"Wir lassen uns nicht zum Narren halten" – so war die Demonstration der Beschäftigten aus dem Einzelhandel an Weiberfastnacht in Nürnberg überschrieben. Mit einer Art Faschingswagen vorneweg zogen die rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Vormittag vom Gewerkschaftshaus durch die Innenstadt. Zu dem Protest aufgerufen hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Gegen Mittag versammelte sich dann eine weitere Berufsgruppe, um gegen schlechte Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen zu protestieren: vor dem Heimatministerium kamen mehrere hundert Arzthelferinnen zusammen.
Verdi: 1.111-ter Streiktag – kein Tag zum Feiern
Verdi-Gewerkschaftssekretärin, Jaana Hampel, sagte: "Wir feiern heute den 1.111-ten Streiktag im Einzelhandel! Seit April letzten Jahres bringen die Beschäftigten den Mut und die Stärke auf, zu streiken für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Aber natürlich ist es eigentlich sehr traurig, dass die Arbeitgeber sich trotzdem keinen Zentimeter bewegen und nicht an den Verhandlungstisch zurückkommen.“ An dem Warnstreik beteiligten sich Beschäftigte unter anderem von H&M Filialen, IKEA, Mercado, Kaufland und Marktkauf aus ganz Mittelfranken.
Paketdienstmitarbeiter fürchten um ihre Jobs
Die Gewerkschaft fordert 2,50 Euro pro Stunde mehr Lohn für die Beschäftigten im Einzelhandel. Die Arbeitgeber hatten in der ersten Novemberwoche 2023 bundesweit die Tarifverhandlungen im Einzelhandel abgesagt und bisher auch keinen neuen Verhandlungstermin benannt. An der Demo nahmen auch Beschäftigte des Paketdienstleisters DPD teil. Dieser hat angekündigt, bundesweit rund 1.200 Stellen zu streichen. Am Standort Nürnberg betreffe das rund 100 Mitarbeitende, hieß es. Sie forderten einen Sozialtarifvertrag, um die Folgen der Stellenstreichungen abzumildern.
Bayernweiter Warnstreik der Medizinischen Fachangestellten
Gegen Mittag kamen dann mehrere hundert Arzthelferinnen aus ganz Bayern auf dem Platz vor dem Heimatministerium in Nürnberg zusammen. Auch die Medizinischen Fachangestellten (MFA) forderten höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Tanja Winner, Bezirksstellenleiterin des Verbands medizinischer Fachberufe, sagte: "Ohne uns läuft in der Praxis gar nichts, wir sind auch diejenigen, die ein offenes Ohr für die Patienten haben, und trotzdem sind wir oft die Fußabstreifer." Der Verband fordert ein Einstiegsgehalt von 17 Euro pro Stunde sowie Zuschläge für MFAs, die Fortbildungen besucht haben und mehr Verantwortung übernehmen.
Arzthelferinnen wandern in andere Berufe ab
Mehrere Frauen schilderten, dass sie von ihrem Gehalt nicht leben und Miete zahlen könnten. Carina Forster, die extra aus Landshut zu der Demo angereist war, berichtete, sie arbeite seit Jahrzehnten nebenher als Schwimmlehrerin, um über die Runden zu kommen. Ihre Kollegin Tanja Schreindorfer pflichtet ihr bei: "Wir fühlen uns sehr schlecht behandelt. Wenn es so weitergeht, wird es den Beruf MFA bald nicht mehr geben. Weil keiner mehr die Ausbildung machen will, weil wir total unterbezahlt sind. Viele orientieren sich anderweitig, was ich vollkommen verstehe."
Teilweise beteiligten sich auch Ärzte an der Demonstration, "denn wenn sich an der Gesundheitspolitik nichts ändert und wir eine bessere Finanzierung der Praxen insgesamt bekommen, wird es eine Unterversorgung der Bevölkerung geben, das ist unausweichlich", erklärte Volker Reiß, Allgemeinarzt aus Nürnberg-Reichelsdorf.
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