Darum geht’s:
- Die Weltgesundheitsorganisation hat wegen einer neuen Mpox-Variante – früher bekannt als Affenpocken – erneut eine weltweite Notlage ausgerufen. In den sozialen Netzwerken vermuten User deshalb, es sei eine zweite Pandemie geplant.
- Belege gibt es dafür nicht. Stattdessen sammeln Verschwörungsgläubige vermeintliche Auffälligkeiten und angeblich verdächtige Parallelen zur Corona-Pandemie.
- Viele von den Behauptungen kursierten genauso schon vor zwei Jahren, als es – anders als jetzt – auch in Deutschland viele Mpox-Fälle gab.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Mitte August wegen einer neuen Affenpocken-Variante eine "Gesundheitliche Notlage internationaler Reichweite" ausgerufen. Derzeit treten Infektionen hauptsächlich in der Demokratischen Republik Kongo und einigen anderen afrikanischen Ländern auf. Im Oktober 2024 wurde in Köln der erste Fall mit der neuen Variante Klade Ib in Deutschland nachgewiesen. Das Robert Koch-Institut (externer Link) geht aktuell dennoch nicht von einer erhöhten Gefahr für Deutschland aus.
In den sozialen Netzwerken nehmen User die WHO-Warnung trotzdem zum Anlass zu behaupten, es sei eine neue Pandemie "geplant". Dazu erstellen sie Listen mit vermeintlichen Auffälligkeiten und angeblichen Parallelen zur Corona-Pandemie. Wer die vermeintlich bevorstehende "Pandemie" geplant haben oder wie genau das Virus verbreitet worden sein soll, wird dabei meist nicht erklärt. Stattdessen sollen die vielen vermeintlichen Ungereimtheiten offenbar in ihrer Masse den Eindruck erwecken, dass sich das Virus nicht auf natürliche Weise verbreitet. Die vermeintlichen "Belege" lassen sich jedoch meist leicht erklären.
Einige Behauptungen zu Mpox kursierten genauso vor zwei Jahren
Auffällig ist, dass mehrere Behauptungen in genau derselben Form schon 2022 zirkulierten, als sich Mpox erstmals auch in größeren Fallzahlen jenseits von Afrika verbreitete. Die Infektionen haben seither wieder stark abgenommen – es entwickelte sich daraus keine Pandemie. Auch aktuell (letzter Stand: 22.08.2024, externer Link) geht das RKI nicht von einer erhöhten Bedrohung für Deutschland durch die neue Mpox-Variante aus. Die "Plandemie"-Behauptung hält sich trotzdem.
Der #Faktenfuchs hat sich einige der vermeintlichen "Belege", die für diese Behauptung genannt werden, genauer angeschaut.
Behandlung im selben Krankenhaus lässt sich leicht erklären
Schon als sich Mpox 2022 das erste Mal in Deutschland verbreitete, wiesen manche Social-Media-User auf vermeintlich auffällige Parallelen zu Corona hin. Auch jetzt teilt ein User einen Kommentar auf YouTube, in dem es heißt: Der erste deutsche Mpox-Patient werde "gegenwärtig" in derselben Klinik in München Schwabing behandelt wie der erste deutsche Covid19-Patient im Jahr 2020. Zudem sei derselbe Arzt für beide zuständig.
Richtig ist, dass beide Patienten in der München Klinik Schwabing behandelt wurden. Der erste deutsche Mpox-Patient liegt dort aber nicht "gegenwärtig", sondern wurde ab Mai 2022 einige Wochen lang dort isoliert (externer Link).
Bei den ersten Covid-19-Fällen im Jahr 2020 handelte es sich um Mitarbeitende des Unternehmens Webasto, das seinen Sitz in Gauting bei München hat. Der erste Mpox-Fall im Mai 2022 war ein Patient aus Brasilien, der von Portugal über Spanien nach Deutschland eingereist war und dann in München zum Arzt ging, als er erste Symptome bemerkte (externer Link).
Dass beide Fälle schließlich in derselben Klinik landeten, hat einen einfachen Grund – wie wir 2022 schon in diesem #Faktenfuchs erklärt haben: In Deutschland gibt es nur insgesamt sieben Kliniken, die auf hochansteckende Fälle spezialisiert sind (externer Link). Die Klinik in Schwabing ist eine davon. Patienten, die in und um München erkranken, kommen im Regelfall dorthin.
Auch dass in der Berichterstattung bei beiden Fällen häufig derselbe Arzt zu sehen war, ist schnell erklärt: Clemens Wendtner leitete damals die Infektiologie der München Klinik Schwabing und war deswegen Ansprechpartner für die Medien. Auch, wenn die Behandlung der Patienten natürlich immer eine "Teamleistung" sei, wie er schon 2022 betonte.
Planspiele sollen Politiker für Pandemie-Gefahren sensibilisieren
Auch ein zweites "Indiz" für eine "Plandemie" kursiert derzeit wieder in derselben Form wie schon 2022. Verbreitet wird es unter anderem von einer hessischen EU-Parlamentarierin, die in Deutschland der AfD angehört: Schon 2021 sei eine Mpox-Pandemie in einem Planspiel während der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) durchdacht worden.
Wie wir hier bereits erklärt haben, sind solche Planspiele nicht ungewöhnlich. Sie beziehen sich auf tatsächlich existierende Viren, von denen eine reale Gefahr ausgeht, und sollen dazu dienen, Politiker, Gesundheits- und Sicherheitsexperten für die Gefahr zu sensibilisieren und besser auf einen möglichen Ausbruch vorzubereiten.
