Erst waren es vor allem die Gaspreise, nun bereiten auch die steigenden Strompreise Sorge. Die Bundesregierung und die EU versprechen Abhilfe. Reform-Forderungen erklingen, aber ganz so leicht ist es nicht, das Problem mit den Preisen zu beheben. Es sei "nicht einfach so mit Fingerschnips" abzustellen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen). Doch die Bundesregierung müsse sich jetzt mit "größter Dringlichkeit" den Strompreisen widmen, mahnte Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Strompreis nach dem "Merit-Order-Prinzip"
Hintergrund der aktuellen Lage: Strom ist eine Ware, wird zu großen Teilen an der Börse gehandelt und verkauft. Der Preis wird dabei – wie übrigens bei Kakao, Zucker oder Getreide auch – nach einem festgelegten Prinzip ermittelt, dem "Merit-Order-Prinzip": Um die Versorgung zu gewährleisten, kommen erst die günstigsten Anbieter zum Zuge, meist Wind- oder Sonnenenergie.
Den Preis für sämtlichen Strom bestimmt jedoch dasjenige Kraftwerk, das als letztes für die Sicherstellung der Versorgung gebraucht wird, damit auch dieses rentabel arbeiten kann und nicht vom Markt verschwindet. Da den teuersten Strom die Gaskraftwerke herstellen, sind sie also letztlich für den Abgabe-Betrag verantwortlich.
Gas- und Strompreise bilden eine Art Schicksalsgemeinschaft
Das bedeutet: Gas- und Strompreise bilden eine Art Schicksalsgemeinschaft, sind aneinander geknüpft – mit dem Drehen am Energiehahn hat Russlands Präsident Wladimir Putin Gas- und Strompreise in Europa gleichzeitig in die Höhe getrieben.
Reform-Forderungen: "Entkopplung" als Lösung?
Es überrascht also nicht, dass bei den Lösungsvorschlägen zu dem Wort "Reform" oft das Wort "Entkopplung" hinzukommt. Eine Möglichkeit wäre, Gas für die Stromerzeugung mit Steuergeldern zu stützen – also den Preis zu senken. Dies wird im Wirtschaftsministerium zumindest geprüft. Spanien und Portugal machten es vor.
Kritiker bemängeln: Diese Lösung belastet den Staatshaushalt und lädt fast zu mehr Energieverbrauch ein. Doch zum Beispiel der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft bleibt bei seinen Forderungen: Der Stromsteuer müsse auf das europäisch zulässige Mindestmaß gesenkt werden, die Mehrwertsteuer sollte wie beim Gas auch beim Strom von 19 auf 7 Prozent runter.
Eine Art "Übergewinnsteuer" für den Strommarkt?
Ebenfalls vom zuständigen Minister Habeck selbst ins Gespräch gebracht wurde eine Art "Übergewinnsteuer" für den Strommarkt. Das würde bedeuten: Betreiber, die mit Ökostrom oder Braunkohle besonders günstig Strom erzeugen, aber wegen der Mondpreise satte Gewinne einfahren, müssen Einiges davon abgeben. Damit ließen sich dann Verbraucher entlasten. Die "Merit-Order" bleibt, aber die problematischen Effekte werden geändert, so die Hoffnung des Wirtschaftsministeriums.
Der Nachteil hier: Damit würden ausgerechnet die Erneuerbaren angezapft, die man ja eigentlich fördern will. Und ob die FDP überhaupt bei einer "Übergewinnsteuer" mitmacht, ist fraglich. Zumindest aber kritisierte Lindner schon selbst die stark gestiegene Gewinne der Betreiber von Windrädern, Solaranlagen und Kohlekraftwerken: "Am Strommarkt hat die Politik einen Profit-Autopiloten eingerichtet", sagte der FDP-Chef.
Auch die EU sucht Lösungen
Es kursieren also mehrere Vorschläge, doch bei fast allen haben nationale Alleingänge in einem europäischen Strommarkt kaum Aussicht auf Erfolg. Die EU-Kommission sucht ebenfalls nach Lösungen – vom Notfallplan bis hin zur umfassenden Strukturreform. Nebenwirkungen aber werden bei den Maßnahmen wohl so gut wie immer zu beobachten sein.
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- Zum Artikel: "EBU-Projekt Europäische Perspektiven"
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