Zweiter Teil des sechsten Berichts des Weltklimarats IPCC: Nicht alle Regionen Europas sind laut Weltklimabericht auf gleiche Art und Weise vom Klimawandel betroffen - doch auch Bayern wird sich anpassen müssen.
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Nicht alle Regionen Europas sind auf gleiche Art und Weise vom Klimawandel betroffen - doch auch Bayern wird sich anpassen müssen.

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Weltklimabericht: Bayern muss sich an den Klimawandel anpassen

Der neue Weltklimabericht macht deutlich: Nicht alle Regionen der Erde sind auf die gleiche Art und Weise durch den Klimawandel gefährdet. Doch auch Europa und Bayern werden sich anpassen müssen. Und: Es gibt Grenzen dieser Anpassungsfähigkeit.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Der zweite Teil des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarates IPCC ist heute erschienen: Er beschäftigt sich mit den Risiken, den Auswirkungen und mit den Anpassungen an die Risiken aufgrund des menschengemachten Klimawandels.

Als "Weltklimabericht" deckt er prinzipiell die ganze Welt ab und teilt dabei die Welt in sieben Regionen auf, von denen eine Europa ist. Für all diese Regionen haben die Forscherinnen und Forscher wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengetragen und jede Region auf sogenannte "Schlüsselrisiken" hin überprüft.

Insgesamt lässt sich zunächst feststellen: "Wir sehen, dass Risiken und Auswirkungen jetzt schon stattfinden und dass zukünftige Auswirkungen und Risiken schneller und stärker zu erwarten sind, als wir das noch im letzten Bericht erwartet haben. Das ist eine wesentliche Erkenntnis", sagt Matthias Garschagen, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist einer der Autoren des IPCC-Berichts.

Auch Bayern ist davon nicht ausgenommen. Das hat bereits der erste Teil dieses sechsten Weltklimaberichts gezeigt, der im August 2021 erschien. Denn der Klimawandel findet eben überall statt, und das gilt auch für seine Auswirkungen.

Auswirkungen und Risiken des Klimawandels stärker als angenommen

"Wir sehen jetzt schon, dass die bisherige Erwärmung von rund 1,1 Grad auch jetzt schon weitreichende Schäden in den Ökosystem verursacht. Wir sehen, dass einige Arten bereits jetzt an die Grenzen ihrer Anpassungsfähigkeit herangetrieben werden", sagt Garschagen. "Und wir haben gerade auch in den letzten Jahren gesehen, dass Extremereignisse wie extreme Dürren, extreme Hochwasser und extreme Stürmer noch intensiver sind und noch zügiger kommen, als wir das in der Vergangenheit angenommen haben."

Natürlich ist Bayern nicht unmittelbar vom steigenden Meeresspiegel bedroht. Aber der Klimawandel in Form von extremen Wetterereignissen wie Starkregen, Hochwasser, Überflutungen oder auch den Dürren der Jahre 2018 bis 2020 hat klargemacht, dass wir uns an die veränderten Bedingungen anpassen müssen.

Der Weltklimabericht listet für Europa vier Kernrisiken

Die Regionen der Welt sind bei fortschreitendem Klimawandel teilweise gleichen, teilweise unterschiedlichen Risiken ausgesetzt. Die globale Durchschnittstemperatur ist schließlich seit dem vorindustriellen Zeitalter um 1,1 Grad Celsius gestiegen und das Klimaziel von 1,5 Grad Celsius ist ebenfalls für die ganze Welt gültig. Gerade für Europa gilt aber: Hier ist die Temperatur etwas stärker angestiegen als die globale Durchschnittstemperatur.

Jenseits dieser gestiegenen Durchschnittstemperatur haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IPCC-Berichts vier Kernrisiken ausgemacht. "Die Risiken gelten vor allem in Bezug auf verschiedene Klimaprojektionen", sagt Tabea Lissner, Wissenschaftlerin am Institut Climate Analytics und Mit-Autorin am IPCC-Bericht für das Kapitel "Wasser". "Sie beschreiben die Risiken, denen wir ausgesetzt sind, wenn wir es nicht schaffen, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen."

Zu viel, zu wenig: In Zukunft wird es in Europa stärker um das Wasser gehen

Einerseits wären da die Übersterblichkeit und Anfälligkeit von Menschen und Ökosystemen aufgrund von Hitze. Das zweite Kernrisiko besteht darin, dass Hitze und Dürre Folgen für die Landwirtschaft haben: So könnte vor allem Südeuropa Verluste seiner landwirtschaftlichen Produktion erleiden, die durch Gewinne im Norden Europas nicht wettgemacht werden können.

