Politikberatung durch künstliche Intelligenz, der Gedanke ist ungewohnt, aber nicht abwegig. Sind doch lernende Maschinen in der Lage, Unmengen an Daten zu verarbeiten und daraus Lösungswege zu entwickeln. In der Krise hat die Idee Charme. Und die Technik gibt es auch.
Seit ein paar Wochen ist der Chatbot mit dem sperrigen Namen chatGPT im Netz verfügbar. Das Dialogsystem ist eine künstliche Intelligenz und kann selbständig wissenschaftliche, lyrische, journalistische Texte generieren. Die lernfähige Maschine kupfert also nicht einfach aus dem Internet ab, sondern formuliert Antworten auf Basis der Informationen, auf die sie trainiert ist.
BR-Fachjournalisten haben getestet, was die künstliche Intelligenz auf wichtigen Politikfeldern draufhat und ob die Fakten stimmen, die das System liefert.
Wo die künstliche Intelligenz an Grenzen stößt
Eines gleich vorweg: Den Blick in die Glaskugel verweigert der Chatbot. Fragt man nach einer politischen Prognose für das Jahr 2023, fällt die Antwort enttäuschend aus.
"Ich bin ein Sprachmodell und habe keine Fähigkeiten, Prognosen über politische Ereignisse im Jahr 2023 zu erstellen, da mein Wissensstand das Jahr 2021 beinhaltet." Chatbot GPT
Der Chatbot ist also auf dem Stand von 2021, das heißt: Die Maschine hat weder den russischen Überfall auf die Ukraine, noch die folgende Energiekrise und die wirtschaftlichen Verwerfungen gelernt. Das schränkt den Nutzwert gewaltig ein, auch wenn das System beteuert: "Ich kann Ihnen jedoch allgemeine Informationen über politische Themen bereitstellen, die Sie interessieren könnten."
- Zum Artikel "Faszinierende Dialoge: Welche Technik steckt hinter GPT-Chat?"
Veraltete Informationen
Wir interessieren uns für eine good news vom Anfang des Jahres: Nie hatten so viele Menschen in Deutschland einen Arbeitsplatz wie heute, meldet das Statistische Bundesamt am 2. Januar 2023. Der Chatbot findet das gut, warnt aber, das könnte zu einem Wohnraummangel führen.
"Den haben wir doch längst", sagt Wirtschaftsjournalist Tobias Brunner dazu. Hat die künstliche Intelligenz offenbar nicht mitgekriegt.
Politiker-Rhetorik in Reinform
Faszinierend ist: Die Antworten des Dialogsystems kommen in Sekundenschnelle und der Chatbot klingt dabei oft verblüffend wie ein Polit-Profi. "Der Wohlstand in Deutschland ist nicht unmittelbar bedroht, allerdings gibt es eine Reihe von Herausforderungen", ist so eine eher lauwarme Antwort des Chatbots auf die Frage, wie gut es Deutschland geht.
Bei der Frage nach Gefahren für die Demokratie wird die künstliche Intelligenz dann fast pastoral: "Es ist wichtig, dass Bürger und Regierungen in allen Ländern aktiv daran arbeiten, die Integrität von Demokratien zu schützen und zu stärken."
Der Politikredakteur und langjährige Auslandskorrespondent Clemens Verenkotte muss über den Satz lachen. "Das hätte Bundespräsident Steinmeier nicht besser sagen können", scherzt er.
Gregor Schmalzried, der als Fachjournalist über Technik-Trends berichtet, sieht im "Politikersprech" der Maschine ein Manko - solche Sätze wolle keiner hören, ist seine Kritik.
Kluge Antwort beim Thema Klimaschutz
Doch nicht alles, was der Chatbot ausspuckt, ist banal. Beim Thema Klimaschutz lässt er sich nicht aufs Glatteis führen von der Frage, ob intelligente Technik allein das Problem lösen könnte. Technischer Fortschritt könne eine Rolle spielen, antwortet der Chatbot, schränkt aber ein: "Zudem müssen sich auch die Verhaltensweisen der Menschen ändern, um den Klimawandel zu bekämpfen", erklärt die künstliche Intelligenz.
Eine Antwort, die bei Wissenschaftsredakteurin Miriam Stumpfe auf Zustimmung stößt. Ohne Verzicht und Sparen könne das Klima nicht gerettet werden, sagt sie.
Kann der Chatbot Politikberatung?
Beim Thema Politik referiert der Chatbot korrekt über Autokraten und Despoten, beschreibt wie sie ihre Macht missbrauchen, Gesetze aushebeln und demokratische Prinzipien zerstören.
Fragt man ihn nach gefährdeten Demokratien in der Welt, listet er eine ganze Reihe von Staaten wie Türkei, Venezuela, die Philippinen und Ungarn auf - und er liefert auch die Begründungen dazu: Menschenrechtsverletzungen, Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit, rechtspopulistische Tendenzen.
Handlungsanweisungen aber sind von ihm nicht zu erwarten. Der Chatbot ist ein Vertreter des gepflegten "ja, aber". Der Fachkräftemangel könne den Wohlstand gefährden, aber zu viele Beschäftigte in Deutschland wiederum könnten den Wohnungsmarkt stark belasten, warnt die künstliche Intelligenz. Für die Politikberatung dürfte er damit eher untauglich sein.
Als Ideengeber sei der Chatbot hilfreich, urteilt Technikjournalist Gregor Schmalzried. Für verwertbare wissenschaftliche oder journalistische Texte aber reiche es nicht.
Auch schlaue Maschinen sind fehlbar
Und dann ist da noch das Problem mit den Fakten. Mit denen nimmt es die künstliche Intelligenz nicht immer genau. Das muss Nutzerinnen und Nutzern erst einmal auffallen, denn Quellen nennt der Chatbot GPT grundsätzlich keine. Außer seinem Hersteller OpenAI gibt es auch keine Kontrollinstanzen.
Wir haben ihn gefragt, wie er die Klimapolitik der Bundesregierung einschätzt, die ja seit Ende 2021 im Amt ist – ein Jahr, auf das der Chatbot trainiert ist. Die Antwort fällt ernüchternd aus:
"Es ist schwierig, eine allgemeingültige Aussage darüber zu treffen, ob die deutsche Ampelregierung (eine Regierung, die aus den Parteien CDU, Grüne und SPD besteht) ihre Klimavorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt hat, da es darauf ankommt, welche spezifischen Vorhaben Sie im Einzelnen meinen." Chatbot GPT
Die künstliche Intelligenz befördert die CDU in die Ampelkoalition – ein Doppelfehler.
Ist chat.GPT doch nicht so schlau? Gregor Schmalzried, BR-Technikjournalist, empfiehlt, sich mehrere Antworten geben zu lassen, das gehe einfach per Mausklick. Ob die Fakten stimmen und wofür sie verwendet werden, müsse jeder Nutzer, jede Nutzerin selbst prüfen und verantwortungsvoll mit der künstlichen Intelligenz umgehen.
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