Die Konfrontation mit Keimen schützt vor Allergien, zu viel Reinheit kann Allergien hervorrufen. Forscher stellen diese Hygienehypothese in Frage. Im Bild: Ein Mädchen zeigt ihre schmutzigen Hände nach dem Spielen im Erdboden.
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Schmutz ist gut und schützt vor Allergien, hieß es bisher. Eine neue Studie stellt dies nun infrage.

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Schützt Schmutz doch nicht vor Allergien?

Schützt Schmutz doch nicht vor Allergien?

Spielen im Dreck macht Kinder gesünder, weil es ihr Immunsystem trainiert und so auch vor Allergien schützt - das ist seit Jahren gängige Forschungsmeinung. Eine Studie widerlegt nun diese These. Wissenschaftler sehen die Ergebnisse aber kritisch.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Etwas Schmutz ist für Kinder nicht schädlich. Ganz im Gegenteil. Es trainiert ihr Immunsystem und schützt sie so besser vor Krankheiten, insbesondere vor Allergien und Autoimmunerkrankungen wie Asthma oder Heuschnupfen. Ist die Umgebung hingegen allzu rein und wird der Körper nicht beziehungsweise kaum mit Keimen oder anderen Mikroorganismen konfrontiert, entwickeln Kinder eher allergische Erkrankungen. Diese sogenannte Hygienehypothese ist seit 1989 gängige Forschungsmeinung. Unter anderem mit ihr erklären sich Wissenschaftler, warum seit Jahrzehnten immer mehr Kinder an Allergien erkranken.

Eine neue Studie, an der auch Forscher aus Deutschland beteiligt waren, stellt diese Hygienehypothese nun infrage. Demnach sei zu viel Hygiene doch kein Auslöser für Allergien. So jedenfalls lässt sich das Ergebnis der Arbeit, die jetzt im Fachmagazin "Science" veröffentlicht wurde, interpretieren. Doch andere Forscher, darunter Erika von Mutius, Direktorin des Instituts für Asthma- und Allergieprävention am Helmholtz Zentrum München, sehen die Erkenntnisse kritisch - zumal die Experimente nur an bestimmten Mäusen und nicht an Menschen durchgeführt wurden.

Studie: Hygienehypothese auf dem Prüfstand - mit Mäusen

Das internationale Forschungsteam unter Beteiligung von Stephan P. Rosshart, Leiter der Mikrobiomischen Abteilung des Uniklinikums Erlangen, hat für die Studie untersucht, wie Labormäuse und solche Mäuse, die von Geburt an von einer hohen Anzahl an Mikroorganismen umgeben waren, auf drei verschiedene Allergieauslöser immunologisch reagieren. Das Ergebnis: Die mit zahlreichen Mikroben umgebenen Mäuse, die sogenannten Wildlinge, reagierten bei den Tests sogar allergischer als ihre keimfreien Mäuse-Kollegen. Die Mikroorganismen schützten die Tiere also nicht vor allergischen Reaktionen. Ist die Hygienehypothese damit widerlegt?

Kritik an Studie: "Hat nichts mit Hygienehypothese zu tun"

Erika von Mutius, Direktorin des Instituts für Asthma- und Allergieprävention am Helmholtz Zentrum München, widerspricht. Die Exposition dieser Wildling-Mäuse reflektiere nicht die menschliche Exposition, wie zum Beispiel auf einem Bauernhof, sagt sie in einem Statement zur Studie. Zwar sei aus der Arbeitsmedizin bekannt, "dass eine übermäßige Exposition zu Bioaerosolen, wie zum Beispiel bei Werktätigen in Kompostierungsanlagen oder in der Abfallindustrie, das Risiko von Atemwegserkrankungen und auch Allergien erhöhen kann". Aber dass "ein Zuviel" schädlich sei, "hat allerdings nichts mit der Hygienehypothese zu tun, die besagt, dass ein 'zu wenig' an den richtigen, schützenden mikrobiellen Stimuli ein Risiko für Asthma und Allergien darstellt. Wir wissen zudem, dass nicht alle mikrobiellen Erreger einen Schutz darstellen, sondern nur einige bestimmte", erklärt die Wissenschaftlerin in der Veröffentlichung.