Das dritte Kernrisiko ist Wasserknappheit: "Wenn wir von einer Erderwärmung von drei Grad Celsius ausgehen, ist für Südeuropa eine Anpassungsgrenze erreicht", sagt Lissner. Konkret heißt das: Die Trockenheit wird dann so groß, dass eine bewässerte Landwirtschaft dann in einigen Regionen Südeuropas nicht mehr möglich sein wird.

Schließlich hat das vierte Kernrisiko auch mit Wasser zu tun - aber nicht mit zu wenig, sondern mit zu viel: Mit steigender Erderwärmung steigt einerseits der Meeresspiegel, andererseits werden auch die Schäden aufgrund von Regenfällen und Überflutungen von Flüssen zunehmen.

Neben der Reduktion von CO2-Emissionen müssen wir uns an den Klimawandel anpassen

Eine Maßnahme, um Schlimmeres zu verhindern, muss darin bestehen, CO2-Emission zu senken und so zu versuchen, die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Andererseits aber ist der Klimawandel bereits da, und an ihn muss man sich anpassen.

Für Wasser ist eines wichtig: "Mehr Platz für Wasser", sagt Lissner. Das könnten beispielsweise renaturierte Flüsse und Bäche sein, natürliche Flutflächen oder eine Wiederaufforstung an geeigneten Stellen. Schadensrisiken durch Hochwasser können dadurch gemindert werden, wenn man nicht gar auf eine "transformative Anpassung" zusteuern möchte - die im schlimmsten Fall bedeuten könnte, dass man besonders gefährdete Gebiete für die Besiedelung aufgeben muss.

Deshalb liegt im Weltklimareport der Fokus vor allem auf natur- und ökosystembasierten Lösungen: auf der Renaturierung von Gewässern, auf der Begrünung unserer Städte. So können diese Lösungen selbst Ökosysteme schützen und zum Klimaschutz beitragen. Auch deshalb steht im Weltklimabericht, dass mindestens dreißig Prozent der weltweiten Flächen unter Schutz gestellt werden sollten: Es brauche robuste Tier- und Pflanzenarten und Ökosysteme, um den Klimawandel abzupuffern, heißt es.

Warum es beim Klimawandel auch um soziale Gerechtigkeit geht

Ehrlicherweise muss man auch sagen: Gerade in Europa besteht eine gewisse Anpassungskapazität an den Klimawandel. Europa an sich ist eine große Region mit einem hohen Entwicklungsstandard.

Denn bei den Klimarisiken kommt es nicht nur auf die sogenannte "Exposition" an - also auf die Tatsache, dass man gewissen Risiken und Gefahren aufgrund des Klimawandels ausgesetzt ist, sondern auch, wie anfällig man dafür ist. Plakativ gesagt: Einige Städte in den Niederlanden mögen genauso niedrig über dem Meeresspiegel liegen wie Bangladesch. Die Bevölkerung in Bangladesch kann sich trotzdem weniger an den Klimawandel anpassen.

"Was sicherlich eine wichtige Maßnahme ist, sind gut gemachte stabile soziale Sicherungssysteme, die helfen, wenn Katastrophen wie Hochwasser oder ein Sturm eintreten. Soziale Sicherungssysteme helfen, dass Kleinbauern nicht bankrott gehen und schnell wieder auf die Beine kommen. Derartige Sicherungssysteme sind genauso hilfreich, wenn der Sturm nicht eintritt, weil sie eine Grundabsicherung bieten - auch gegen andere Risiken wie eine Pandemie. Da gibt’s gar nichts zu überlegen, das kann gemacht werden. Da gibt es später nichts zu bereuen", sagt Garschagen.

Nun kommt es also auf uns und unsere politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger an. Denn: Der Weltklimarat IPCC kann den Wissenstand zum Klimawandel nur zusammentragen. Seine Berichte können aufzeigen, was passieren wird, wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Der vorliegende Bericht kann "klimaresiliente Entwicklungswege" aufzeigen. Aber selbst diese Wege einschlagen und selbst handeln - das kann er nicht. Viel Zeit bleibt nicht mehr: "Die Zeit der Lippenbekenntnisse und der Planungen ist vorbei. Wir müssen sehr effektiv in die Maßnahmen einsteigen und dieses Fenster, das zu tun, schließt sich rasend schnell. Die Zeit ist begrenzt, das zu tun", sagt Garschagen.

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