Seit Putin am Gashahn dreht, ist klar: Gaskraftwerke sollen auch in Bayern möglichst nicht mehr betrieben werden, um Erdgas zu sparen. Folglich sind die Leitungen besonders wichtig, die Wind- und Kohlestrom aus Norddeutschland bringen. Doch der Stromnetzausbau hinkt den ursprünglichen Plänen um Jahre hinterher.
Knapp ein Dutzend Stromleitungs-Projekte in Bayern
Das Bayreuther Unternehmen Tennet ist in Bayern für den Großteil des Strom-Übertragungsnetzes zuständig. Das heißt: für die großen Überland-Stromleitungen, die einen überregionalen Stromaustausch erlauben. Knapp ein Dutzend Projekte zum Stromnetzausbau laufen derzeit in Bayern, unter der Verantwortung von Tennet.
Am prominentesten: die beiden großen Gleichstromtrassen Südostlink und Südlink, die unterirdisch als Erdkabel geführt werden sollen. Sie verbinden den Norden und Osten Deutschlands mit den Kernkraftwerksstandorten Isar bei Landshut und Grafenrheinfeld bei Schweinfurt. Eigentlich war das Ziel einmal, sie bis heuer fertigzustellen. Also, bevor mit Isar 2 das letzte bayerische Kernkraftwerk den Betrieb einstellt. Daraus wird jedoch nichts. Inzwischen heißen die Zieldaten für die Inbetriebnahme bei Südostlink 2027 und bei Südlink 2028 – und auch das nennt Tennet auf BR-Nachfrage „ambitioniert“.
Fast überall dauert es noch Jahre, bis Strom fließt
Bei den übrigen Stromtrassenprojekten handelt es sich um Hochspannungsleitungen, die oberirdisch auf Masten geführt werden. Der Großteil davon entsteht jedoch nicht als völlig neue Trassen, sondern als Ausbau oder Ersatzneubau bestehender Leitungen. Am weitesten fortgeschritten ist darunter der sogenannte Ostbayernring: ein großer Teil des oberfränkischen Abschnitts bei Hof soll noch 2022 in Betrieb gehen, die Fortsetzung bis in die Oberpfalz im Jahr 2025. Die anderen Projekte werden laut Tennet-Plan nach und nach in den darauffolgenden Jahren fertig: der Ersatzneubau vom Kraftwerksstandort Isar zur österreichischen Grenze 2026, die zusätzlichen Seile an der Stromleitung von Grafenrheinfeld nach Baden-Württemberg 2026/27, der Ersatzneubau der Hochspannungsleitung im Norden von München 2029, der Ersatzneubau der „Juraleitung“ aus dem Raum Nürnberg zum Standort Isar 2030/31, und im gleichen Zeitraum auch der Ersatzneubau in Südostbayern rund um das Chemiedreieck.
Nur eine oberirdische Neubautrasse
Am wenigsten weit fortgeschritten ist die einzige in Bayern oberirdisch ganz neu geplante Hochspannungstrasse, von Grafenrheinfeld nach Hessen. Hier steht noch nicht einmal die Trassenführung fest, fertig sein soll sie 2031.
Seehofer arbeitete gegen die Trassen
Die Leitungsprojekte in Bayern seien viel zu spät dran, kritisiert der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann. Die CSU-geführte bayerische Staatsregierung habe zu dieser Situation beigetragen: „Seit 2014 wurden die Stromleitungen massiv bekämpft“, so Hartmann zum BR, „Seehofer damals hat noch gesagt, man braucht keine Stromleitung in Bayern. Auch Markus Söder war nicht bekannt dafür, das voranzubringen.“
Jetzt wünscht sich die CSU eine schnelle Fertigstellung
Inzwischen wünscht sich auch die CSU, dass es schneller gehen möge mit dem Stromnetzausbau. Der Bund solle deren Ausbau beschleunigen, fordert Ministerpräsident Markus Söder jetzt: „Wenn wir totalen Überschuss an regenerativer Energie im Norden haben, die aber nicht über Stromleitungen in den Süden kommt, dann stimmt ja das ganze System in Deutschland nicht mehr.“ Auch die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Landtag, Kerstin Schreyer (CSU), betonte in der Landtagsdebatte nach der Regierungserklärung zur Energiepolitik, es sei „sehr wichtig, Planung und Bau der Stromleitungen zu beschleunigen.“
Netzbetreiber Tennet sieht Verbesserungen
Der Netzbetreiber Tennet konstatiert, die Unterstützung der Genehmigungsbehörden aus Bund und Land sei inzwischen da. Man merke, dass die Planungen schon jetzt zum Teil tatsächlich schneller vorangingen. Auch die Pläne der Bundesregierung, Genehmigungsverfahren zu vereinfachen, seien vielversprechend. Tennet plädiert jedoch dafür, neue Gesetze nicht auf bestehende Planungsverfahren anzuwenden, weil die sonst womöglich von vorne beginnen müssten – was weitere Verzögerungen zur Folge hätte.
Widerstand von Kommunen und Grundeigentümern
Ein bleibendes Problem ist für Tennet jedoch Widerstand aus betroffenen Kommunen und von Grundeigentümern. Den gebe es bei allen Netzprojekten, derzeit ganz besonders bei der Juraleitung in Mittelfranken. Man stelle fest, so eine Unternehmenssprecherin, „dass die bundespolitischen und landespolitischen Ziele auf kommunaler Ebene oft in den Hintergrund treten“. Wenn Grundstückseigentümer Mitarbeitern von Tennet für Vorbereitungsarbeiten den Zutritt verwehren, müsse in jedem Einzelfall von der Genehmigungsbehörde eine Vollmacht ausgestellt werden, was das Verfahren bremse.
Trassengegner halten Leitungen für unnötig
Das Aktionsbündnis der Trassengegner bleibt unterdessen bei seinem Widerstand gegen die Leitungsprojekte im Übertragungsnetz. Statt eines „überdimensionierten“ Ausbaus großer Überland-Stromleitungen solle der Strom stärker dezentral in lokalen Netzwerken erzeugt und verbraucht werden, fordern sie. Dazu sei auch der Ausbau vornehmlich in den Strom-Verteilnetzen vor Ort nötig.
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