Sauber und sicher Energie gewinnen durch Kernfusion: Seit Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler daran, dass diese Vision Wirklichkeit wird. Nun ist Kernforschern in den USA ein entscheidender Schritt gelungen. Erstmals wurde beim Verschmelzen von Atomkernen mehr Energie gewonnen als verbraucht, wie das Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) im US-Bundesstaat Kalifornien am Dienstag mitteilte.
US-Energieministerin Jennifer Granholm sprach von einem Durchbruch, der in die Geschichtsbücher eingehen werde. "Einfach ausgedrückt ist dies eine der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts", sagte die Ministerin.
Sicherer als Atomkraft
Die Kernfusion könnte ihren Unterstützern zufolge auf lange Sicht eine Alternative zur Verbrennung fossiler Brennstoffe und der umstrittenen Kernspaltung werden. Allerdings dürfte bis zur massenhaften Produktion wegen weiterhin großer technischer Hürden noch ein weiter Weg sein.
Sowohl Kernkraft als auch Kernfusion gewinnen Energie aus den Bindungskräften von Atomkernen. Bei der Kernkraft werden jedoch große Atome gespalten, es entsteht unter anderem radioaktiver Abfall und es drohen schwere Unfälle.
Bei der Kernfusion hingegen werden kleine Atomkerne zu größeren verschmolzen, also fusioniert. Diese Technologie gilt als sauber und sicher. Diese Energiegewinnung ähnelt den Vorgängen in Sternen wie der Sonne.
Hohe Hürden für Kernfusion
Allerdings müssen bei der Kernfusion Temperaturen von etlichen Millionen Grad erreicht werden. Das machte die technische Nutzung sehr schwierig - und deshalb gab es bislang auch keinen Reaktor, mit dem mehr Energie gewonnen wurde als zur Aufheizung des Plasmas hineingesteckt worden war.
Die Forschenden in Kalifornien nutzen die weltstärkste Laseranlage, um winzige Mengen von schwerem und überschwerem Wasserstoff (Deuterium und Tritium) in extrem heißes Plasma zu wandeln. Dem Lawrence Livermore National Laboratory zufolge erhitzten bei dem geglückten Experiment 192 Laser die nur wenige Millimeter große Brennstoffkammer auf mehr als drei Millionen Grad. LLNL-Direktorin Kimberly Budil zufolge benötigte die Anlage 300 Megajoule Energie, um zwei Megajoule Laserenergie zu liefern, die drei Megajoule Fusionsausbeute erzeugten.
Der Haken: Bis jetzt muss sehr viel Energie investiert werden
Dass insgesamt erst einmal mehrere Hundert Megajoule an Energie ins System gesteckt werden mussten, ist der Haken an der Erfolgsmeldung. Der Energieertrag habe nur einen Bruchteil des Eintrags betragen, erläutert Tony Roulstone von der Universität Cambridge. Zur Stromgewinnung müsse man aber mindestens das Doppelte der investierten Energiemenge erzeugen.
Hinzu kommt: "Das Lawrence Livermore National Laboratory könnte diese Art Resultat prinzipiell etwa einmal pro Tag erzielen", meint Justin Wark von der Universität Oxford. "Ein Fusionskraftwerk müsste das zehn Mal pro Sekunde tun."
Gleichwohl ist der Physiker optimistisch: "Die grundlegende Wissenschaft ist jetzt ziemlich gut verstanden, und das sollte weitere Investitionen ankurbeln." Und dies wiederum, so Mark Wenman vom Imperial College London, "bringt den Zeitpunkt näher, an dem wir ein Fusionskraftwerk ans Netz anschließen können". Dies würde eine Ära von grüner, sicherer und unerschöpflicher Energiegewinnung einleiten.
"Die Sonne auf die Erde holen"
Auch wenn alle Experten darauf verweisen, dass die kommerzielle Nutzung der Technologie noch immer in weiter Ferne liegt, so überwiegt doch die Begeisterung über den Erfolg der Kernforscher in Kalifornien. Dieser beweise, "dass das lange verfolgte Ziel, der "Heilige Gral" der Kernfusion, tatsächlich erreicht werden kann", erklärte der Physiker Jeremy Chittenden vom Imperial College London.
Auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sprach von einem "historischen Tag für die Energieversorgung der Zukunft". "Erstmals haben Forschende gezeigt, dass man die Sonne tatsächlich auf die Erde holen und mit der Fusion netto Energie erzeugen kann", erklärte die Ministerin. "Das wird die Energieversorgung revolutionieren und unseren Energiemix perspektivisch um eine klimaneutrale, verlässliche und wirtschaftliche Quelle ergänzen."
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