Viele Menschen in Deutschland sind einsam. Besonders betroffen sind junge Menschen zwischen 19 und 22 Jahren. Das ergab eine kürzlich veröffentlichte Bertelsmann-Studie. Junge Frauen leiden der Studie zufolge häufiger unter Einsamkeit als junge Männer. Auch für Geschiedene, Arbeitslose und Menschen mit niedrigem Schulabschluss ist Einsamkeit oft ein Problem.
Was die Ursachen für Einsamkeit sind, wie Einsamkeit krank macht und was Betroffene und wir als Gesellschaft dagegen tun können, erklären Maike Luhmann, Professorin für Psychologie und Einsamkeits-Forscherin an der Ruhr-Universität Bochum, sowie Matthias Reinhard, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Einsamkeit kann politische Einstellung verändern
Eines vorweg: Nicht jeder, der allein ist, ist auch einsam. Entscheidend für Einsamkeit ist laut Maike Luhmann, Professorin für Psychologie und Einsamkeits-Forscherin an der Ruhr-Universität Bochum, "ein negatives, wirklich schmerzhaftes Gefühl", das dann eintritt, wenn wir gerne mehr Beziehungen, mehr Kontakte hätten, als wir aktuell haben. Und das über viele Monate oder Jahre anhält.
Einsamkeit verändert uns. Wir zögen uns zurück, reagierten negativer auf andere Menschen, sagt Luhmann. Auch könne Einsamkeit unsere politische Einstellung beeinflussen.
"Wir wissen zum Beispiel, dass einsame Menschen etwas mehr dazu neigen, sich politisch extremeren Positionen anzuschließen oder auch, sich einfach politisch weniger zu engagieren." Das seien Gefahren für unsere Demokratie, sagt die Psychologin.
Wie Einsamkeit krank macht - körperlich und seelisch
Einsamkeit kann sich aber nicht nur negativ auf die Demokratie auswirken. Es verursacht auch hohe volkswirtschaftliche Kosten, also Kosten für die ganze Gesellschaft. Vor allem Gesundheitskosten.
Denn zahlreiche psychologische Krankheiten würden mit Einsamkeit in Verbindung gebracht, sagt Luhmann. Zum Beispiel Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen. "Das geht aber auch weiter bei körperlichen Erkrankungen. Einsame Menschen bewegen sich zum Beispiel auch weniger, schlafen schlechter, ernähren sich schlechter", sagt die Psychologin. Und das führe dann zu einer ganzen Reihe von Folgeerkrankungen. "Das sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch so etwas wie Demenz, Diabetes und sogar eine verfrühte Sterblichkeit wurden mit Einsamkeit in Verbindung gebracht", erklärt Luhmann.
Keine eindeutigen Ursachen für Einsamkeit bei jungen Menschen
Warum sich gerade junge Menschen zwischen 19 und 22 Jahren, wie in der aktuellen Umfrage festgestellt, besonders einsam fühlen, ist für Experten wie Luhmann noch nicht klar. Die Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen habe Jugendliche zwar besonders getroffen, sagt die Psychologin. "Aber auch im Jahr 2024 sehen wir noch, dass mehr Jugendliche einsam sind als vor der Pandemie. Also muss es auch andere Ursachen geben. Ich vermute, dass wir uns noch mal anschauen müssen, welche Rolle eigentlich die sozialen Medien im Alltag spielen."
Die sozialen Medien hält auch ihr Kollege Matthias Reinhard, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, für etwas, das gerade bei jungen Menschen die Einsamkeit fördere. Vordergründig gäben sie einem das Gefühl, man sei durch die Netzwerke nicht allein, aber tatsächlich sitze man dann doch allein vor seinem Bildschirm, ohne ein echtes Gegenüber.
Einsamkeit – was die Gesellschaft dagegen tun kann
Was gegen Einsamkeit hilft? Jeder Einzelne könne versuchen, den sozialen Beziehungen im Leben wieder einen höheren Stellenwert einzuräumen, sich ganz bewusst Zeit nehmen für Familie und Freunde, sagt dazu die Bochumer Psychologin. Laut Luhmann reiche das allein aber nicht aus. "Wir brauchen auch zum Beispiel ehrenamtlich Engagierte, die auf einsame Menschen zugehen und ihnen Angebote machen", sagt sie.
Und auch die Politik sei gefordert. Zum einen die Kommunen und Städte, indem sie mehr Orte schaffen, an denen man sich unbefangen begegnen kann, auch ohne etwas zu zahlen. Diese Orte gebe es insbesondere für Jugendliche zu wenig, bemängelt die Psychologin. Außerdem müsste ein weiteres Ziel sein, mehr Menschen aus Armut und Arbeitslosigkeit zu bringen – auch Faktoren, die laut Luhmann Einsamkeit begünstigen können.
Matthias Reinhard, der zur Einsamkeit an der LMU forscht, hält es für wichtig, "dass wir über Einsamkeit ins Gespräch kommen, dass das nichts Schambehaftetes ist, sondern etwas ist, das viele kennen, worunter viele leiden". Wenn man über Einsamkeit spreche, so der Psychiater, könnte auch eine Verbundenheit entstehen und man könnte so die Einsamkeit gemeinsam überwinden.
Video: Tipps gegen Einsamkeit
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