Das Mpox-Planspiel organisierte die Münchner Sicherheitskonferenz in Zusammenarbeit mit der Nuclear Threat Initiative (NTI), einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Washington. Die NTI veröffentlichte im Mai 2022 ein Statement (externer Link), um den kursierenden Falsch-Behauptungen etwas entgegenzusetzen: Man habe in dem fiktiven Szenario des Planspiels Mpox ausgewählt, weil man sich auf einen Erreger fokussieren wollte, "der andere Eigenschaften hat als SARS-CoV-2". Der Vorteil davon: Die Teilnehmenden müssten sich über andere Herausforderungen Gedanken machen als jene, mit denen sie schon während der Corona-Pandemie konfrontiert waren.
Ein Impfstoffhersteller profitiert von Mpox-Ausbruch
Und noch etwas ist in den Augen vieler Social Media User ein Indiz dafür, dass der derzeitige Mpox-Ausbruch geplant sein muss: Dass einige Impfstoffhersteller in diesem Jahr hohe Gewinne einfahren.
Im Netz verbreitet sich etwa ein Screenshot vom Kurs der Bavarian Nordic-Aktie. Die bayerisch-dänische Firma hat den Impfstoff Imvanex entwickelt. Er wurde 2013 in Deutschland gegen Pocken zugelassen und erhielt 2022 zusätzlich die Zulassung gegen Mpox. Das Serum wird unter den je nach Land unterschiedlichen Namen Jynneos, Imvamune oder eben Imvanex vertrieben. Bis heute ist es der einzige Impfstoff, der in der EU spezifisch gegen Mpox zugelassen ist. An dem Tag, als die WHO wegen Mpox eine medizinische Notlage ausrief, schnellte der Bavarian Nordic-Kurs um mehr als 40 Prozent nach oben.
Das, so der BR-Wirtschaftsexperte Karsten Böhne, sei in so einer Situation aber nicht ungewöhnlich. Immerhin ist der Bavarian Nordic-Impfstoff gerade heiß begehrt: Die EU hat bei Bavarian Nordic Mitte August eine große Bestellung aufgegeben (externer Link), über 170.000 Impfdosen sollen nach Afrika gespendet werden. Und von der US-Regierung bekommt die Firma über 150 Millionen Dollar (externer Link), um seine Impfstoffproduktion auszuweiten. Kein Wunder also, dass sich auch viele Anleger nun für die Aktie interessieren.
Biontech kündigt Gewinne im Herbst an – wegen Corona-Impfstoffen
Auch die Entwicklungen bei einem anderen Impfstoffhersteller werden in sozialen Netzwerken im Zusammenhang mit einer angeblichen Mpox-"Plandemie" diskutiert: Biontech hatte noch im ersten Quartal 2024 Verluste gemeldet (externer Link) – zugleich aber in der Quartalsmeldung auch schon angekündigt, dass man damit rechne, 90 Prozent des diesjährigen Umsatzes erst im Herbst und Winter einzufahren. Manche User schlussfolgern daraus, dass Biontech schon Anfang des Jahres gewusst habe, dass ein größerer Mpox-Ausbruch bevorsteht.
Die Erklärung ist viel einfacher. Sie findet sich in derselben Quartalsmeldung (externer Link). Darin teilt das Mainzer Unternehmen mit: Der Grund für die erwarteten Gewinne sei unter anderem "die saisonale Varianz in der Verbreitung von SARS-CoV-2, (...) die voraussichtlich zu Nachfragespitzen im Herbst und Winter führen wird". Weil sich Covid-19 im Herbst und Winter leichter verbreitet, werden sich dann auch wieder mehr Menschen gegen die Krankheit impfen lassen – und die Firma macht mehr Gewinn.
Fazit
Wie schon beim letzten größeren Mpox-Ausbruch 2022 verbreitet sich auch jetzt wieder die Behauptung, die Ausrufung der Notlage von internationaler Reichweite durch die WHO belege, dass eine Mpox-Pandemie geplant sei. Dafür werden vermeintliche "Belege" angeführt, die sich bei genauerem Hinsehen leicht erklären lassen: Etwa, dass der erste deutsche Covid-19- und der erste deutsche Mpox-Patient in derselben Münchner Klinik behandelt wurden, im Jahr 2019 und 2022 respektive. Dass es dasselbe Klinikum war, liegt daran, dass beide Patienten im Raum München erkrankten und es in Bayern nur eine Klinik gibt, die auf hochansteckende Fälle spezialisiert ist.
Auch dass es bereits 2021 ein Mpox-Planspiel gab, ist nicht weiter merkwürdig: Solche fiktiven Szenarien werden regelmäßig anhand von real existierenden Viren durchgespielt, von denen eine Gefahr ausgeht.
Und auch, dass die Bavarian Nordic-Aktie kurz nach der WHO-Ankündigung in die Höhe schnellte, ist leicht zu erklären: Da die Firma den einzigen Impfstoff produziert, der in der EU und USA speziell für Mpox zugelassen ist, wurde er mit der WHO-Entscheidung für Anleger interessant.
Disclaimer, 24.10.2024 10.41: Am 18. Oktober 2024 (externer Link) wurde in Köln der erste Fall mit der neuen Variante Klade Ib in Deutschland nachgewiesen. Diese Information haben wir im ersten Absatz aktualisiert. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung waren bisher noch keine Fälle mit der neuen Variante Klade Ib in Deutschland nachgewiesen.
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