Darum geht's:
- In unserer Umwelt finden sich überall winzige Plastikteilchen, genannt Mikroplastik. Sie sind auch in Lebensmitteln und abgefüllten Getränken zu finden.
- Allerdings ist bisher nicht klar, wie viel Mikroplastik wir zu uns nehmen, wie genau es wirkt und ob es gesundheitsschädlich ist.
- Bisher gibt es Vermutungen, aber keine wissenschaftlichen Belege für ein Gesundheitsrisiko bei Menschen. Es muss noch mehr geforscht werden.
Plastik essen oder trinken? Das macht wahrscheinlich niemand freiwillig. Doch in Wahrheit kann man das zumindest auf mikroskopischer Ebene fast nicht vermeiden. Denn winzige Plastikstücke sind mittlerweile so gut wie überall: In der Luft, im Wasser, in den Böden - und in Lebensmitteln oder Getränken, die wir zu uns nehmen.
Die Rede ist von sogenanntem Mikro- oder Nanoplastik. In einer für die deutsche Bevölkerung repräsentativen Umfrage gaben 2023 zwei Drittel der Befragten an, dass sie "sehr besorgt" wegen Mikroplastik seien.
Manche Menschen befürchten, dass es gesundheitsschädlich ist. "Wasser aus Plastikflaschen ist Gift", schreibt zum Beispiel ein User auf der Plattform X. In einem Post auf Instagram fürchtet eine Frau "massive gesundheitliche Folgen", falls man dauerhaft abgefülltes Wasser trinkt. In einem Video auf Youtube werden Tipps gegeben, wie man das Mikroplastik aus dem Wasser angeblich entfernen könne.
Bisher keine Belege für Gesundheitsprobleme
Die Frage, ob Mikro- und Nanoplastik in Flaschenwasser schädlich ist, ist derzeit noch offen. Fakt ist: Bislang gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Mikro- und Nanoplastik (MNP) Krankheiten oder Gesundheitsprobleme beim Menschen verursachen. Allerdings sind wichtige Fragen bisher noch nicht erforscht: Wie viel Plastik nimmt ein Mensch wann auf? Wie viel davon bleibt im Körper? Wie wirkt es?
Solange keine gesundheitlichen Auswirkungen bekannt oder belegt sind, gibt es keine Grundlage für eine Warnung. In Deutschland bewertet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) den Forschungsstand zu Fragen der Lebensmittelsicherheit. Auch das BfR betont, dass die Datenlage bisher noch nicht so gut ist, dass eine "zusammenfassende Bewertung" möglich sei.
Nach jetzigem Wissensstand schätzt das BfR das Gesundheitsrisiko für Menschen allerdings niedrig ein: Die Plastikmenge, die man im Alltag aufnehme, sei zu gering. Bisher gebe es keinen wissenschaftlichen Beleg für ein Gesundheitsrisiko unter Alltagsbedingungen, sagen auch andere Experten, die zu Mikroplastik forschen.
Was ist Mikroplastik?
Mikroplastik sind sehr kleine Plastikteilchen. "Mikro" deswegen, weil sie zwischen fünf Millimeter und einem Mikrometer klein sind. Diesen Bereich hat zum Beispiel die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für Mikroplastik definiert. Ein Mikrometer ist ein Tausendstel eines Millimeters. Alles, was noch kleiner ist, fällt unter Nanoplastik. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist bis zu 100 Mikrometer dick.
Winzig kleine Plastikteilchen werden entweder ganz bewusst hergestellt, etwa für Kosmetikartikel wie ein Peeling-Mittel. Oder sie entstehen durch den Zerfall von größerem Plastik: Beispielsweise wenn eine Plastiktüte verrottet oder ein Autoreifen beim Fahren abgerieben wird.
Gibt es wirklich Mikroplastik in Wasserflaschen?
Die Frage ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht, wo Mikroplastik vorkommt, sondern wo es noch nicht ist. Mikro- und Nanoplastik ist überall und gelangt ständig in unseren Körper, sagen Wissenschaftler im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Im Alltag gibt es etwa Möbel und Küchengeräte aus Plastik oder Kleidungsstücke aus Kunststoff.
Bei der Benutzung dieser Gegenstände entsteht Plastik-Abrieb, sagt der Zoologe und Ökologe Christian Laforsch. Er ist Professor an der Universität Bayreuth und Sprecher des dortigen Sonderforschungsbereichs Mikroplastik. "Wir sind alle tatsächlich Mikro- und wahrscheinlich auch Nanoplastik ausgesetzt", so Laforsch.
Wir atmen Mikroplastik über die Luft ein, es landet über Lebensmittel auf unserem Teller - und es ist auch in abgefüllten Wasserflaschen zu finden, aus denen wir trinken.
Dazu gibt es zwei Studien von deutschen Wissenschaftlerinnen aus den Jahren 2018 und 2020. Beide untersuchten unabhängig voneinander jeweils über 30 verschiedene Arten von abgefülltem Trinkwasser: Einweg-Kunststoffflaschen, Mehrweg-Kunststoffflaschen, Glasflaschen oder Getränkekartons. In allen Verpackungsarten fanden sie im Wasser Mikroplastikpartikel. Zu ähnlichen Studienergebnissen kamen auch Forscher mit Produkten aus Thailand oder den USA und anderen Ländern.
