Um in Deutschland zu arbeiten, benötigen EU-Bürger weder eine spezielle Erlaubnis noch ein Visum. Für sie gilt die Arbeitnehmer-Freizügigkeit. Doch weil die Zuwanderung aus anderen EU-Staaten allmählich zurückgeht, gewinnt die aus Drittstaaten eine zunehmend größere Bedeutung. Und das stellt Unternehmen oft vor Schwierigkeiten.
Geschäftsführerin: "Es würde nicht funktionieren"
Yassine Tebrouri hat es geschafft: Er hatte sich auf eine Anzeige des Metallbetriebs Mayr im oberbayerischen Böbing als Konstrukteur beworben. Zuvor hatte er in Marokko eine Ausbildung zum technischen Systemplaner gemacht. Um seinen Abschluss einem deutschen gleichzustellen, fehlte ihm allerdings Praxiserfahrung. Er bekam ein Visum, um die noch fehlende Qualifikation in Deutschland nachzuholen.
Nach acht Monaten Arbeit bei der Firma Mayr und insgesamt eineinhalb Jahren in Deutschland kann er nun als Fachkraft arbeiten. In einem Team, das insgesamt sehr international aufgestellt ist. "Bei uns spricht man 16 Sprachen aktuell", erläutert Geschäftsführerin Maresa Mayr. "Wir sind wahnsinnig stolz darauf, so eine kulturelle Vielfalt zu haben. Und man muss ganz ehrlich sagen: Bei uns würde es nicht funktionieren, wenn wir die Leute mit Migrationshintergrund bei uns nicht hätten."
Wie attraktiv ist Deutschland für Zuwanderer?
Die deutsche Bevölkerung nimmt seit über 40 Jahren ab. Ohne Zuwanderung würde die Zahl der grundsätzlich Arbeitsfähigen bis Mitte der 2030er Jahre um 7,9 Millionen schrumpfen. Auch deswegen hat die große Koalition 2019 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet, erklärt Elfriede Kerschl von der Industrie- und Handelskammer: "Bis zu dem Zeitpunkt war die Zuwanderung sehr stark auf Akademiker fokussiert."
Die OECD hat untersucht, welche Länder am attraktivsten für Fachkräfte ist. Deutschland belegt Platz 15 von 38. Aus Sicht des Arbeitsmarktexperten Enzo Weber braucht es mehr, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Deutschland habe "ein kompliziertes Qualifikationssystem, das es sonst eigentlich nirgendwo gibt".
Das bekommt auch Susanne Schönwälder zu spüren. Mit einer Kollegin betreibt sie mehrere Kindergärten, Schulen und heilpädagogische Tagesstätten in München. Ihr größtes Problem sind fehlende Fachkräfte. Mittlerweile kommt mehr als die Hälfte der Bewerbungen aus dem Ausland, häufig aus Drittstaaten.
Schönwälder hält die formellen Hürden für Bewerberinnen aus Nicht-EU-Staaten für zu hoch: "Weil die hier natürlich einen irrsinnigen Ämter-Wirrwarr haben, den wir ja als Deutsche teilweise schon gar nicht verstehen." In einer der Kitas arbeitet Ksenia. Die Russin hat Pädagogik studiert und ließ sich während ihrer Ausbildung in München als Ergänzungskraft anerkennen. Doch es brauchte vier Monate, bis Ksenia schließlich ihre Arbeitsgenehmigung erhielt und endlich Vollzeit in der Kita arbeiten kann.
In der Pflege läuft es besser
Immerhin bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in Pflegeberufen hat sich etwas getan. Seit die Staatsregierung die Zuständigkeit zentralisiert und Abläufe digitalisiert hat, werden mehr Anträge in kürzerer Zeit bearbeitet. Im Pflegebereich arbeiten in Deutschland heute schon mehr Nicht-EU-Arbeitskräfte als Arbeitskräfte aus der EU. Ein Problem sind auch die oft monatelangen Wartezeiten auf einen persönlichen Termin für ein Visum in den deutschen Botschaften. Arbeitgeber fordern ein Online-Antragsverfahren.
Wie gut gelingt die Job-Integration Geflüchteter?
Es gebe auch Probleme bei der Integration, "gerade bei der Fluchtzuwanderung sind die besonders gravierend", sagt Arbeitsmarktexperte Weber. So liege etwa bei Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind, die Erwerbsquote im europäischen Vergleich gerade mal im Mittelfeld.
"In Deutschland müssen wir uns ankreiden: Wir haben gerade in der Anfangszeit zu lange gebraucht, also die Wartezeiten auf Sprachkurse, auf Integrationskurse, die waren sehr lang." Wenn man aber auf die Erwerbsquoten der Geflüchteten von 2015 schaue, so lägen diese mittlerweile bei über zwei Dritteln und Deutschland damit an der Spitze in Europa, so Weber.
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