Im Prozess um einen Mord in München vor 45 Jahren ist heute Mittag das Urteil gefallen: Freispruch für den Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft gefordert. Sie war davon ausgegangen, dass der Mann kurz vor Silvester 1978 einen Münchner Rentner heimtückisch und aus Habgier - um nach dem Mord Wertgegenstände stehlen zu können - die Tat begangen habe. Das Opfer war mit zertrümmertem Schädel in seiner Badewanne gefunden worden.
Es ging im Prozess darum, dem nicht-geständigen Angeklagten ausdrücklich einen Mord nachzuweisen. Jedes andere Tötungsdelikt war bereits verjährt.
Die Verteidiger hatten dagegen Freispruch beantragt. Der Angeklagte war erst nach Jahrzehnten durch einen DNA-Abgleich ins Visier der Ermittler geraten.
Staatskasse muss Angeklagten entschädigen
Der Angeklagte konnte daher das Gericht als freier Mann verlassen. Die Staatskasse wird ihn entschädigen müssen für die Haft in England und die Untersuchungshaft in Deutschland. Trotz der Spuren und Indizien fehlte die letzterforderliche Sicherheit, so der Vorsitzende Richter, um ihn als Mörder des Rentners zu verurteilen. Nach Auffassung des Landgerichts München I spricht zwar "die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeklagte der Täter war", allerdings seien letzte Zweifel geblieben, sagte der Vorsitzende Richter am Mittwoch in der sehr ausführlichen Urteilsbegründung. Nicht mit letzter Sicherheit konnte dem Mann nachgewiesen werden, dass er allein mit dem Opfer in die Wohnung gegangen war.
Mittlerweile verstorbene Zeugin hatte drei Männer gesehen
Eine mittlerweile verstorbene Zeugin hatte vor Silvester 1978 drei Männer im Treppenhaus beobachtet, nicht nur zwei. "Damit konnte sich die Kammer letzten Endes nicht davon überzeugen, dass es zwingend der Angeklagte war, der die Tat begangen hat", so Gerichtssprecher Laurent Lafleur im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.
Drei Mordmerkmale wären in Betracht gekommen: Habgier, eine Tötung, um eine spätere Straftat zu vertuschen, und Heimtücke, bei jedem Merkmal hat die letzte Sicherheit gefehlt. So war zum Beispiel ein kleiner Goldbarren in der Wohnung geblieben und andere Wertsachen. Für eine Verurteilung war es nicht ausreichend, dass DNA und Fingerabdrücke in der Wohnung des Getöteten dem inzwischen 70-jährigen Engländer klar zugeordnet werden konnten. Der Vorsitzende Richter stellte auch klar, dass es dem Angeklagten nicht zum Nachteil angerechnet werden kann, dass er vor Gericht geschwiegen hat.
Verwandte riefen die Polizei
Der Fall hatte seinerzeit als "Silvestermord" großes Aufsehen erregt: Verwandte hatten sich Sorgen gemacht, weil das bekanntermaßen mit Strichern verkehrende Opfer nicht wie verabredet zu einer Messe erschienen war und auch nicht auf Anrufe reagierte. Die Polizei fand den Getöteten daraufhin mit zertrümmertem Schädel tot in seiner Badewanne - auf dem Kopf zwei Plastikschüsseln und ein Eimer. Das Gericht war überzeugt, dass es sich um eine vorsätzliche Tötung handelte, sah aber die Mordmerkmale nicht eindeutig bewiesen.
DNA-Treffer in Großbritannien
Die Polizei sicherte damals in der Wohnung drei Fingerabdrücke, außerdem ein Haar sowie eine Flüssigkeit auf dem Bettlaken. 2005 wurden aus diesen Asservaten dank des Fortschritts der Kriminaltechnik DNA-Spuren extrahiert. Bei einer neuerlichen Öffnung der Akten glich der Münchner Altfallbearbeiter die Fingerabdrücke 2018 europaweit ab. Die Treffermeldung kam allerdings Ende 2021 aus England. Dort wurde der nunmehr Freigesprochene im Frühjahr 2023 widerstandslos festgenommen.
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