Am Nachmittag ist der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky in Nürnberg eingetroffen. Auf dem Nelson Mandela Platz am Südausgang des Nürnberger Hauptbahnhofs hat er bei einer Protestkundgebung den Warnstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) verteidigt. Vor rund 150 Menschen sprach Weselsky am zweiten Tag des rund sechstägigen Warnstreiks rund 45 Minuten lang zu Gewerkschaftlern, die aus ganz Bayern gekommen waren.
"Wir wissen, was wir können. Und die Bahn weiß auch, was wir können. Und da kommen wir nicht aus dem Konflikt, wenn wir nur daran arbeiten, dass der Schwarze Peter hin- und hermarschiert", skizzierte Weselsky im BR-Gespräch die festgefahrene Situation zwischen GDL und der Bahn.
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GDL-Chef trotz allem zuversichtlich
Weselsky stellte aber auch klar, dass der Streik nie das einzige Mittel sei. Normalerweise gehe es in Verhandlungen, so der GDL-Chef. "Wenn ich mit 18 Eisenbahnverkehrsunternehmen bereits Tarifverträge geschlossen habe, und mit dem überwiegenden Teil ohne Streiks in die 35-Stunden-Woche komme, dann muss doch in diesem Land die Öffentlichkeit auch mal munter werden. Unsere Fahrgäste müssen verstehen, dass sich nicht einfach jemand hinstellen kann und sagen kann: 'Nein, das mach’ ich nicht'." Andere Verkehrsunternehmen hätten die Zeichen der Zeit erkannt und mit der GDL ohne Arbeitskampf Tarifverträge abgeschlossen. "Deswegen sind wir auch zuversichtlich, dass wir diese Tarifauseinandersetzung erfolgreich zu Ende bringen", so Weselsky.
Weselsky wirft Deutscher Bahn Blockadehaltung vor
Die Gewerkschaft sieht sich im Tarifkonflikt mit der Bahn als Opfer: In einem Schreiben der GDL heißt es, es liege am Arbeitgeber – also an der Bahn –, wie sehr die Reisenden und Güter-Kunden der Bahn in den kommenden Tagen eingeschränkt werden müssen. Zuletzt unterbreitete die Gewerkschaft dem Bahnkonzern einen Einigungsvorschlag. Die Bahn wies das Angebot aber als untauglich zurück. Ein Konzernsprecher sagte jüngst im BR-Gespräch, die GDL komme dem Konzern in keinem einzigen Punkt entgegen. Er sprach von einer "Wiederholung altbekannter Maximalforderungen, die so nicht umsetzbar sind".
Im Interview mit BR24 betonte Weselsky zudem, dass er unter den gegebenen Umständen zu keiner Schlichtung bereit sei. Er verwies im Gespräch mit BR24 auf – wörtlich – "ureigenste Rechte" der Gewerkschaften, Tarifverträge abzuschließen, was auch eine Schlichtung nicht in Frage stellen könne. Damit betonte Weselsky seine Forderung nach einem GDL-Tarifvertrag für Fahrdienstleiter auf dem Verhandlungstisch. "Wir gehen in eine Verhandlung nur dann, wenn die andere Seite bedingungslos in alle Elemente in Verhandlungen einsteigt", so der GDL-Chef.
Größte Streitpunkte: Geld und Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter
Neben finanziellen Aspekten dreht sich der Tarifstreit vor allem um das Thema Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter. Die GDL schlägt einen stufenweisen Übergang zur 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter in den Jahren zwischen 2025 und 2028 vor.
Gleichzeitig bietet die Gewerkschaft an, dass die Lokführer auch weiterhin 40 Stunden in der Woche auf freiwilliger Basis arbeiten könnten, mit entsprechendem Entgelt. Außerdem will die GDL die Einführung einer Fünf-Tage-Woche mit anschließend 48 Stunden Ruhezeit.
Ramelow gegen gesetzliche Schlichtungspflicht
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) sprach sich indessen gegen eine gesetzliche Schlichtungspflicht vor einem Streik aus: "Dass ein indirekt dem Bund gehörender Betrieb es mithilfe des Deutschen Bundestages (...) schaffen will, eine Gewerkschaft in die Knie zu zwingen, halte ich für Demokratie-prinzipiell sehr problematisch", sagte er im Interview mit Bayern 2 in der Sendung "radioWelt am Abend". Er wandte sich entschieden gegen den Vorschlag, das Streikrecht gesetzlich einzuschränken: "Das ist keine Frage von gesetzlicher Regelung. Wir haben seit über hundert Jahren die Tarifhoheit als Verfassungsrang."
Der frühere Schlichter zwischen Deutscher Bahn und GDL äußerte Verständnis für den aktuellen Streik, in dem die GDL eine Reduktion der Arbeitszeiten verlangt. "Die Frage, ob in Zukunft noch gut ausgebildete und hochmotivierte Lokführer da sind, auch für die Sicherheit aller Passagiere, die hinten in den Zügen drin sind", hält der Ministerpräsident Thüringens auch für eine Frage von Verantwortung. Die Lokführer "wollen eine vernünftige Arbeitszeit haben, die ihnen auch die Möglichkeit gibt, zu regenerieren. Deswegen spielt die Frage der Schichtzeiten und der Schichtzeitbelastung eine entscheidende Rolle für die GDL."
Tarifkonflikt legt Güter- und Personenverkehr seit Dienstag lahm
Die GDL hatte am Dienstagabend mit dem vierten Arbeitskampf in der aktuellen Tarifrunde – die seit Anfang November läuft – begonnen. Dabei wurden erneut weite Teile des Bahnverkehrs in Deutschland lahmgelegt. Seit Dienstag stehen die meisten Züge der Frachtsparte DB Cargo still, seit Mittwochfrüh auch die im Personenverkehr. Bis Montagabend soll der Ausstand voraussichtlich dauern. Damit würde der Warnstreik erstmals im laufenden Tarifkonflikt ein komplettes Wochenende umfassen.
Fahrgäste und die Wirtschaft müssen sich also fast sechs Tage lang auf weitreichende Einschränkungen im Fern-, Regional- und Güterverkehr einstellen.
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