Der Apparat sieht ein bisschen aus wie eine Autowaschanalage: Auf einem fahrbaren Gestell ist das Röntgengerät oben installiert, darunter steht das E-Auto. Ein feiner Röntgenstrahl, der sich fächerartig ausbreitet, sorgt dafür, dass mittels Software gestochen scharfe Bilder vom Fahrzeuginneren entstehen.
Das Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik in Fürth hat dieses System in Zusammenarbeit mit der Hochschule München entwickelt. Das Einsatzgebiet reicht vom Analysieren der Batterien, aber auch Unfälle könnten damit genauer untersucht werden. Noch ist das Ganze ein Forschungsprojekt. Die Entwickler hoffen darauf, das System bald in Serie weltweit einsetzen zu können.
Zehn Minuten bis zum fertigen Bild
Michael Salamon vom Fraunhofer Geschäftsbereich "Vision" ist euphorisch, wenn er von dem neuentwickelten System spricht. Die Möglichkeiten der Röntgentechnik seien sehr groß, von den Bildern, die der Apparat mit dem Namen "AIR" – abgekürzt für Antriebsbatterieinspektion mittels Röntgen – macht, ist er begeistert.
Normalerweise werden in der abgeschirmten Halle große Computertomographie-Geräte (CTs) getestet, mit denen sich zum Beispiel Flugzeuge oder Bagger durchleuchten lassen. Was im großen Stil funktioniert, muss doch auch im Kleinen funktionieren, dachte sich das Entwicklerteam um Michael Salamon. Gesagt getan, innerhalb eines halben Jahres haben sie das AIR-System gebaut und die Ergebnisse, die nun vorgestellt wurden, können sich sehen lassen. Zehn Minuten braucht das System, um das Auto einmal komplett zu erfassen. Das heißt: Bisher wird lediglich der Teil, in dem die Batterie in den E-Autos verbaut ist, gescannt. An einer vollständigen Erfassung arbeite man aber, versichert Salamon.
Neue Technik als "Game-Changer" bei E-Auto-Begutachtung?
Mit dem Röntgensystem eröffnen sich neue Möglichkeiten, sagt Professor Klaus Böhm von der Hochschule München. Er bildet dort unter anderem Sachverständige im KFZ-Bereich aus und leitet den Studiengang Sachverständigenwesen. Oft sei es schwierig, bei Gutachten genaue Daten zu bekommen, gerade wenn es um Batterien von Fahrzeugen ginge. Normalerweise laufe es so ab, dass man sich auf die Ergebnisse verlassen müsse, die das Diagnosesystem der Fahrzeughersteller liefere. Mit dem neuen Röntgengerät könne nun genau festgestellt werden, ob eine Batteriezelle zum Beispiel beschädigt ist oder nicht.
Klaus Böhm verweist auf den besonderen Fall, wenn die Airbags eines Fahrzeugs ausgelöst worden sind. Dann schreiben die Hersteller in der Regel vor, dass auch die Traktionsbatterie (Akku für den Antrieb) zwingend ausgetauscht werden muss. Mit dem neuen System könne nun überprüft werden, ob eine Batterie tatsächlich schaden genommen hat oder ob sie weiterhin im Fahrzeug verbleiben kann. Dass sei gerade aus Nachhaltigkeitsgründen eine gute Sache. Er sieht in dem System Potenzial für einen "Game-Changer" bei der Begutachtung von E-Autos.
Ermittlung des Restwerts bei E-Autos
Auch wenn es um die Ermittlung des Restwerts von Elektroautos geht, kann das in Fürth entwickelte Röntgengerät helfen. Valide Aussagen, wie viel Wert ein Elektroauto nach einer längeren Nutzung hat, sind derzeit noch schwer zu treffen, sagt Klaus Böhm. Mit Hilfe der neuen Technik und weiteren Diagnoseverfahren lasse sich eine genauere Aussage darüber treffen, wie gut die Batterien in einem E-Auto noch funktionieren.
Die AIR-Technologie sei eine ergänzende Möglichkeit, sagt Michael Salamon. Eine genaue Aussage, ob eine Batterie funktioniert oder nicht allein aufgrund der Bilder des Röntgensystems, sind nicht möglich. Ob das Fahrzeug aber gut behandelt worden ist und die Batteriezellen keinen Schaden genommen haben, dass sei mit dem neuen System gut erkennbar, so Salamon.
Testprobanden mit E-Autos gesucht
Rund 300.000 Euro kostet das Röntgensystem etwa, rechnet Michael Salamon vor. Vorstellbar sei der Einsatz zum Beispiel bei Prüfzentren von Autos. Eine Variante könnte eine abgeschirmte Garage sein, in der das System aufgebaut ist. Insgesamt sei das System einfach und leicht zu bedienen.
Um es weiterhin zu verbessern, sucht das Fraunhofer-Institut noch Freiwillige, die ihre Elektroautos zur Verfügung stellen. Denn jeder Fahrzeugtyp habe seine eigenen Spezifika, auf die man zum Beispiel die Software ausrichten muss. Der Vorgang an sich dauert nicht lange, sagt Klaus Böhm. Nach zehn Minuten ist das Fahrzeug durchleuchtet. Große Sorgen um die Technik des Fahrzeugs müsse sich keiner machen, die Strahlung sei dazu zu gering, um Schaden anzurichten, man habe das in vielen Tests untersucht.
Klaus Böhm, Michael Salamon und das Team des Fraunhofer-Instituts in Fürth hoffen nun auf viele Freiwillige, die ihr Elektroautos vorbeibringen und auch darauf, dass die Technik weiterhin Anklang findet. Der Erfolg, den das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen mit der Entwicklung von MP3-Technik bereits erreicht habe, sei auch mit der Röntgentechnik möglich, ist Salamon überzeugt.
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