Die Europawahl hat im Vorfeld vorher ungekannten Aktionismus bei den Gewerkschaften und auch einigen Unternehmen ausgelöst. Unter anderem hatte sich ein breites Bündnis gebildet: "Wir stehen für Werte". Mit dem sollte öffentlich und innerhalb der Betriebe für die Verteidigung von Werten eingestanden werden. Beteiligt sind dort auch viele bayerische Unternehmen.
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Nun ist die Europawahl gelaufen und tatsächlich haben die Kräfte der politischen Mitte die Mehrheit gehalten. Aber das Erstarken der rechten, nationalistischen Parteien ist nicht zu übersehen. Für große Player wie dem Versicherer Allianz, die ihren Hauptsitz in München hat, bedeutet das, dass es in der politischen Ausgestaltung Verschiebungen geben wird.
Allianz: "Weitere Schicht an Unsicherheit"
Jasmin Gröschl arbeitet bei der Allianz als Ökonomin mit dem Schwerpunktgebiet Europa. Sie geht davon aus, dass der politische Kurs der vergangenen Jahre eher beibehalten wird. Aber Themen wie die Wettbewerbspolitik, Sicherheit oder Verteidigung werden ihrer Ansicht nach in den Vordergrund rücken. Bei der Klimapolitik hingegen erwartet sie keine weiteren großen Sprünge. Stattdessen müssen die angekündigten Vorhaben, die bereits in Gesetzte gegossen sind, nun auch entsprechend umgesetzt werden.
Insgesamt also keine große Aufregung? Doch, etwas sei anders, räumt Gröschl im Interview mit BR24 ein: "Wir haben eine weitere Schicht an Unsicherheit dazubekommen". Manche Politik könne mit den Rechten nicht mehr umgesetzt zu werden, gerade was die Stärkung des Binnenmarkts angeht. Außerdem sei fraglich, wie es mit der Finanzierung von Subventionen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit weitergeht.
Zusammenhalt muss jetzt gestärkt werden
Um einem möglichen Abschwung entgegenzuwirken, sei es deshalb wichtig, den Zusammenhalt zu stärken und vor allem, die Chancen des großen europäischen Einheitsmarkts viel mehr zu nutzen. Es gebe so viele unabhängige Investitionsmöglichkeiten, so Gröschl, die Europa in eine Art "Block" umfunktionieren könnten und so zum Gegengewicht zu den USA und China werden lassen.
Einen etwas anderen Blick wirft man beim bayerischen Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB auf die Wahlergebnisse. "Die Menschen wollen Sicherheit", sagt der Vorsitzende, Bernhard Stiedl, gegenüber BR24. Und diese Sicherheit könne die Bundesregierung den Leuten nicht geben, deshalb hätten rechtspopulistische Parteien dazugewonnen, so Stiedls Analyse.
"Wenn die Menschen keine Zukunftsängste haben, dann wählen sie auch keine rechtspopulistischen Parteien." Als Argument führt er die guten Ergebnisse der sozialdemokratischen Parteien in den Benelux-Ländern an. Dort sehe man, dass die "europäische Idee lebt".
"Natürlich hätten wir als Gewerkschaften uns eine deutlich sozialere Politik gewünscht, auch in Bayern", so Stiedl. Denn gerade Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und junge Menschen seien verunsichert, das zeigten die Wahlergebnisse. Den Menschen müssen die "Zukunftsängste abgenommen werden."
DGB Bayern: "Wer auf Stillstand setzt, kann nur verlieren"
Das Ziel der Rechten sei, die freien Märkte einzudämmen und stattdessen wieder mehr auf nationalstaatliche Kreisläufe zu reduzieren. Stiedl gibt aber zu bedenken: "Eine Wirtschaft, die auf Stillstand setzt, kann am Ende nur verlieren."
Auch bei der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft vbw ist man einerseits erleichtert über den festen demokratischen Kern des Europaparlaments, andererseits aber auch erschrocken über das Erstarken der politischen Ränder. "Das ist nahezu beängstigend", sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt am Montag gegenüber BR24. Um jetzt weiteres Ausfransen zu verhindern, müsse man nun "zügig eine Führungsmannschaft zusammenstellen, die sich auf die großen Dinge konzentriert." Vor allem die Wettbewerbsfähigkeit müsse gesichert werden.
IHK, vbw und HWK mahnen jetzt zu schneller Teambildung
Die Kampagne der Unternehmen "Wir stehen für Werte" habe funktioniert, so Brossardt, "aber sie hat zu wenig funktioniert", konstatiert er. "Man muss sich jetzt weiter engagieren, damit Europa im richtigen Sinne weiter stark ist."
Der Handwerkskammer-Tag BHT hat sich nach der Wahl ebenfalls geäußert: "Das oberste Ziel muss sein, dass die europäischen Institutionen jetzt schnell handlungsfähig werden, um inhaltlich konstruktiv arbeiten zu können", sagte BHT-Präsident Franz Xaver Peteranderl.
Auch bei der Industrie- und Handelskammer in Oberbayern hat man am Tag danach ganz klare Forderungen: "Die europäische Politik muss Bürokratie und Hürden im Binnenmarkt abbauen", heißt es von BIHK-Präsident Josef Lutz. Außerdem müsse man analoge und digitale Angriffe abwehren, Energienetze verknüpfen, die Kapitalmarktunion verwirklichen und Handelsabkommen abschließen.
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