Von den Tibetantilopen und den Gnus der Serengeti über die Steppenzebras und die Guanakos in Patagonien bis hin zu den Saigas der zentralasiatischen Steppe – all diese Huftiere legen in periodischen Abständen große Entfernungen zurück. Ein internationales Team von mehr als 80 Forschenden hat nun einen Online-Atlas (externer Link) veröffentlicht, der detaillierte Karten zu den Wanderrouten verschiedener Huftierarten bietet. Der Atlas, der im Rahmen der Globalen Initiative für Huftierwanderungen (GIUM) erstellt wurde, basiert auf Tracking-Daten und kartiert die Wanderungen von 20 Tierpopulationen weltweit.
Neuer Online-Atlas: Nicht nur wichtig für die Wissenschaft
Das Tool liefert nicht nur wissenschaftliche Informationen, sondern soll auch zur Planung von Schutzmaßnahmen und zur Verbesserung der Durchlässigkeit von Lebensräumen für wildlebende Tiere beitragen. Ein Beispiel aus Zentralasien verdeutlicht das: Die Region beherbergt das größte intakte und noch zusammenhängende Grasland der Welt, entwickelte sich zuletzt aber durch den Ausbau der Infrastruktur dort stetig weiter.
Der Online-Atlas zeigt laut den Forschenden symptomatisch, wie sich der Bau einer Eisenbahnlinie auf die Bewegungen der Saiga-Antilope auswirkt und wie sie damit einhergehend von wichtigen Winterquartieren abgeschnitten wird. Die Hoffnung der Wissenschaftler: Der Atlas soll dabei helfen, hier Lösungen im Sinne eines Gleichgewichts zwischen Mensch und Tier zu finden.
Nicht nur Huftiere: Vogelzugatlas erfasst Millionen von Vögeln
Aufgrund der Vielzahl an betroffenen Tierarten ist der neue Online-Atlas für Huftierwanderungen auch nur ein Projekt von vielen. Bereits 2022 wurde beispielsweise ein Vogelzugatlas (externer Link) vorgestellt, der die Bewegungen von Millionen von Vögeln entlang der eurasisch-afrikanischen Zugroute online erfasst. Das Tool basiert auf Vogelberingungsdaten und den Informationen der "Movebank" für 300 verschiedene Arten.
CMS-Bericht: Wandernde Tierarten weltweit im Rückgang
Wandernde Tierarten spielen eine entscheidende Rolle im Ökosystem, etwa durch Nährstofftransport oder Kohlenstoffspeicherung. Laut einem CMS-Bericht (Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten) aus dem Frühjahr 2024 sind viele dieser Arten jedoch zunehmend bedroht. Hauptursachen seien Lebensraumverlust durch menschliche Aktivitäten sowie der Klimawandel.
Der Bericht zeigt, dass fast die Hälfte der vom CMS gelisteten Arten Rückgänge verzeichnet. Über 20 Prozent seien gar vom Aussterben bedroht, etwa der Balkanluchs oder der Chilepelikan, die neu in den CMS-Bericht aufgenommen wurden. Auch die Bestände wandernder Fischarten, zum Beispiel Haie und Störe, haben laut Bericht seit den 1970er-Jahren um 90 Prozent abgenommen.
Die Bewegungen der Tiere: Nicht nur Tierschutz, sondern auch Frühwarnsystem
Bewegungsdaten von Tieren können aber nicht nur genutzt werden, um die natürlichen Routen der Tiere zu verstehen und diese dann zu schützen. Auch Menschenleben könnten die Daten eines Tages retten – etwa, wenn es um Naturkatastrophen geht. Das zeigt das Forschungsprojekt "Icarus": Biologe Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie testete dies beispielsweise 2016 auf einem Bauernhof in Italien. Hier stattete er unter anderem Kühe mit Sendern aus, die deren Bewegungen aufzeichneten. Er verglich die Daten mit seismischen Aktivitäten in der Region und entdeckte einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Tiere und den Erdbeben in der Region.
Auch wenn hier die Skepsis vonseiten der Wissenschaft immer noch groß ist, eines Tages könnten solche Ansätze als eine Art Frühwarnsystem für Katastrophen fungieren. Das zeigt, wie wichtig es ist, auf tierische Bewegungsmuster zu blicken – für bedrohte Tierarten, aber auch für uns Menschen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!