Woher kommt das Plastik in den Wasserflaschen?
Weil Plastik überall ist, kann es prinzipiell auf verschiedensten Wegen in das Wasser in den Flaschen gelangen. Christian Laforsch nimmt während des Video-Interviews mit dem #Faktenfuchs eine Wasserflasche von seinem Tisch und schraubt den Plastikdeckel auf. "Wenn ich die auf- und zumache, dann ist von dem Deckel wieder ein bisschen was drin", sagt der Ökologe. Bei jedem Schrauben entstehe Plastikabrieb vom Deckel.
Das meiste Mikroplastik in Lebensmitteln werde aber wahrscheinlich über Abrieb aus industriellen Herstellungsprozessen eingetragen, sagt Laforsch. Werden die Wasserflaschen gefüllt, bestünden etwa Förderbänder und Abfüllanlagen teilweise aus Plastik.
Der Biochemiker und Toxikologe Holger Sieg forscht beim BfR zum Thema Mikroplastik. Er sagt, in Mehrwegflaschen werde am meisten Plastik gefunden: Weil sich der Kunststoff mit zunehmendem Alter zersetze und die Flaschen mehrmals gewaschen würden.
Wie viel Plastik ist in den Flaschen?
Die Studien aus Deutschland, Thailand und den USA unterscheiden sich allerdings in der Anzahl der gefundenen Plastikteilchen, von fast gar keinen Partikeln bis hin zu über 20.000 pro Liter Trinkwasser. Anfang des Jahres erschien eine viel beachtete Studie von einem Forschungsteam aus den USA, das den Nano-Bereich untersuchte. Dabei fanden sie in Flaschenwasser Hunderttausende Nanopartikel pro Liter.
Umfassende Klarheit zur Plastikbelastung von Wasserflaschen bringen die erwähnten Studien also nicht. Alle Messergebnisse seien "Momentaufnahmen", sagt Holger Sieg vom BfR. Es gebe bisher noch keinen einheitlichen Standard für die beste Messmethode in der Forschung. Was bisher noch fehle, seien Kontrolluntersuchungen: Dabei würde eine bekannte Plastikmenge in Wasser gegeben und dann dieser eingetragene Wert später mit einer Messung "wiedergefunden".
Doch wie viele Plastikpartikel pro Liter sind nun viel oder wenig? Eine schwierige Frage, sagt Christian Laforsch von der Uni Bayreuth. "Das zielt darauf ab: Ist es gefährdend oder ist es nicht gefährdend?" Für viele Menschen sei es zum Beispiel egal, wie viele Pollen in der Luft seien. Für Allergiker seien schon einige Teilchen zu viel.
Es hänge daher von den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Mikroplastikpartikel ab, sagt Laforsch: Größe, Form, Oberflächenladung sowie im Plastik befindliche Chemikalien seien verantwortlich, ob eine schädigende Wirkung hervorgerufen wird oder nicht.
Wie viel Plastik Menschen aufnehmen, weiß man nicht
Allerdings ist bisher nicht sicher, wie viele potenziell schädliches Mikro- und Nanoplastik ein Mensch aufnimmt. Die größeren Mikroplastikpartikel werden wieder aus dem Körper ausgeschieden, sagen beide Experten dem #Faktenfuchs. Nur Teilchen kleiner als 150 Mikrometer dürften hingegen vom Darm in den restlichen Verdauungstrakt übergehen, schreibt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in einer Stellungnahme von 2016. Unter 1,5 Mikrometer könnten sie in Organe eindringen, so die EFSA.
Das mache die Frage "Gefährlich oder nicht?" so kompliziert, sagt Holger Sieg: "Die wichtigsten Partikel sind tatsächlich die kleinsten. Und das sind leider die, die wir bisher noch mit sehr hoher Unsicherheit messen können."
Und egal, ob Mikro oder Nano: Wie viel Plastik ein Mensch durchschnittlich oder insgesamt zu sich nimmt, weiß man schlicht nicht, sagt Sieg. Was man weiß: Mikro- und Nanoplastik gelangt in verschiedene Teile des Körpers. Mittlerweile gab es Studien, in denen Mikroplastikpartikel etwa im Blut, in der Leber oder in der Plazenta nachgewiesen wurden.
Mikroplastik als Gesundheitsrisiko: Vermutungen, keine Nachweise
Grundsätzlich sei der Forschungsstand zur Frage der Gesundheitsschädlichkeit so, erklärt Toxikologe Sieg: Es werde vermutet, dass es gesundheitliche Folgen durch Mikroplastik geben könne, zum Beispiel Stoffwechselstörungen sowie Entzündungen oder Störungen des Immunsystems. Es sei allerdings bisher kein biochemischer Wirkmechanismus bekannt oder belegt, der unter realen Bedingungen in menschlichen Zellen schädliche Prozesse auslösen könne, sagt Sieg.
