Nach kurzer Sommerpause hat das Landgericht München heute den Wirecard-Prozess fortgesetzt.
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Die ehemalige Wirecard-Konzernzentrale in Aschheim.

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Wirecard: Angeklagter Ex-Chefbuchhalter gibt sich selbstkritisch

Wirecard: Angeklagter Ex-Chefbuchhalter gibt sich selbstkritisch

Nach mehrwöchiger Sommerpause hat das Landgericht München den Wirecard-Prozess fortgesetzt. Erstmals befragte Richter Markus Födisch ausführlich den ehemaligen Chefbuchhalter des Zahlungsdienstleisters. Der zeigte sich dabei auch selbstkritisch.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Welche Fehler sehen Sie bei sich?" Diese Frage stellte Richter Markus Födisch dem Angeklagten Stephan von Erffa zu Beginn des heutigen Prozesstages. Die Antwort des Ex-Wirecard-Chefbuchhalters: Es sei zum Beispiel ein Fehler gewesen, bei Themen und Problemen, die er im Konzern gesehen habe, nachgelassen zu haben. "Da hätte ich härter sein müssen oder für mich selbst die Konsequenz ziehen müssen, dass ich das Unternehmen verlasse", sagte von Erffa.

Er schilderte in diesem Zusammenhang, dass es wiederholt Probleme bei der Erstellung von Quartals- und Jahres-Bilanzen des Wirecard-Konzerns gegeben habe, weil zum Beispiel die Geschäftszahlen der im Ausland sitzenden Wirecard-Drittpartner verzögert gekommen seien. Das lastete von Erffa abermals dem Mit-Angeklagten und ehemaligen Wirecard-Statthalter in Dubai, Oliver Bellenhaus, an. Schon vor der Sommerpause im Juli hatte sich von Erffa entsprechend geäußert, heute wiederholte er diese Vorwürfe. Innerhalb seiner Abteilung habe er deshalb auch transparent dargestellt, dass deswegen teilweise Angaben und Zahlen geschätzt werden mussten.

Richter deutet weiter Zweifel an von Erffas Glaubwürdigkeit an

Mit Blick auf den Verlauf des Prozesses fragte der Vorsitzende Richter von Erffa schließlich, ob er einen Freispruch anstrebe. Die Antwort des Angeklagten: "Ich erwarte, dass man mir dahingehend folgt, dass ich von einem existierenden Drittpartner-Geschäft ausgegangen bin." Dieser Aspekt ist nach wie vor zentral für den Prozess und den Wirecard-Skandal. Der Zahlungsdienstleister war im Juni 2020 kollabiert, weil wesentliche Teile des Wirecard-Geschäfts frei erfunden waren, so die Überzeugung von Staatsanwaltschaft und Insolvenzverwalter.

Unmittelbar vor der Sommerpause hatte Födisch von Erffa unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er dessen Glaubwürdigkeit aufgrund widersprüchlicher Aussagen anzweifelt. Während der Befragung am Montag ließ der Richter mehrfach durchblicken, dass er von dieser Haltung nicht abgewichen ist. "Es ist falsch, was sie sagen", kommentierte Födisch zum Beispiel Ausführungen von Erffas, als es um die Erstellung einer Jahresbilanz und damit verbundener Zulieferungen von Geschäftszahlen eines Konzern-Bereichs ging. Von Erffa konterte, es handele sich bei Födischs Bewertung um "Wortklauberei".

Von Erffa-Befragung wird Mittwoch fortgesetzt

Der Wirecard-Prozess geht am Mittwoch weiter. Dann will die Kammer von Erffa weiter vernehmen. Im Anschluss daran haben auch die Verteidigungs-Teams der weiteren Angeklagten Gelegenheit, dem Ex-Wirecard-Chefbuchhalter Fragen zu stellen. Neben Bellenhaus und von Erffa ist auch Ex-Vorstandschef Markus Braun angeklagt, unter anderem wegen des Vorwurfs des bandenmäßigen Betrugs. Nach jetzigem Stand ist im Anschluss daran die Vernehmung weiterer Zeugen geplant. Auf der Liste stehen unter anderem Vertreter mehrerer Banken, außerdem der Whistleblower Pav Gill. Der Jurist war ab September 2017 etwa ein Jahr lang in Singapur für Wirecard in Asien tätig und sorgte maßgeblich dafür, dass der Skandal um den Zahlungsdienstleister im Juni 2020 schließlich aufflog. Ob das Gericht Gill tatsächlich vernehmen kann, ist allerdings noch nicht sicher. Es gibt noch letzte Termin-Fragen zu klären.

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