Nur noch ein paar Monate bleiben den Städten und Gemeinden, um die Rahmenbedingungen für die neue Grundsteuer festzulegen. Zwar sind die Erklärungen mittlerweile größtenteils abgegeben, aber Klagen, IT-Probleme und Personalmangel verhindern, dass es so richtig vorangeht. Bisher hat laut dem bayerischen Städte- und Gemeindetag noch keine einzige der über 2.000 bayerischen Gemeinden und Städte festgelegt, wie viel Grundsteuer die Haus- und Grundeigentümer ab dem neuen Jahr zahlen müssen.
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Hebesätze sind noch lange nicht festgelegt
Einer der ganz wenigen Immobilienbesitzer in Bayern, die ihre neue Grundsteuer-Abgabe bereits kennen, ist Lothar Gottschaller – zumindest ungefähr: "Bisher hatte ich eine Grundsteuer von 360 Euro zu zahlen", erklärt der 60-jährige Leiter der Finanzabteilung der Gemeinde Bad Füssing. "Und jetzt käme ich voraussichtlich auf rund 600 Euro. Das macht sich dann schon bemerkbar."
Der Grund dafür, dass er das so genau weiß, ist nicht nur seine Leidenschaft für Zahlen, sondern auch sein Beruf: Lothar Gottschaller ist Kämmerer der Gemeinde Bad Füssing. Er hat also einen Überblick über die Berechnungsweisen der neuen Grundsteuer und weiß: Eigentlich ist es politischer Wille, dass die Gemeinden nicht viel mehr einnehmen sollen mit der Grundsteuer als früher - aber das heißt nicht, dass auch die einzelnen Steuerpflichtigen genauso viel zahlen wie bisher.
Software-Probleme, Personalmangel und fehlerhafte Angaben
Bei Gottschaller gehen all die Bescheide der etwa 8.700 Grundsteuerpflichtigen aus Bad Füssing ein – und er wird letztlich auch dafür zuständig sein, die neue Grundsteuerhöhe für seine Gemeinde zu berechnen. Die Formel dafür kennt er natürlich auswendig: Hebesatz der Gemeinde, multipliziert mit dem Messbetrag. Und dieser Messbetrag wird durch das Finanzamt festgelegt: Fläche in m² x Äquivalenzbeträge (0,04 €/m² Grund und Boden und 0,50 €/m² für die Gebäudefläche) x Messzahl.
Aber: Dieser Messbetrag ist die große Unbekannte. Die Gründe dafür sind vielfältig: Software-Probleme, Personalmangel und fehlerhafte Angaben sind nur einige davon. Lothar Gottschaller hat mit allen davon gleichzeitig zu tun und weiß, dass es zeitlich "knackig" werden könnte mit der Einführung. Trotzdem sagt er: "Irgendwie kriegen wir das schon immer hin."
Neue Grundsteuer nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts nötig
Das Projekt 'Neue Grundsteuer' ist eine verwaltungstechnische Mammutaufgabe, die ihren Anfang mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2018 genommen hat. Damals entschied Deutschlands höchstes Gericht, dass die Regelungen für die Bewertung von Grund und Boden verfassungswidrig waren. Es galt zu diesem Zeitpunkt noch, dass alle Grundstücke einheitlich bewertet werden - allerdings auf Datengrundlagen, die aus den Jahren 1964 in den westlichen Bundesländern und sogar von 1935 in den östlichen Bundesländern stammten.
Reform geht auf Bundesverfassungsgericht zurück
Die Verfassungsrichter verfügten damals, dass bis zum 1. Januar 2025 eine Grundsteuer-Reform in Kraft treten muss. In Verwaltungszeiträumen ist das quasi morgen. Und dieses Morgen bereitet nun unter anderem Lothar Gottschaller in seinem Büro im Rathaus von Bad Füssing vor.
"Wir haben jetzt etwa 84 Prozent der Daten vom Finanzamt überspielt bekommen", konstatiert der Kämmerer. "Davon sind schätzungsweise etwa fünf bis zehn Prozent noch fehlerhaft." Sprich: Zwischen 300 und 800 der Grundsteuer-Erklärungen müssen noch mal neu aufgerollt werden, obwohl die bereits per "Plausibilitätskontrolle" vom Finanzamt geprüft worden sind. Ein enormer Aufwand für alle Beteiligten.
Teilweise extrem falsche Angaben in Steuerbescheiden
Oft geht es da nicht nur um wenige Quadratmeter, die falsch sind: "Wir haben Fälle dabei, wo der Messbetrag um das Zehnfache höher ist als vom ursprünglichen Messbescheid", berichtet Gottschaller. Durch Zufall hat er erst neulich herausgefunden, dass ein Grundstücksbesitzer sein Grundstück als "unbebaut" deklariert hat, obwohl nicht nur ein Bauernhaus, sondern auch Stallungen darauf stehen.
