Ende Juli waren in Bayern genau 6.452 Personen ohne Duldung vollziehbar ausreisepflichtig. (Fotomontage)
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Ende Juli waren in Bayern genau 6.452 Personen ohne Duldung vollziehbar ausreisepflichtig. (Fotomontage)

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Warum viele Abschiebungen abgebrochen werden

Warum viele Abschiebungen abgebrochen werden

Bayern kann mehr als jede zweite geplante Abschiebung nicht vollziehen, in anderen Bundesländern ist die Zahl teils noch höher. Warum ist das so? Die wichtigsten Gründe – und was die Politik tun könnte.

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Die Zahl der Abschiebungen in Bayern steigt. Laut Innenministerium schob der Freistaat im ersten Halbjahr 2024 rund 1.400 Personen ab, das sind 23 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Aber die meisten Abschiebeversuche scheitern. Von Anfang 2023 bis Mitte dieses Jahres waren laut dem Landesamt für Asyl und Rückführungen insgesamt etwa 8.500 Mal Abschiebungen geplant, rund 4.800 davon konnten nicht vollzogen werden – eine Abbruch-Quote von circa 56 Prozent.

Dieser Prozentsatz bezieht sich auf die Summe aller geplanten Maßnahmen, nicht auf eine Personenzahl. Statistisch kann ein Ausreisepflichtiger für mehrere Abbrüche verantwortlich sein. In vielen Fällen gebe es aber weitere Versuche, bei denen die Abschiebung vollzogen werde, so eine Sprecherin des Landesamts.

Hauptgrund in Bayern: "unbekannter Aufenthalt"

Die Behördendaten zeigen einen Hauptgrund für nicht vollzogene Abschiebungen: ein "unbekannter Aufenthalt". In etwa 55 Prozent der Abbrüche in Bayern konnte die Polizei den Ausreisepflichtigen nicht antreffen. In 35 Prozent der Fälle waren "tatsächliche" Gründe ausschlaggebend: Dazu zählt beispielsweise ein fehlendes Reisedokument, eine fehlende Landeerlaubnis oder wenn die Person, die abgeschoben werden soll, sich so stark wehrt, dass die Aktion abgebrochen werden muss.

Rechtliche Gründe wie kurzfristige Gerichtsentscheide spielen mit etwa sieben Prozent eine untergeordnete Rolle. Noch seltener verhindern medizinische Gründe eine Abschiebung, also zum Beispiel, wenn der Ausreisepflichtige erkrankt (zwei Prozent).

Bundesweit werden mehr als 60 Prozent aller Maßnahmen abgebrochen

Rund 56 Prozent nicht vollzogene Abschiebeversuche zwischen Anfang 2023 und Mitte dieses Jahres – wo liegt Bayern damit im Vergleich zum Rest der Bundesrepublik? Höhere Abbruch-Quoten gab es beispielsweise in Baden-Württemberg (63 Prozent) und Niedersachsen (60 Prozent). In Nordrhein-Westfalen lag die Quote laut Fluchtministerium hingegen mit 52 Prozent etwas niedriger. Das ergaben BR24-Anfragen in den jeweils zuständigen Landesbehörden.

Laut Bundesinnenministerium konnten deutschlandweit im ersten Halbjahr 2024 rund 61 Prozent aller geplanten Abschiebungen nicht durchgeführt werden.

Länder fordern "erleichterte Haftbedingungen" und Migrationsabkommen

Auch die anderen Bundesländer nennen als Hauptgrund für abgebrochene Abschiebeversuche, dass Ausreisepflichtige nicht auffindbar gewesen seien. Um ein "Untertauchen" kurz vor der Abschiebung zu verhindern, wären "erleichterte Haftbedingungen auch in Dublin-Fällen zweckdienlich – hierzu müsste jedoch das EU-Recht geändert werden", so das Bayerische Landesamt für Asyl. Es habe bereits Erleichterungen gegeben, schreibt das Bundesinnenministerium und verweist auf die Anfang des Jahres verlängerte Höchstdauer der Abschiebehaft von zehn auf 28 Tage.

Laut NRW und Niedersachsen ist ein weiteres Hindernis, dass Herkunftsländer in vielen Fällen nicht kooperieren und ihre Staatsangehörigen nicht zurücknehmen. "Die Bundesregierung muss daher dafür Sorge tragen, mit relevanten Zielstaaten stabile und praxiswirksame Migrationsabkommen zu erreichen", so das Fluchtministerium in NRW.

6.400 Personen ausreisepflichtig – mehr als 7.500 reisen freiwillig aus

Laut dem Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen waren Ende Juli rund 26.600 Personen im Freistaat vollziehbar ausreisepflichtig, mehr als 20.000 von ihnen besitzen allerdings eine Duldung. Das heißt, ihre Abschiebung ist für einen gewissen Zeitraum ausgesetzt. Sie wurden aufgefordert, das Land zu verlassen, können aber aus rechtlichen und persönlichen Gründen nicht dazu gezwungen werden.

Das bedeutet: Ende Juli waren in Bayern genau 6.452 Personen ohne Duldung vollziehbar ausreisepflichtig. Zur Einordnung: Neben den rund 1.400 abgeschobenen Personen gab es laut dem bayerischen Innenministerium im ersten Halbjahr 2024 mehr als 7.500 freiwillige Ausreisen.

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