zu bekommen, muss endlich deutlich leichter werden als bisher", sagte Lauterbach dem RND. Die Änderung sei ein "wichtiger Schritt gegen die Zwei-Klassen-Medizin".
Landesärztekammerpräsident fordert mehr Wertschätzung
Auf dem Bayerischen Ärztetag in Regensburg appellierte der Präsident der Landesärztekammer, Gerald Quitterer, seinem Berufsstand mehr Wertschätzung entgegenzubringen. Dies müsse auch in Form von finanziellen Ressourcen geschehen: "Die Versorgungssicherheit ist dann in Gefahr, wenn nicht genügend Mittel bereitgestellt werden", sagte Quitterer dem BR.
Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen, mehr Patienten und mehr erkranktem Personal warnte er vor einer zu hohen Arbeitsbelastung der Mediziner. Quitterer sprach sich mit Blick auf den Winter für eine Maskenpflicht in Innenräumen aus. Seit Jahren schon würde die Ärzteschaft an der Belastungsgrenze arbeiten. Aktuell kämen noch weitere Herausforderungen hinzu: die Folgen des Krieges in der Ukraine, Nachwuchsmangel - und zu viel Bürokratie.
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