Gottschaller unterstellt niemandem, seine Grundsteuer-Erklärung absichtlich falsch erstellt zu haben. Aber er appelliert an die Eigentümerinnen und Eigentümer, sich den Messbescheid, den sie schon vom Finanzamt bekommen haben müssten, noch einmal anzuschauen: Wenn darauf Zahlen stünden, die stark von den bisherigen Messbescheiden abweichen, "dann müsste der Bürger eigentlich schon stutzig werden", so der Leiter der Finanzabteilung.
Deshalb sei es auch ratsam, sich bei Fragen oder Einwänden zum eigenen Grundsteuer-Bescheid zuallererst an das zuständige Finanzamt oder den Steuerberater zu wenden. Denn dort wurden die Bescheide geprüft und erst dann an die zuständige Gemeinde oder Stadt weitergereicht. In den Städten und Gemeinden dann werten Zuständige wie Lothar Gottschaller die Bescheide aus, vergleichen die Angaben mit den bisherigen und versuchen so, "ihren" neuen Hebesatz zu errechnen. Der muss dann noch dem Gemeinderat präsentiert und von dem beschlossen und verkündet werden.
Alle Grundstücke und Gebäude werden nun gleich berechnet
Und hier wird es für jemanden wie Gottschaller erst richtig kompliziert: Die Grundsteuer B, also die für Bau-, Wohn- oder Gewerbegrundstücke, richtet sich ab dem 1. Januar 2025 nicht mehr wie bisher nach dem Wert des Grundstücks, sondern dem neuen Bayerischen Grundsteuer-Gesetz entsprechend nach dessen Größe in Quadratmetern. Wer also 1.000 Quadratmeter Grund mit Wasserzugang am Tegernsee besitzt, wird künftig nach demselben Prinzip besteuert wie jemand mit 1.000 Quadratmetern in Bad Füssing.
Beim Eigentümerverband Haus und Grund sieht man genau das kritisch. Rudolf Stürzer, der Vorsitzende des Vereins, ist sicher, dass es allein deswegen noch zu Klagen kommen wird: "Benachteiligt sind Eigentümer mit großen Wohn- und Grundflächen – und zwar unabhängig davon, wo diese Grundstücke sich befinden", so Stürzer. Ganz so einfach sei es aber nicht, entgegnet Lothar Gottschaller. Denn zwar ist die Bewertung überall gleich, aber nicht der Hebesatz, mit dem die errechnete Quadratmeterzahl letztlich multipliziert wird. Soll heißen: Am Tegernsee kann ein anderer Grundsteuer-Hebesatz gelten als in Bad Füssing. Die Hebesätze werden von den Gemeinden festgelegt und können jährlich geändert werden.
"Aufkommensneutralität" kaum zu halten
Womit man beim nächsten Problem wäre. Denn laut bayerischem Beschluss soll die neue Grundsteuer "aufkommensneutral" sein. Mit der Steuer ab 2025 soll also nicht mehr Geld in die Kassen der Städte und Gemeinden gespült werden als davor. In Bad Füssing wären das 1,6 Millionen Euro.
Das ist aber gar nicht so einfach. Nicht nur, weil das die Berechnung komplizierter macht, sondern auch, weil die Gemeinden das Geld sehr gut gebrauchen könnten, berichtet Gottschaller. Die hohen Inflationsraten in den vergangenen Jahren, dazu der Fachkräftemangel, einhergehend mit vergleichsweise hohen Tarifabschlüssen und andere Zusatzbelastungen machten es schwierig, die Löcher in den Gemeindekassen zu stopfen.
Allein durch die Kreisumlage, mit der unter anderem die Defizite der Krankenhausfinanzierung ausgeglichen werden sollen, müsse Bad Füssing dieses Jahr 800.000 Euro mehr aufbringen. Etwas mehr Geld käme dem Kämmerer also mehr als gelegen – und theoretisch könnte der Gemeinderat das auch so beschließen.
Eigentümerverband beobachtet sehr genau
Genau diese Gedankenspiele kennen sie auch beim Eigentümerverband Haus und Grund. Man werde ganz genau hinschauen, was die Städte und Gemeinden entscheiden, so Rudolf Stürzer. Schon jetzt wurden sogenannte Popularklagen zu dem Thema eingereicht, so der Vereins-Vorsitzende: "Da wird es spannend sein, wie die Gerichte entscheiden", glaubt der Rechtsanwalt. "Wenn es für die Städte und Gemeinden schlecht läuft, dann wird die neue Grundsteuer gecancelt, und dann haben die ein echtes Problem."
Noch sei es aber ruhig in Bad Füssing, berichtet Lothar Gottschaller. Er habe noch keine Rückfragen von Einwohnerinnen und Einwohnern zur Grundsteuer bekommen. Aber er ahnt auch, dass sich das ändert, sobald der Gemeinderat zum Ende des Jahres hin den neuen Hebesatz verabschiedet und er die neuen Steuerbescheide verschickt hat. Trotzdem lacht Gottschaller und sagt: "Das ist ja Teil des Jobs."
Dieser Artikel ist erstmals am 21. März 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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