Entwicklung von Allergien ist "multifaktorielles Geschehen"

Auch Eva Untersmayr-Elsenhuber, Leiterin der Forschungsgruppe Gastrointestinale Immunologie an der Medizinische Universität Wien, stellt klar: Bei immunologischen Studien müsse immer klar hervorgehoben werden, dass die Immunantwort bei Mäusen und Menschen unterschiedlich ist. Mausmodelle seien relevant, um Mechanismen zu untersuchen, aber die Bestätigung der generierten Daten müsse immer bei Patienten erfolgen, sagt sie und betont, dass die Entwicklung einer Allergie ohne Frage ein "multifaktorielles Geschehen" sei. "Es spielen noch weitere Faktoren bei der Entstehung von Allergien eine wichtige Rolle, beispielsweise die Barrierefunktionen der Schleimhäute oder die Menge der von Pflanzen gebildeten Allergene – Stichwort Klimawandel und der damit verbundene Stress der Pflanzen“, so die Wissenschaftlerin.

Dass weit mehr Faktoren als die fehlende Konfrontation mit Mikroorganismen für die Entwicklung von Allergien eine Rolle spielen, hatte auch schon das Robert Koch-Institut (RKI) in seiner "Stellungnahme zur Hygienehypothese" aus dem Jahr 2014 aufgeführt.

Studienautor: "Beste Studie, die so durchgeführt worden ist"

Auch Stephan P. Rossart, einer der Autoren der Studie, betont im BR-Interview, "dass das Krankheitsgeschehen wirklich von vielen Faktoren abhängt". Was er und seine Kollegen vom Karolinska Institutet in Stockholm mit der Studie aber "wirklich zeigen konnten, ist, dass Exposition in frühen Jahren zu Mikroorganismen oder zu Infektionserkrankungen nach unseren Daten wahrscheinlich nicht der Hauptfaktor ist, der zur Zunahme von beispielsweise Allergien oder auch Autoimmunerkrankungen führt", erklärt Rossart. Vielmehr spielten auch andere Faktoren, wie das Leben in Innenräumen, körperliche Aktivität, Schadstoffe und chemische Verbindungen in der modernen Welt, "auf die jetzt vielleicht die Wissenschaft in Zukunft auch mehr Fokus legen sollte", für den Anstieg dieser Erkrankungen eine Rolle.

Und den Kritikern entgegnet er: "Das ist unserer Meinung nach sicherlich die beste Studie, die bisher so durchgeführt worden ist - zur Überprüfung in einem Mausmodell." Aber man könne natürlich die Hygienehypothese am Menschen damit nicht widerlegen, ergänzt er. Das sei auch gar nicht ihre Absicht gewesen. Die Fragestellung der Studie lautete eben: "Wie valide ist die Hygienehypothese in Bezug darauf, dass eine Exposition zu Mikroorganismen und Infektionen in jungen Jahren beispielsweise vor Allergien schützt?", sagt Rossart. Natürlich gebe es da auch Kritik, gibt Rossart im BR-Interview zu. Aber wenn sich jeder nur freut und keine Diskussion entstehe, sei die Forschung "vielleicht auch nicht so wichtig und langweilig", erklärt der Wissenschaftler im BR.

Tipps: Was hilft bei Allergien?

Allergien heilen – das versuchen Forschungsgruppen weltweit. Es gibt bislang keine universelle Heilmethode, die für alle Allergien funktioniert. Hier sind einige der wichtigsten Strategien zur Behandlung von Allergien:

  • Allergene vermeiden: Eine Strategie ist die Vermeidung von Allergenen, die die allergischen Reaktionen auslösen. Das kann zum Beispiel bei Nahrungsmittelallergien, Insektengiftallergien und Allergien gegen Haustiere hilfreich sein.
  • Medikamente: Antihistaminika, Kortikosteroide und andere Medikamente können zur Linderung von Allergiesymptomen eingesetzt werden. So gibt es inzwischen zahlreiche Medikamente gegen Heuschnupfen. Aber: Medikamente behandeln nicht die Ursache der Allergie, sondern nur die Symptome.
  • Allergen-spezifische Immuntherapie (ASIT): Bei der ASIT, wie zum Beispiel der Hyposensibilisierung, werden Betroffene schrittweise den Allergenen ausgesetzt. Das Immunsystem soll so desensibilisiert werden.
  • Untersuchung von genetischen Faktoren, die Allergien beeinflussen: Die Hoffnung ist, hier neue, personalisierte Ansätze zur Behandlung von Allergien zu finden.

Aber: Allergien sind sehr unterschiedlich und treffen verschiedene Personen unterschiedlich stark. Auch ist nicht jede Strategie für jede Person oder jedes Allergen geeignet. In vielen Fällen ist das Ziel nicht die Heilung, sondern die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität.

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