Blonde Frau mit Smartphone hinter Glas; Ständig erreichbar im Job: Das sind laut Wissenschaft die Folgen
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Die Probleme, die mit ständiger Erreichbarkeit im Job einhergehen, sind vielfältig. Das Risiko für einen Burnout steigt.

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Ständig erreichbar im Job? Das sind laut Forschung die Folgen

Ständig erreichbar im Job? Das sind laut Forschung die Folgen

Arbeitnehmer müssen nicht immer erreichbar sein: Das regelt ein neues Gesetz in Australien, über das nun auch in Deutschland diskutiert wird. Wie die Erreichbarkeit im Job hierzulande geregelt ist und welche Folgen sie laut Forschung haben kann.

Postfach schließen, Smartphone weglegen, Benachrichtigungen stumm schalten – in Australien sind Arbeitnehmer nun nicht mehr verpflichtet, in ihrer Freizeit auf Anrufe, SMS oder E-Mails von ihren Vorgesetzten zu reagieren. Mitarbeiter mittlerer und großer Unternehmen dürfen nach Feierabend ihre Mobiltelefone ausschalten. Für Beschäftigte in kleineren Betrieben mit weniger als 15 Mitarbeitern gilt diese Regelung erst ab nächstem Jahr. Ausnahmen bestehen bei arbeitsbedingten Notfällen.

Nicht nur Australien: In Deutschland zieht das Arbeitszeitgesetz klare Grenzen

In Deutschland hängt die Erreichbarkeit von Arbeitnehmern in ihrer Freizeit ganz wesentlich davon ab, was im Arbeits-, Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung festgelegt ist. Wenn dort beispielsweise kurze Anrufe nach Feierabend vorgesehen sind, müssen Beschäftigte diese annehmen. Ohne eine solche Regelung besteht keine Pflicht, auf Nachrichten von Vorgesetzten außerhalb der regulären Arbeitszeiten zu reagieren. Hier schützt also das Arbeitszeitgesetz, sagt Nils Backhaus von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): "Diese Kombination aus der täglichen Arbeitszeit, der Mindestruhezeit und den gesetzlichen Pausenzeiten dekliniert quasi den Arbeitstag arbeitszeitrechtlich durch." Dennoch gebe es hier auch viele Ausnahmeregelungen, zum Beispiel im Bereich der kritischen Infrastrukturen.

Immer erreichbar? Macht krank und weniger produktiv

Vonseiten der Wissenschaft jedenfalls herrschen in Bezug auf das Thema der Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit wenig Zweifel: Stets für den Arbeitgeber erreichbar zu sein, ist für viele eine große Belastung. Zuletzt zeigte das die repräsentative Umfrage "Arbeiten 2023". 61 Prozent der Befragten sagten hier aus, sie würden die Befürchtung hegen, aufgrund von Überlastung krank zu werden. Das stellt einen Anstieg um elf Prozent im Vergleich zu 2018 dar. "Ständige Erreichbarkeit" wurde hier von nahezu jedem Vierten als wesentlicher Stressfaktor identifiziert.

Aber es ist nicht nur der Arbeitnehmer, für den mit dem Thema der Dauererreichbarkeit negative Effekte einhergehen, zum Beispiel in Form eines Burn-outs. Felix Brodbeck, Professor für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der LMU München bestätigt: "Wenn man nicht hinreichend 'detachen' kann, also immer so ein langes Halsband in Bezug auf den Arbeitgeber verspürt, mal eben ein Anruf oder eine E-Mail, dann kann ich mich nicht gut erholen." Vor allem sei man dann auch weniger produktiv in der Arbeitszeit, betont der Psychologe.

Belastungssteuerung: Was Arbeitgeber und -nehmer beachten sollten

Dementsprechend lohnt es sich auch für die Unternehmen, klare Regelungen einzuführen: "Als technische Regelungen wären zum Beispiel das Abschalten des Postfachs nach einer bestimmten Uhrzeit oder auch die automatische Trennung der Verbindung vom Diensthandy denkbar. Aber auch organisatorische Regelungen können hilfreich sein", sagt Nils Backhaus. Dann könne man auch überlegen, was auf der individuellen Ebene zu tun sei: zum Beispiel Strategien fürs bessere Abschalten vermitteln. Felix Brodbeck hebt außerdem hervor, dass man als Arbeitnehmer "von unten" führen müsse. "Wie erziehe ich meine Führungskraft?", sei hier die Frage. Proaktive, klare Absprachen mit den Vorgesetzten stellen sich hier oft als entscheidend heraus.

Derzeit warten in Deutschland sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber auf einen angekündigten Gesetzentwurf zur Arbeitszeitregelung aus Berlin. Allerdings ist zu erwarten, dass auch dieser Entwurf nicht alle offenen Fragen klären wird.

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