Halbe Papaya vor rosa und schwarzem Hintergrund
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Halbe Papaya vor rosa und schwarzem Hintergrund

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Abtreibungen: "Papaya-Workshops" gegen Lücke im Medizinstudium

Der Schwangerschaftsabbruch ist im Medizinstudium kein Pflichtthema. Doch die Versorgungslage ist nicht überall gut. Studierende vermitteln in Workshops einen ersten Eindruck, wie ein Abbruch funktioniert – an Papayas. Was das bringen soll.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Adal hält die Papaya fest umschlossen in ihrer Hand. Noa erklärt, was die Workshop-Teilnehmerinnen gleich an ihren eigenen Papayas ausprobieren sollen: Sie setzt einen Stab – den Hegarstift – an und pikst durch die Haut der Papaya. Mit leichtem Druck schiebt sie den Stab in die Frucht und dehnt das Gewebe mit kreisenden Bewegungen auf. Dann tauscht sie den Stab gegen eine Kanüle aus. Noa nimmt den sogenannten Vakuum-Aspirator, der aussieht wie eine große Spritze mit Klappen und zieht ein Vakuum auf. Dann schließt sie den Aspirator an die Kanüle an und lässt das Vakuum ab. Durch den Unterdruck zieht es die schwarzen Kerne aus der Papaya in die Kanüle. "Wenn das jetzt tatsächlich ein Schwangerschaftsabbruch wäre, dann macht man das ganze fünfmal, und dann sollte man eigentlich alles haben", erklärt sie.

Die Anwesenden haben gespannt zugeschaut. Jetzt probieren sie den manuellen, operativen Schwangerschaftsabbruch an ihren eigenen Papayas aus.

Adal und Noa leiten den sogenannten "Papaya-Workshop", den die "Kritische Medizin Würzburg" und die "Medical Students for Choice Würzburg" gemeinsam ehrenamtlich für 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer pro Semester anbieten. Anhand einer Papaya, die in Größe und Form einer Gebärmutter ähnelt, wollen die beiden Organisationen das bieten, was aktuell im Grundstudium Medizin oft zu kurz kommt: die Sensibilisierung und Aufklärung zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland und einen ersten Eindruck, wie ein Abbruch in der Praxis funktioniert.

Eine komplizierte, ethische Frage

Derzeit ist in Deutschland niemand verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken (§12, SchKG). Das bedeutet einerseits, dass Gynäkologinnen und Gynäkologen keinen Schwangerschaftsabbruch anbieten müssen, wenn sie persönliche moralische oder ethische Bedenken haben. Es bedeutet auch, dass Facharztanwärter der Gynäkologie in ihrer Ausbildung aber auch nicht verpflichtend an einem Eingriff mitgewirkt haben müssen.

Gut ausgebildet sind laut dem Berufsverband der Frauenärzte (BVF) trotzdem alle Gynäkologen, denn die "rechtlichen und medizinischen Grundlagen eines Schwangerschaftsabbruchs werden vollumfänglich unterrichtet", so der BVF auf Anfrage des BR.

Schwangerschaftsabbrüche verpflichtend unterrichten?

Aus Sicht des BVF sollte es auch nicht verpflichtend werden, dass Gynäkologen in der Facharztausbildung an einem Schwangerschaftsabbruch mitwirken müssen. "Die Ärzteschaft ist letztlich ein Spiegel der Gesellschaft, mit ihren unterschiedlichen Einstellungen zum Thema Schwangerschaftsabbruch, die durch ethische, moralische, religiöse und rechtliche Überzeugung geprägt ist", so der BVF. Als Berufsverband sehe sich der BVF in der Pflicht, es allen Frauenärzten zu ermöglichen, individuell "mit der großen ethischen Herausforderung eines Schwangerschaftsabbruchs umgehen zu dürfen."

Eine Ansicht, die Kerstin Schlögl-Flierl, Theologin und Mitglied im deutschen Ethikrat, teilt. "Der Schwangerschaftsabbruch stellt eine Handlung dar, die bei manchen Ärztinnen und Ärzten stark im Gewissenskonflikt steht und auch mit ihrem ärztlichen Ethos nicht zu vereinbaren ist." Auch deswegen sei es so hochkomplex und umstritten, was beim Thema Schwangerschaftsabbruch wann gelehrt wird. Für Schlögl-Flierl steht fest: "Dass die Gewissensfreiheit der Ärzte noch gilt, ist eigentlich schon hochzuhalten."

Für Adal ist dagegen klar: "Es wird ständig ethisch über dieses Thema diskutiert. Und unglaublich viele Leute haben eine ethische Meinung dazu, aber es geht einfach total unter, dass das ein medizinisches Thema ist. Das ist ein medizinischer Eingriff, und das ist eine medizinische Prozedur, die zur Gesundheitsversorgung zählt." Ihrer Meinung nach kommt man bei dem Thema mit reinen ethischen Diskussionen nicht weiter.

Versorgungslage in Bayern – ausreichend oder nicht?

Laut den vorläufigen Ergebnissen der kürzlich veröffentlichten ELSA-Studie zu den Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt schwangerer Personen in Deutschland, variiert die Versorgungslage in Deutschland stark. Eine Tatsache, die auch dem BVF nach eigener Aussage Sorgen bereitet.

In Bayern kommen 31.428 Frauen im reproduktiven Alter (15 bis 49 Jahre) auf eine Meldestelle. Im Vergleich zu Mecklenburg-Vorpommern – da sind es 6.236 – ist das eine sehr hohe Zahl. Auch die Erreichbarkeit lässt im Freistaat zu wünschen übrig. Bayern wird daher – zusammen mit Baden-Württemberg, dem Saarland und Rheinland-Pfalz – von der Studie als ein Bundesland mit einem geringen Versorgungsgrad eingestuft.

Auf Anfrage des BR teilte das bayerische Gesundheitsministerium mit, dass Bayern als Bundesland nur sicherzustellen hat, dass eine Zulassung von Einrichtungen, die einen Schwangerschaftsabbruch anbieten, nicht generell verweigert wird. Aus Sicht des Ministeriums ist in Bayern ein ausreichendes Angebot aktuell vorhanden.

Wie viele Papayas braucht es noch?

Am Ende des Workshops schneiden die Teilnehmerinnen die Papayas der Länge nach auf, um nachzuschauen, wie gut das Absaugen funktioniert hat. Nicht bei jeder Papaya sind alle Kerne entfernt.

Wenn man Noa fragt, ob die "Kritische Medizin Würzburg" und die "Medical Students for Choice Würzburg" auch in Zukunft noch Papaya-Workshops anbieten, dann ist ihre Antwort sehr klar: "Ich hoffe nicht, weil eigentlich wollen wir damit ja nur eine Lücke in der Lehre füllen. Wir arbeiten im Grunde darauf hin, uns selbst abzuschaffen. Aber bis das passiert, wird es wahrscheinlich noch ein paar weitere Papaya-Workshops geben."

In Zukunft wird das vielleicht irgendwann der Fall sein: Lauf der Bundesregierung wird die Approbationsordnung für Ärzte derzeit überarbeitet. Die Lehre zum Schwangerschaftsabbruch soll dann im Medizinstudium voraussichtlich verpflichtend werden.

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