Unicredit will sich vom politischen Widerstand gegen den gewünschten Kauf der Commerzbank nicht bremsen lassen. Unicredit-Chef Andrea Orcel sieht die Übernahme als "Testfall für Europa" und nannte die HypoVereinsbank (HVB) als Vorbild, die von Unicredit 2005 übernommen wurde.
Drastische Stellenstreichungen nach Übernahme
Die Transformation der HVB könne eine Blaupause für die Commerzbank sein, sagte Orcel auf einem Bankenkongress in London, Unicredit habe bei der HypoVereinsbank gezeigt, dass man mit allen Beteiligten gut zusammenarbeiten könne.
Allerdings musste die HypoVereinsbank seit ihrem Kauf durch das italienische Finanzinstitut kräftig Federn lassen. Innerhalb eines Jahrzehnts gingen gemessen an der ursprünglichen Struktur der Münchener Großbank fast zwei Drittel aller Arbeitsplätze verloren. Aus dem börsennotierten Dax-Konzern wurde 2023 schließlich eine stark verkleinerte GmbH.
HypoVereinsbank: entstanden aus Hypobank und Bayerischer Vereinsbank
1998 fusionierten die Bayerische Vereinsbank, das drittgrößte Geldinstitut in Deutschland, mit der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank. Die Hypobank brachte allerdings große Altlasten aus ostdeutschen Immobiliengeschäften aus der Nachwendezeit mit in die Ehe. Diese Altlasten wurden erst später bekannt und mit 3,5 Milliarden Euro beziffert. Das führte zur Abspaltung der Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE). 2003 gelang es, die HRE gewinnbringend an die Börse zu bringen. Nur fünf Jahre später wurde sie in der Finanzkrise von 2008 bis 2009 zum größten Schadenfall in Deutschland.
Trotz dieser Schwächung hatte die HVB als "Bank der Regionen" eine riesige Einkaufstour in mittel- und osteuropäischen Ländern wie Österreich, Rumänien, Serbien und Ungarn gestartet. Dort wurden jeweils führende Institute übernommen, allen voran die Bank Austria.
Unicredit nimmt bayerische "Bank der Regionen" ins Visier
Nicht zuletzt auf diese Zukäufe hatte es 2005 Unicredit abgesehen, um sie der HVB wieder abzujagen. Für einen ohne Ausschreibung festgelegten Preis von 13 Milliarden Euro mussten die Münchener dann die Bank Austria an Unicredit verkaufen. Außerdem zwangen die Mailänder die letzten Aktionäre der Münchener Hypo- und Vereinsbank zu einem ebenfalls umstrittenen Preis von 38,26 Euro, ihre Anteile zu verkaufen. Das führte zu einer Flut von Aktionärsklagen.
Auch die Direktbanktochter DAB wurde verkauft, wie später ebenso die Immobilienplattform "Planethome". So wurde der HVB-Konzern geschrumpft und verlor immer mehr an Bedeutung auch für Unicredit und für den Finanzplatz München.
HypoVereinsbank-Übernahme: Blaupause für Commerzbank?
Ein ähnlicher Schrumpfungsprozess wie bei der HypoVereinsbank dürfte der Commerzbank bevorstehen, wenn die Unicredit sich hier durchsetzen kann. Noch aber wehrt sich das Frankfurter Geldhaus. Die neue Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp versucht, die Aktionäre mit höheren Gewinnzielen davon abzuhalten, weitere Anteile an Unicredit zu verkaufen.
Die Deutsche Bank hat bereits klargemacht: Sie will nicht den "weißen Ritter" spielen und keinesfalls die Commerzbank übernehmen.
Bundesregierung plant keine Gegenmaßnahmen
Die Bundesregierung will sich nach Aussagen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) heraushalten: Den Abwehrkampf gegen die aufdringliche italienische Großbank sollen Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank allein führen. Lindners einziges Zugeständnis: Der Bund will keine weiteren Aktien mehr verkaufen, weil das Unicredit ja erst angelockt hat.
Aktionäre hoffen auf steigenden Aktienkurs
Großaktionäre wie Fondsgesellschaften schielen bereits nach der hohen Übernahmeprämie, die mit einem weiteren Preisaufschlag die Aktie auf geschätzte 20 Euro steigen lassen könnte. Das wären noch einmal mehr als 20 Prozent obendrauf.
So forderte die Fondgesellschaft "Union Investment" den Vorstand der Commerzbank auf, jetzt lieber "konstruktive" Gespräche zu führen als Front gegen Unicredit zu machen. Im Klartext heißt das: Nun einigt Euch mal!
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