Eine Seegraswiese in der Ostsee bewegt sich sanft im Wellengang.
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Seegras (Zostera marina) in der Ostsee: Wissenschaftler untersuchen Klimaschutz-Potential der Unterwasserpflanze

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Seegras in der Ostsee: Natürlicher Klimaretter?

Seegras in der Ostsee: Natürlicher Klimaretter?

Seegras könnte eine Schlüsselrolle im Klimaschutz spielen. Denn die Pflanze bindet 35-mal so viel CO₂ wie Regenwaldbäume. Wissenschaftler versuchen herauszufinden, ob wir uns das Potenzial des Seegrases für den Klimaschutz nutzbar machen können.

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Wie viel Hitze hält Seegras aus? Kann man Seegras-Sorten züchten? Kann man eine Seegraswiese einfach pflanzen wie einen Garten? 2021 begannen die Meeresbiologen Prof. Thorsten Reusch und Philipp Schubert vom GEOMAR (externer Link) Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel mit einem gigantischen Feldversuch. Das Forscherteam analysiert die Pflanzen mit Schleppkameras vom Boot aus, gräbt Jungpflanzen im Meeresboden ein und führt genetische Tests im Labor durch. Ihre Hoffnung: Die Unterwasserpflanze besser verstehen, denn Seegras könnte zu den wirksamsten Waffen im Kampf gegen den Klimawandel gehören. Es spielt jetzt schon für die Stabilisierung des Weltklimas eine herausragende Rolle.

Wie Seegras dem Klima hilft

Seegraswiesen sind essenzielle Lebensräume im Meer. Sie schützen die Küsten, indem sie Wellen ausbremsen und den sandigen Untergrund mit ihren Wurzeln stabilisieren. Die Unterwasserwiesen bieten zahlreichen Meeresbewohnern Schutz und Nahrung. Damit fördern sie die Artenvielfalt im Meer. Zudem filtern sie Krankheitserreger aus dem Wasser und tragen zur Speicherung von Kohlendioxid im Ozean bei. Darin sind sie wahre Meister: Ein Hektar lagert so viel CO₂ ein wie die 35-fache Fläche Regenwald. Der dichte Wurzelteppich bindet das CO₂ dauerhaft im Meeresboden.

"Seegraswiesen sind das Moor im Meer", meint Meeresbiologe Reusch. Moore sind die effektivsten Kohlenstoffspeicher aller Landlebensräume. Wie in Mooren herrschen auch im Wurzelgeflecht der Seegraswiesen sauerstoffarme Bedingungen. Mikroorganismen können unter diesen Bedingungen viel schlechter überleben und den gespeicherten Kohlenstoff nur sehr langsam abbauen.

Seegras gefährdet durch Landwirtschaft und Klimawandel

Seegras wächst rund um den Globus – in kühlen Gewässern wie der Kieler Bucht, aber auch in tropischen Regionen wie in Indonesien oder im Golf von Thailand. Die Pflanze ist extrem anpassungsfähig: Ursprünglich war Seegras eine Landpflanze, hat sich evolutionär aber wieder an das Leben im Meer angepasst.

Im letzten Jahrhundert sind weltweit allerdings mindestens 30 Prozent ihrer Seegraswiesen zerstört worden. "Weltweit sind die Hauptgründe für die Seegraswiesen-Krise die intensive Landwirtschaft in Küstennähe", erklärt Reusch. "Mit der Intensivierung der Landwirtschaft sind die Austräge von Nährstoffen immer größer geworden". Das nährstoffreiche Wasser wiederum ermöglicht massenhaftes Plankton-Wachstum. Das Seegras wird von den Algenteppichen "geradezu erstickt", meint Reusch. Und es gibt noch ein zweites Problem: Mit dem Klimawandel steigen auch die Temperaturen der Meere. Keiner weiß, wie gut Seegras mit der neuen Hitze zurechtkommen wird. Hier setzt die Forschung der GEOMAR-Wissenschaftler an.

Im Video: Endgegner CO2 - Wie bekommen wir den Klimakiller aus der Atmosphäre?

Wissenschaftler vor Industrieanlage. Wie bekommen wir den Klimakiller aus der Atmosphäre?
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Endgegner CO2 - Wie bekommen wir den Klimakiller aus der Atmosphäre?

Stresstest: Seegras im Wellenbad

Bei Temperaturen ab 25 Grad stirbt das Seegras der Ostsee - das zeigen Experimente. Die Frage ist: Kann sich die Pflanze an die Erwärmung des Wassers anpassen? Um das herauszufinden, lässt Reusch Seegras in sogenannten Wellentanks wachsen, die den Seegang simulieren. Die Hälfte der Pflanzen konfrontiert er regelmäßig mit heißen Wasserwellen. Die andere Hälfte lebt mit gleichbleibenden Temperaturen. Die Hoffnung: Das "Hitzetraining" soll die Pflanzen wärmeresistenter machen. Doch nach drei Jahren "Hitzewellen" kommen Reusch und seine Kollegen zu einem enttäuschenden Befund: Das Training war wirkungslos, die Pflanzen haben sich nicht besser an höhere Temperaturen angepasst.

Aber ein überraschender Fund macht den Forschern Hoffnung: In Lagunen, in denen die Wassertemperaturen über dem Durchschnitt liegen, haben Reusch und sein Team bereits Seegräser gefunden, die besser an die Hitze angepasst sind. Die wollen die Forscher nun genetisch untersuchen.

Gärtner der Meere: Seegraswiese selbst gepflanzt

Auch ob man eine Seegraswiese selbst pflanzen kann, haben die Forscher ausprobiert. Das Problem: Seegras wächst auf sandigem Boden und lässt sich nicht einfach aussähen wie Saatgut an Land - die Samen würden einfach davon gespült werden. In der Kieler Bucht haben die Wissenschaftler deshalb in mühevoller Handarbeit zusammen mit ihrem Team aus Tauchern einzelne Pflanzen aus natürlichen Seegraswiesen ausgegraben und an anderen Standorten wieder eingesetzt. 5.600 Quadratmeter neuer Seegraswiesen sind so entstanden. Einen wirklich großen Beitrag zum Klimaschutz kann diese Methode aber nicht leisten, dazu ist das Pflanzverfahren viel zu aufwendig: Um die Pflanze auf diese Weise im großen Stil an der Ostseeküste zu vermehren, müssten eine halbe Million Taucher ein Jahr lang täglich zwölf Stunden arbeiten.

Seegras-Schutz: Alle sollen mithelfen

Die Forscher setzen deshalb auf einen Maßnahmen-Mix: Die bestehenden Seegraswiesen besser schützen und weiterforschen, wie sich neue Flächen anlegen und pflegen lassen. Dafür wollen sie einen Leitfaden (externer Link) erarbeiten, von der Standortsuche bis zur Erfolgskontrolle. Wichtig dabei sei auch, die Menschen in den Küstenregionen und den Tourismus in die Projekte einzubinden. Das alles soll dazu beitragen, so hoffen die GEOMAR-Experten, dass sich das Seegras in der Ostsee – und weltweit – erholen und zum Klimaschutz beitragen kann.

Im Video: Warum nutzen wir nicht mehr Seegraswiesen?

Eine Illustration einer Seegraswiese, mit der Textzeile "Warum nutzen wir eigentlich nicht mehr Seegras?"
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Seegraswiesen gibt es an beinahe allen Küsten der Welt. Wie könnten wir sie besser nutzen?

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