Die dahinsiechende Wirtschaft steht mit im Zentrum des Wahlkampfs. Doch was sollte eine neue Bundesregierung nach Einschätzung der bayerischen Unternehmen schnell in Angriff nehmen? Laut Umfragen brennt den Firmen im Freistaat vor allem der Fachkräftemangel, die teure Energie und zu viel Bürokratie unter den Nägeln.
Bayerische Firmen beklagen Fachkräftemangel und starre Tarifverträge
Die Firma Bechtold in Weilheim beschäftigt inzwischen mehr als 100 Mitarbeitende. "Wir merken, dass wir richtig kämpfen müssen und dass auch Veränderungen für die Zukunft nötig sind", sagt Junior-Chef Matthias Bechtold. 2024 verzeichnete das Unternehmen einen Umsatzrückgang um 15 Prozent. Zwar gewann es neue Kunden, doch das bedeutet mehr unterschiedliche Aufträge und damit mehr Zeitdruck.
Die Lösung für Bechtold wäre die Flexibilität, an manchen Tagen mehr zu arbeiten. Doch das gibt der Tarifvertrag mit der IG Metall nicht her. Viele Mitarbeitende gehen bald in den Ruhestand. Durch den Fachkräftemangel sind neue schwer zu finden. "Insofern ist es für mich die logische Konsequenz, dass die, die da sind, mehr arbeiten müssen", so Bechtold.
Die Belegschaft sieht das kritisch. Auch, weil die Steuern zu viel von dem Mehrverdienst auffressen würden. "Wir als Arbeitnehmer wünschen uns eine Steuerentlastung, damit einfach mehr netto vom brutto übrigbleibt und sich somit wieder Mehrarbeit lohnt", erklärt Betriebsratsvorsitzender Michael Osterried.
Bayerischer Wirtschaftsverband will späteren Renteneintritt
Der Wirtschaftsstandort Deutschland sei zu kompliziert und zu teuer, sagt die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). "Bei der Rente fordern wir ganz konkret, dass Schluss sein muss mit der Rente mit 63", sagt vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit bis 68 müsse man zumindest diskutieren.
Beim Gewerkschaftsbund DGB sieht man solche Forderungen kritisch. "Ausweitung der Arbeitszeit wird keine einzige zusätzliche Fachkraft schaffen, sondern es wird nur das Hamsterrad für die Beschäftigten schneller laufen", mahnt DGB Bayern-Vorsitzender Bernhard Stiedl. Der Effekt seien nur mehr Gesundheitsausfälle. "Die Leute würden ja gern mehr arbeiten, aber sie können nicht, weil sie zu Hause ihre Kinder betreuen müssen oder einen Pflegefall haben. Das ist doch das Problem", so Stiedl.
"Bürokratie macht uns platt"
Das Familienunternehmen Multivac in Wolfertschwenden im Allgäu ist eine große mittelständische Firma mit weltweit über 7.000 Mitarbeitenden. Multivac ist Verpackungsspezialist und baut große Maschinen vor allem für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Das Unternehmen, das weltweit an 16 Standorten produziert, leidet vor allem unter der Bürokratie in Deutschland.
"Die macht uns wirklich platt", sagt der Geschäftsführende Direktor Christian Traumann. Es sei "eine Katastrophe, das können sich Außenstehende gar nicht vorstellen." Besonders trifft Multivac das Lieferkettengesetz, das 2023 in Kraft trat, wie Traumann am Beispiel einer Produktionsmaschine skizziert: "Wir müssen im Prinzip komplett dokumentieren, woher das Material kommt."
Das führe zu zwei Problemen. Zum einen bedeute es einen gigantischen Verwaltungsaufwand, für den Personal beschäftigt werden müsse, um alles zu dokumentieren. Zum anderen könne man nicht mehr die günstigsten Lieferanten nehmen, "weil die vielleicht keinen Nachweis führen können", so Traumann. "Unsere Mitbewerber in der Welt lachen eigentlich über uns!".
vbw fordert günstige und verlässliche Energieversorgung
Die Firma Kerafol in der Oberpfalz stellt hauchdünne Keramikfolien her. Trotz der schwierigen Wirtschaftslage haben die 250 Mitarbeitenden des familiengeführten Unternehmens gut zu tun. Doch es sei Planungssicherheit für die Industrie nötig, ohne kurzfristige Änderungen, betont Geschäftsführerin Sabine Koppe. Zudem brauche das Unternehmen Unterstützung beim Thema Energie.
Eine günstige und verlässliche Energieversorgung fordert auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. "Wir sind bei den Energiekosten weder europaweit noch weltweit wettbewerbsfähig", urteilt Brossardt. "Wer seine Produkte absetzen will, wird nicht mehr in Deutschland produzieren können."
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