Eigentlich hatten die Bahn und die Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer fünf Termine für Verhandlungen bis Weihnachten verabredet. Den letzten für Ende kommender Woche. Doch nachdem die GDL die Gespräche für gescheitert erklärt und eine Urabstimmung gestartet hat, herrscht Funkstille zwischen den Tarifparteien.
Martin Seiler, der Personalvorstand der Bahn, zeigt sich aber offen. Er sei zu jeder Zeit und an jedem Ort verhandlungsbereit. Von Klaus Weselsky, dem Chef der GDL, kommen keine Signale, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Die Gewerkschaft dürfte wohl erst an den Tisch zurückkommen, wenn die Bahn sich vorab bereit erklärt, auch über die beiden Knackpunkte im Konflikt zu reden.
Streit um kürzere Arbeitszeit im Schichtdienst
Es ist ein umfangreiches Paket mit Forderungen, das die GDL der Bahn auf den Verhandlungstisch gelegt hat. Es umfasst insgesamt 35 Punkte. Bei vielen könnte sicher ein Kompromiss gefunden werden. Auch beim Lohn oder einer Prämie zum Inflationsausgleich. Die GDL fordert 555 Euro für jeden, die Bahn bietet elf Prozent.
Über die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten weigert sie sich aber, mit der Gewerkschaft überhaupt zu reden. Die GDL will im Schichtdienst eine 35-, statt der gültigen 38-Stunden-Woche durchsetzen. Berücksichtigt man die Ruhezeiten zwischen den Einsätzen, würde das vielen eine 4-Tage-Woche bringen – und zwar bei vollem Lohnausgleich, fügt die GDL hinzu. Sie hofft dadurch, den Beruf eines Lokführers, einer Zugbegleiterin oder einer Servicekraft wieder attraktiv zu machen.
Auch die Bahn leidet wie viele andere Unternehmen, unter einem gravierenden Personalmangel. Deshalb will sich Personalvorstand Seiler auch nicht auf die kürzeren Arbeitszeiten festlegen lassen. Das würde die Lücke im Dienstplan noch vergrößern. Zudem biete der Konzern schon denen, die es wollen, flexible und auch kürzere Einsätze an – aber eben ohne vollen Lohnausgleich.
Streit um Zuständigkeiten bei den Bahngewerkschaften
Die GdL heißt zwar immer noch "Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer". Doch organisiert die GDL inzwischen alle, die an Bord eines Zuges sind. Und für die verhandelt sie auch. Jetzt will die GDL den Organisationsbereich weiter ausbauen. Sie legt ihre Forderungen auch für Beschäftigte der Infrastruktur vor, also zum Beispiel für die Fahrdienstleiter in den Stellwerken. Legen diese die Arbeit nieder, rollt auf der Schiene kein Zug.
Die Bahn weigert sich aber, die GDL als Verhandlungspartner im Bereich der Infrastruktur anzuerkennen. Dort habe die Gewerkschaft einfach zu wenig Mitglieder, so die DB. Der Personalvorstand verweist auf das Tarifeinheitsgesetz. Demnach gilt dort, wo zwei Gewerkschaften miteinander konkurrieren, der Vertrag der jeweils größeren Gewerkschaft. Bei der Bahn ist das über das Unternehmen hinweg betrachtet die EVG, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Mit der hat die Bahn ebenfalls nach Warnstreiks im Frühsommer einen Tarifvertrag geschlossen. Zurzeit streiten die Bahn und die GDL vor Gerichten darüber, welche Gewerkschaft in einzelnen Betrieben der Bahn die Mehrheit hat.
Kein Streikende bei der Bahn in Sicht
Solange der Streik läuft, dürfte der Gesprächsfaden zwischen GDL und der Bahn weiter unterbrochen sein. Die Urabstimmung über unbefristete Streiks läuft. Am 19. Dezember will die GDL das Ergebnis verkünden. Gewerkschaftschef Weselsky rechnet mit einer Zustimmung von 90 Prozent, wie er dem Bayerischen Rundfunk sagte.
Beide Seiten wissen aber, dass sie sich irgendwann wieder am Verhandlungstisch treffen müssen. Der Bahn gehen mit jeder Aktion der Gewerkschaft Einnahmen verloren – was besonders beim Streik der Gütertochter Cargo schmerzt. Die GDL wiederum zahlt Streikgeld. Das belastet die Kasse der Gewerkschaft. Wie gut die gefüllt ist, verraten Gewerkschaften nur ungern. Und die Mitglieder bekommen den Lohn, den der Arbeitgeber Streikenden streicht, nicht eins zu eins ersetzt. Bei unbefristeten Streiks könnte der Gewerkschaft also ein Mitgliederschwund drohen.
Schlichtung statt Streik nicht immer erfolgreich
In früheren Konflikten zwischen Bahn und GDL mussten Schlichter am Ende ihr Glück versuchen – nicht immer allerdings war ihr Wirken erfolgreich. Momentan gibt es zudem kein Schlichtungsabkommen, dass das Vorgehen regelt und konkret Schlichter benennt. Das ließe sich aber ausverhandeln – doch von Seiten der GDL ist die Bereitschaft dazu zumindest jetzt noch nicht erkennbar.
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