Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger (rechts) neben Matthias Berger, Spitzenkandidat der Freien Wähler in Sachsen zur Landtagswahl
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Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger (rechts) neben Matthias Berger, Spitzenkandidat der Freien Wähler in Sachsen zur Landtagswahl

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"Keine Brandmauer" gegen AfD: Sachsen-FW fordern Aiwanger heraus

"Keine Brandmauer" gegen AfD: Sachsen-FW fordern Aiwanger heraus

Eigentlich gilt für die Freien Wähler ein Kooperationsverbot mit der AfD. Doch der sächsische FW-Spitzenkandidat lehnt Brandmauern ab und hält eine Zusammenarbeit für möglich. Parteichef Aiwanger beschwichtigt, nach der Wahl drohen aber Konflikte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der Niederbayer Hubert Aiwanger macht Wahlkampf in Sachsen. Gemeinsam mit dem Spitzenkandidaten Matthias Berger lächelt der Freie-Wähler-Chef bei einem Bauernhofbesuch vor ein paar Tagen ins Handy, schießt vor fressenden Kühen ein Selfie für Social Media. Die Botschaft auf Aiwangers Kanälen: Die Freien Wähler sollen in den sächsischen Landtag. "Konservativ" und "koalitionsfähig" sei die Partei, schreibt Aiwanger auf X und fordert auf Facebook: "Freie Wähler statt Grüne in Landtag und Regierung."

Umfragen sehen die Partei zwischen zwei und vier Prozent. Aiwanger gibt sich überzeugt, dass es am Sonntag für den Einzug in den Landtag reicht. Nötig sind fünf Prozent oder mindestens zwei Direktmandate. "Ich glaube, wir kriegen zwei Direktmandate, plus fünf Prozent plus x", sagte er dem Sachsen Fernsehen.

Sicher ein Direktmandat holen wird nach Aiwangers Überzeugung der Oberbürgermeister von Grimma, Matthias Berger, der die FW in die Wahl führt. "Ein super Spitzenkandidat", schwärmte der Parteichef kürzlich bei Welt TV, "der mutig ist, der die Dinge beim Namen nennt".

Landesverband stellt sich gegen Parteitagsbeschluss

Berger ist jedenfalls mutig genug, sich – wie auch der sächsische FW-Landesverband – über einen Beschluss des Bundesparteitags hinwegzusetzen. Im Februar hatten dort 92 Prozent für ein Kooperationsverbot mit der AfD gestimmt: Es soll keine inhaltlichen Absprachen oder gar Koalitionen geben.

Die sächsischen Freien Wähler stellten sich kurz darauf "gegen das Bauen von politischen Brandmauern". Man wolle Politik im Interesse des Volkes machen. "Dabei darf es keine Rolle spielen, von welcher politischen Partei Anträge im sächsischen Landtag gestellt werden", ließ Landeschef Thomas Weidinger damals wissen. Sollten die FW zu Gesprächen eingeladen werden, "so sind wir höflich genug, eine solche Einladung anzunehmen".

Spitzenkandidat Berger will konservative Regierung

Spitzenkandidat Berger geht noch weiter. Zu seinen zentralen Wahlkampfaussagen zählt: "Wir reden mit jedem! Eine gute Idee ist eine gute Idee, egal von wem sie kommt. Wir kennen keine Brandmauern", schreibt er auf seiner Internetseite. Er betont aber auch: "Eine weitere Regierungsbeteiligung der Grünen lehnen wir ab."

Berger beklagt, dass eine "links-grüne Politik" der CDU eine Brandmauerdebatte aufgezwungen habe, die das konservative Lager spalte. "Wenn Sie mal die Werte der CDU, der AfD und vielleicht der Freien Wähler zusammenrechnen, dann stehen wir gemeinsam bei 70, 80 Prozent", sagt er in einem Youtube-Gespräch. Dennoch bestehe die "Gefahr", dass wegen der Ablehnung der AfD eine Schwarz-rot-rot-grüne Regierung herauskomme. Das sei "diametral" gegen die Wünsche der Menschen.

Der Spitzenkandidat will keine "Sinnlosdiskussionen" über Brandmauern. Da die CDU von sich aus mit der AfD nicht reden werde, seien die Freien Wählern die "einzige Chance" für eine konservativ-bürgerliche Regierung: "Wir werden auf jeden Fall mit allen reden, die zu den bürgerlich-konservativen Werten stehen."

Vorbehalte gegen Grüne, SPD und BSW

Selbst wenn Aiwangers Prognose für die FW eintreffen sollte, würde es für Schwarz-Orange in Sachsen nicht reichen. Neben der CDU (im jüngsten ARD-SachsenTrend bei 31 Prozent) bräuchte es einen dritten Partner. Von einer Koalition mit den Grünen ("arbeiten wir nicht zusammen"), der SPD ("das macht auch keinen Sinn") und dem Bündnis Sahra Wagenknecht ("schlimm populistisch") hält Berger wenig, die Linke bezeichnet er als "tot".

Bliebe nur die AfD. Radio Leipzig zitierte den FW-Spitzenkandidaten mit den Worten, dass normalerweise CDU, AfD und Freie Wähler zusammenarbeiten müssten.

Aiwanger: "Die machen ihr Ding"

FW-Bundeschef Aiwanger betonte dagegen bei Welt TV, die sächsischen Freien Wähler hätten keine Kooperation mit der AfD angekündigt. "Sondern sie haben nur gesagt, die ewige Brandmauer-Debatte hilft uns nicht weiter, wir wollen hier mal die Dinge unideologisch angehen."

Und weiter: "Die machen ihr Ding – und insofern, glaube ich, ist das auch der richtige Weg." Eine Kooperation mit der AfD komme nicht infrage. "Und das wird auch nicht passieren." Eine BR-Anfrage dazu lässt Aiwanger unbeantwortet – genauso wie der sächsische Landesverband.

Generalsekretär droht mit Konsequenzen

Auch FW-Generalsekretär Gregor Voht beschwichtigt im BR-Interview: Die Brandmauer zur AfD werde von den Sachsen "nicht infrage gestellt". Nach den Unstimmigkeiten im Februar habe Aiwanger mit dem Landesverband Gespräche geführt und klargemacht, dass der Beschluss des Bundesparteitags "bindend ist und dass es dazu auch keine zwei Meinungen geben kann".

Er gehe davon aus, dass die Landesvereinigung keine Gespräche mit der AfD führen werde, sagt Voht. "Ansonsten müssten wir ein Parteiordnungsverfahren einleiten, weil dies gegen das beschlossene Kooperationsverbot verstoßen würde."

Spitzenkandidat kein Parteimitglied

Allerdings ist die Konstellation in Sachsen außergewöhnlich. Berger wurde Anfang Februar bei einer Landeswahlversammlung mit 100 Prozent zum FW-Spitzenkandidaten bestimmt, ist aber parteilos. Als der BR nachhakt, räumt Voht ein: "Ein Parteiausschlussverfahren gegen Berger würde ins Leere laufen, weil er kein Parteimitglied ist." Aber er sei Gast auf einer FW-Liste. "Und da erwarte ich, dass man sich an die Regeln des Gastgebers hält."

Die Ansage des Generalsekretärs an den FW-Landesvorstand und mögliche künftige Landtagsabgeordnete ist unmissverständlich: "Parteimitgliedern, die sich nicht ans Kooperationsverbot halten, droht ein Parteiausschlussverfahren." Ein möglicher Erfolg am Sonntag in Sachsen könnte für Hubert Aiwangers Freie Wähler durchaus mit innerparteilichen Konflikten verbunden sein.

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