Fleisch-Alternativen aus pflanzlichen Proteinen gibt es inzwischen in jedem Supermarkt. Und wer sich ab und zu mal einen veganen Burger brutzelt, muss sich auch keine Gedanken über die ausreichende Versorgung mit allen nötigen Nährstoffen machen. Wer aber überwiegend pflanzliche Kost isst, muss eventuell Vitamine und Mineralien in Tablettenform ergänzen, und auch viel mehr essen, um den Körper ausreichend mit Proteinen zu versorgen.
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Vegane Mangelernährung durch Fleisch-Alternativen?
Eine pflanzenbasierte Ernährung in Krankenhäusern oder Altenheimen – davor warnt etwa Hannelore Daniel, Ernährungsphysiologin an der Technischen Universität München, vehement. Denn unser Körper müsse die Proteine aus der Nahrung in ihre Einzelbausteine, die Aminosäuren, zerlegen. Daraus entstünden dann wiederum körpereigene Proteine. "Es gibt eine neue Studie, die zeigt: Im Vergleich zu einem tierischen Protein muss ich bei einem pflanzlichen Substitut im Prinzip doppelt so viel Protein zuführen, um die gleiche Menge körpereigener Proteinsynthese zu bekommen", erklärt Daniel.
Menschen in Altenheimen oder im Krankenhaus haben aber oft wenig Appetit. Sie müssten, um sich ausreichend zu versorgen, mehr pflanzliche Kost essen als sie eigentlich wollen und können, warnt die Ernährungsphysiologin. "Innerhalb weniger Tage bauen sie sonst große Mengen an Körpersubstanz ab", sagt die Ernährungsphysiologin.
"Anti-Nährstoffe" im Pflanzenprotein
Wer jung und fit ist, hat dieses Problem zwar nicht. Aber wer oft zu veganen Alternativen statt zu Fleisch oder Milchprodukten greift, muss vielleicht Vitamine oder Mineralien zusätzlich in Tablettenform einnehmen. Denn diese rein pflanzlichen Produkte können "Anti-Nährstoffe" enthalten. Fachleute sprechen auch von "antinutritiven Substanzen". Manche dieser Substanzen behindern die Verdauung von Proteinen, also die Zerlegung in Aminosäuren, auf die der Körper aber angewiesen ist. Andere binden sich an Vitamine oder Mineralien, sodass der Körper diese wichtigen Mikronährstoffe nicht aufnehmen kann. Die Anti-Nährstoffe stecken zum Beispiel in Hülsenfrüchten wie Erbsen, aus denen Burger-Patties und Ähnliches hergestellt werden.
"Ich will keine Ängste schüren", betont Hannelore Daniel. "Ich will nur sagen: Diese Begleitstoffe sind in tierischen Lebensmitteln eben nicht drin. Aber ab und zu ein pflanzliches Hackfleisch oder ähnliches ist natürlich ernährungsphysiologisch kein problematisches Unterfangen." Nur wer sich überwiegend vegan ernährt, sollte sich Gedanken über die ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen machen. Wie man bei der Herstellung Anti-Nährstoffe abtrennen könnte, ist derzeit ein Thema für die Forschung. Bisher wird vor allem auf den Geschmack der Proteinzutaten und auf ihre Konsistenz geachtet.
Schäume und Gele aus pflanzlichen Proteinen
Ackerbohnen, Sojabohnen, Erbsen, Linsen: Hülsenfrüchte oder Leguminosen sind besonders proteinreich und leisten der Lebensmittelindustrie deshalb gute Dienste. Der Weg, bis daraus Protein-Konzentrate entstehen, oder hoch aufgereinigte Protein-Isolate, ist jedoch weit: Schälen, zerkleinern, Fasern und vielleicht auch Öle abtrennen, bis zum Schluss das reine Protein-Isolat in Form von Pulver vorliegt.
"Entscheidend sind die sogenannten technofunktionellen Eigenschaften", erklärt die Lebensmitteltechnologin Ute Weisz, Leiterin des Lehrstuhls "Plant Proteins and Nutrition" an der Technischen Universität München. "Wenn Sie eine Barista-Milch herstellen wollen, sollte der Cappuccino den Schaum möglichst beibehalten, bis er am Tisch ist", sagt Weisz. "Ist ein pflanzliches Protein in der Lage, Schäume zu bilden, die dann vielleicht auch noch stabil sind? Oder ist ein Protein in der Lage, ein Gel zu bilden?"
Das könne sogar in der eigenen Küche nachvollzogen werden: "Wenn wir Zitronensaft in die Milch kippen, flocken die Milchproteine aus, und wenn wir den Leguminosen-Extrakt ins Saure bringen, flocken die Proteine eben auch aus, das wird dann klassischerweise als Protein-Isolat verkauft", so Weisz.
Nach so vielen technischen Schritten könnte man vegane Lebensmittel als "hoch verarbeitet" bezeichnen. Sollte man sie deshalb aus gesundheitlichen Gründen meiden? Weisz widerspricht vehement: "Es gibt bislang in der Wissenschaft keinen Nachweis darüber, dass stark verarbeitete Lebensmittel die Gesundheit der Konsumenten beeinträchtigen. Zumal es sehr schwierig ist, diesen Verarbeitungsgrad klar zu definieren und Lebensmittel danach einzuordnen."
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