Der Indizienprozess um die im Dezember 2022 verschwundene hochschwangere Alexandra R. geht weiter. In akribischer Kleinstarbeit werden zahlreiche Zeugen befragt und Hinweise ausgewertet, um möglichst lückenlos rekonstruieren zu können, was mit der damals 39 Jahre alten Frau geschehen ist.
Am Montagvormittag sagten mehrere Polizeibeamte der Spurensicherung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth aus. Dabei wurden wieder zahlreiche Fotos gezeigt, von mehreren Fahrzeugen, aber auch von verschiedenen Wohnungen und Häusern.
Bankangestellte lebte in Zweizimmerwohnung
So berichtet ein Polizist von Wohnungsdurchsuchungen im Zuhause der Vermissten in Nürnberg-Katzwang: Eine kleine Zweizimmerwohnung, nichts Besonderes. Die Bilder lassen nicht darauf schließen, dass die leitende Bankangestellte Alexandra R. auf großem Fuß gelebt habe. Vielmehr sieht ihr Eigenheim bescheiden, aber gemütlich, aus. Im Wohnzimmer: ein Flachbildfernseher, eine Couch mit Tisch und vor allem viel Kinderspielzeug. Alexandra R. kümmerte sich, so wurde es im Verlauf des Prozesses immer wieder von verschiedenen Zeugen geschildert, rührend um ihre Pflegetochter: das Kind ihres Ex-Mannes und seiner neuen Partnerin, die im selben Haus wie Alexandra R. lebten.
Immobilie in Schwabach liefert Hinweise auf Entführung
Neben der Wohnung in Katzwang legten die Beamten bei ihren Ermittlungen besonderes Augenmerk auf eine Immobilie in Schwabach, die Alexandra R. und ihr Lebensgefährte verkaufen wollten. Am Tag ihres Verschwindens habe ein Besichtigungstermin angestanden. Laut Staatsanwaltschaft haben der Ex-Partner der damals 39-Jährigen, Dejan B., und sein Geschäftspartner Ugur T. die Frau auf dem Weg zu dem Einfamilienhaus verfolgt. Dort sollen sie Alexandra R. überwältigt haben.
Dafür sprechen Indizien wie beispielsweise ein Ohrstecker der Vermissten, den ein Polizist im Haus gefunden hat. Vor Gericht schildert der Beamte der Spurensicherung den Fund: "Ich dachte erst, es wäre ein Reißnagel", sagt er. Bei näherem Hinsehen habe er erkannt, dass es sich um einen Ohrstecker handelte. Er habe daraufhin einen Kollegen angerufen und ihm den Fund beschrieben. "Das sah aus wie der Patronenboden einer 9mm, so wie wir sie verwenden." Der Kollege habe sofort gesagt: "Das ist der Ohrring von Alexandra R." Unweit davon habe zudem ein Stück Klebeband gelegen. Daran wurden sowohl DNA als auch Haare vom mutmaßlichen Mordopfer gefunden sowie wohl auch DNA des Angeklagten Ugur T.
Haare und Ruß gefunden - aus Lagerhalle kam Gestank
Die Angeklagten sollen der Staatsanwaltschaft zufolge ihr Opfer in eine Lagerhalle nach Sindersdorf im Landkreis Roth gebracht haben, die Dejan B. und Ugur T. demnach bereits seit Juni 2022 angemietet hatten. Laut dem Polizeibeamten der Spurensicherung sei dort der alte Laminatboden herausgerissen worden. Wegen Unregelmäßigkeiten im neu gegossenen Beton habe die Polizei den Boden aufgebrochen, allerdings nichts gefunden.
Eine Anwohnerin habe zudem von Gestank und Feuer in der Halle berichtet, dort sei etwas verbrannt worden. Die Beamten fanden Ruß in den Kaminrohren des Gebäudes, genauso wie in einem Industriesauger, den der Angeklagte Dejan B. zuvor auf einem Recyclinghof in Nürnberg entsorgt haben soll. Bei der Untersuchung eines Besens in der Lagerhalle wurden zudem Haare von Alexandra R. gefunden.
Abschiedsbrief unter Druck geschrieben
Außerdem konnte die Polizei im Wagen von Dejan B. Papier sicherstellen, das als Unterlage für eine Art vermeintlichen Abschiedsbrief von Alexandra R. gedient haben soll, der wenige Tage nach ihrem Verschwinden bei der Justiz in Nürnberg einging. In diesem Papierstapel, der in einer Klarsichthülle auf der Rückbank des Landrovers gefunden wurde, fanden sich wieder Haare von Alexandra R. , so eine Beamte der Spurensicherung in ihrer Zeugenaussage.
Untersuchungen zufolge habe Alexandra R. den Brief zwar geschrieben, laut Experten allerdings unter hohem psychischen Druck. Eine weitere Analyse des Textes habe ergeben, dass es äußerst unwahrscheinlich sei, dass Alexandra R. diesen selbst verfasst habe.
Die Indizien sprechen dafür, dass Alexandra R.s mutmaßliche Mörder sie dazu gezwungen haben, einen Brief zu schreiben, ehe sie sich ihrer entledigten, wie es die Staatsanwaltschaft ihnen vorwirft. Die Ermittler gehen davon aus, dass Alexandra R. nicht mehr lebt. Von ihr oder ihrer Leiche fehlt weiterhin jede Spur.
- Zum Artikel: "Mord ohne Leiche: Angeklagte im Fall Alexandra R. schweigen"
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