In einer Studie aus diesem Jahr untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Personen mit Fettablagerungen in Arterien. Bei einem Teil der Probanden fanden die Forscher Mikro- oder Nanoplastik in den Fettablagerungen. Diese Gruppe hatte im knapp dreijährigen Beobachtungszeitraums ein höheres Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Eine Korrelation, keine Kausalität, darauf weist das BfR hin. Das heißt: Es wurde nicht belegt, dass das gefundene Plastik und nicht etwas anderes für die gesundheitlichen Probleme verantwortlich war. Das BfR vermutet, dass das gefundene Plastik über medizinische Behandlungen wie eine Infusion oder Katheter in die Ablagerungen gelangt sein könnte. Dafür sprächen das höhere Alter der Probanden und dass manche Teilchen zu groß für eine Aufnahme über Darm oder Lunge seien.
In einer wissenschaftlichen Zusammenfassung der Studienlage aus dem Jahr 2023, einem sogenannten systematischen Review, schreiben die Forscherinnen und Forscher: "Direkte Beweise für die Auswirkungen von MNPs (Mikro- und Nanoplastik, d. Red.) auf die menschliche Gesundheit gibt es nach wie vor kaum und künftige Forschung in diesem Bereich ist notwendig (...)".
BfR: Vermutete Plastikmenge zu gering für Gesundheitsrisiko
Von einer Substanz wie Plastik könne natürlich grundsätzlich Gefahr ausgehen. Das BfR gehe aber davon aus, sagt Holger Sieg: Die Menschen in Deutschland müssten deutlich mehr Plastik zu sich nehmen als derzeit angenommen, damit es gesundheitsschädlich sei.
Sieg nennt für diese Annahme zwei Gründe. Erstens: Weil die größeren Plastik-Teilchen über 150 Mikrometer wieder ausgeschieden werden, könne man davon ausgehen, dass von der Masse des zu sich genommenen Mikroplastiks das meiste nicht im Menschen verbleibe.
Zweitens: Das BfR hat Tier- und Laborversuche, zum Beispiel mit Darmzellen, durchgeführt. Absterbende Zellen habe man in diesen Versuchen nur beobachtet, wenn es eine sehr hohe Konzentration von Mikroplastik gab, sagt Sieg: "Weit über dem, was jemals zu erwarten ist."
"Fünf Gramm Plastik pro Woche" sind laut Experten falsch gerechnet
Toxikologe Holger Sieg sagt daher: "Da kann man mit dem heutigen Stand des Wissens sagen, dass man sehr hohe Konzentrationen an Partikeln braucht, um einen akuten Effekt erzeugen zu können." Wie bereits erwähnt, weist das BfR aber darauf hin, dass der Forschungsstand noch nicht soweit ist, um eine "zusammenfassende Bewertung" abzugeben. Etwa über Langzeiteffekte bei "chronischer Aufnahme" gebe es noch keine gesicherten Erkenntnisse.
Die oft verbreitete Aussage, dass ein Mensch pro Woche fünf Gramm Plastik verzehre, ist laut Sieg und dem BfR übrigens falsch. Bei dieser Rechnung sei die durchschnittliche Masse eines Plastikpartikels in Lebensmitteln viel zu hoch angesetzt.
Experte: Es gibt viele verschiedene Mikroplastikarten
Es gebe keine gesicherten Belege oder Studien, die einen Zusammenhang zwischen Mikro-/Nanoplastik und Krankheiten zeigten, sagt auch Christian Laforsch. Er weist allerdings auf eine weitere Herausforderung hin: Es gibt nicht das eine Mikro- oder Nanoplastikteilchen, sondern alle Partikel bestehen aus vielen unterschiedlichen Kunststoffsorten, die unterschiedliche Eigenschaften sowie eine unterschiedliche Zusammensetzung der verwendeten Chemikalien aufweisen.
"Daher ist es meines Erachtens schwierig ist zu sagen: Mikro- und Nanoplastik an sich hat keine Auswirkungen. Es könnte auch sein, dass bestimmte Partikel mit bestimmten Chemikalien und bestimmten Oberflächeneigenschaften selbst in geringer Konzentration tatsächlich Auswirkungen haben."
Ich würde weder zu Panik raten, noch Entwarnung geben. - Christian Laforsch, Zoologe und Ökologe, zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mikroplastik.
Fazit
In unserer gesamten Umwelt und in unseren Lebensmitteln wie abgefülltem Wasser kommt Mikro- und Nanoplastik vor, das belegen wissenschaftliche Studien. Diese winzig kleinen Plastikpartikel entstehen etwa, wenn Plastik sich zersetzt oder durch Abrieb von Plastikprodukten.
Menschen atmen diese Plastikteilchen ein oder verschlucken sie. Bisher weiß man nicht, wie viel Plastik genau in den Körper gelangt und dort bleibt. Es gibt Vermutungen, dass die Teilchen gesundheitsschädlich sein könnten. Doch es gibt bislang keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege. Das in Deutschland zuständige Bundesinstitut für Risikobewertung geht aktuell davon aus, dass die von Verbrauchern aufgenommene Menge zu gering ist, um gesundheitliche Schäden anzurichten.
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