Bei Klaus-Uwe Junker aus Aschaffenburg hat sich Wut angestaut, Wut auf den unterfränkischen AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba. Junker ist Kreisvorsitzender in Aschaffenburg und hat gemeinsam mit anderen AfD-Mitgliedern aus Unterfranken einen Antrag geschrieben: Der Landesparteitag solle Halemba auffordern, sein Landtagsmandat unverzüglich niederzulegen.
Innerhalb von zwei Tagen haben bayernweit 160 weitere AfDler den Antrag unterschrieben. Der Unmut in der Partei ist groß, sagt Junker: "Es geht überhaupt nicht, dass wir einen im Landtag sitzen haben, der mit Lug und Trug ein Mandat erobert hat gegen andere und der sich gegen die Partei gestellt hat, mit diesem Vorgehen."
Mitglieder fordern Halemba zum Mandatsverzicht auf
Gegen Halemba ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung. Ende Oktober wurde der 22-jährige Landtags-Neuling tagelang per Haftbefehl wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr gesucht. Halemba ist Mitglied der Burschenschaft Teutonia Prag, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
In der Partei wird ihm vorgeworfen, auf unlautere Weise und mithilfe anderer Burschenschafter an die Landtagskandidatur gekommen zu sein. Von einem internen Putsch ist die Rede, und von einflussreichen Förderern aus dem radikalen Lager, die Halemba den Aufstieg mit brachialen Mitteln ermöglicht haben, so Junker: "Es wurden Leute bedroht, es wurde ein Parteiausschlussverfahren gegen eine Wettbewerberin gestartet, das durch den Landesvorstand abgesegnet und eröffnet wurde innerhalb von Tagen. Ich hätte mir das eigentlich nicht vorstellen können."
Schwangeres Mitglied wurde bedroht und sanktioniert
Besonders empört sind Junker und die anderen unterfränkischen AfD-Mitglieder darüber, wie das Netzwerk um Halemba mit AfD-Mitgliedern wie Tanja Ehrensberger umgegangen ist. Ehrensberger war Beisitzerin im Kreisvorstand der AfD Bad Kissingen und prangerte damals die dubiosen Vorgänge von Halemba an. Dieser ließ sich schließlich durch eine knappe Mehrheit dank der Stimmen zugezogener Mitglieder zum Kandidaten für den Stimmkreis Rhön-Grabfeld aufstellen. Als Ehrensberger, die damals schwanger war, öffentlich Kritik daran äußerte, wurden ihr vom Landesvorstand die Mitgliedsrechte entzogen. Gegen sie sei unter fadenscheinigen Gründen sogar ein Parteiausschlussverfahren eröffnet worden. Ehrensberger sei regelrecht fertig gemacht worden, schildern mehrere Mitglieder.
Tanja Ehrensberger selbst lässt kein gutes Haar an den "Meldebetrügern", wie sie die Halemba-Unterstützer nennt: "Mich hat an den Vorgängen am meisten schockiert, wie skrupellos, brutal und rechtswidrig gegen mich als schwangere Parteikollegin vorgegangen wurde. Diese Personen gehen über Leichen, um ihren Willen zu bekommen, und der Landesvorstand hat von dem Ganzen auch gewusst, und es zum Teil mit unterstützt."
Ehrensberger fordert nicht nur den Parteiausschuss Halembas, sondern auch Sanktionen gegen seinen Unterstützer-Kreis: "Durch den ganzen Fall Halemba werden Korruption und Seilschaften im bayerischen Landesverband sichtbar: vorneweg die Burschenschaftler, der Flügel und natürlich die Junge Alternative."
AfD-Fraktionsvize Böhm empfahl Halemba Festnahme im Landtag
Unterdessen ist auch bekannt geworden, dass Halemba im Oktober, als er per Haftbefehl von der Polizei gesucht wurde, den Rat erhielt, seine Festnahme publikumswirksam zu nutzen. In einem internen Schreiben an alle bayerischen AfD-Mitglieder nahm der AfD-Landesvorstand am Freitagabend Stellung zu dem Vorfall. In einem Absatz räumte der AfD-Abgeordnete Martin Böhm ein, seinem jungen Kollegen geraten zu haben, sich Mitte Oktober öffentlichkeitswirksam im Landtag festnehmen zu lassen. Es sei darum gegangen, Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) zu delegitimieren.
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek verurteilte Böhms Vorgehen scharf: Landtagspräsidentin Aigner auf so bösartige Art und Weise schädigen zu wollen, sei schäbig und unwürdig. Ein Angriff auf sie sei ein Angriff auf alle demokratischen Parlamentarier. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze schrieb auf X, die AfD wolle die Demokratie zerstören. Der Pressesprecher von Aigner schrieb: Die öffentliche Entgleisung mache deutlich, dass sich die AfD weiter radikalisiere und den Landtag und dessen Präsidentin schädigen wolle.
Unklar, ob Halemba-Antrag zur Abstimmung kommt
Noch ist allerdings gar nicht sicher, ob es der Antrag gegen Halemba überhaupt auf die Tagesordnung des Parteitags schafft. Falls nicht, wäre das für Karl-Uwe Junker ein schlechtes Signal: "Dass Halemba das Mandat behält, das schadet der AfD enorm. Der Landesverband muss hier klare Position beziehen. Und ich bin sicher, dass die meisten Mitglieder das Gehabe und diese Strukturen nicht unterstützen, dass die das nicht möchten."
Vorsitz: Winhart tritt gegen Protschka an
Spannend wird auch werden, ob der bisherige AfD-Landeschef Stephan Protschka wieder gewählt wird oder über die Causa Halemba stolpert. Viele Mitglieder werfen ihm Zaudern und Zögern vor, im Landesvorstand soll er von den Anhängern des rechtsradikalen Flügel-Lagers getrieben worden sein. Der Unmut an der Basis ist deutlich: Gleich in mehreren Anträgen zum Parteitag werden dem Landesvorstand Inkompetenz und Überforderung vorgeworfen. Ein Herausforderer Protschkas hat sich bereits aus der Deckung getraut: der oberbayerische Landtagsabgeordnete Andreas Winhart.
Winharts Ziel: Bessere Kampagnenfähigkeit
Er war das Zugpferd für die Landtagswahl in Oberbayern, der 40-jährige Rosenheimer war zwei Jahre lang Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion, gilt als emsig und wittert nun seine Chance: "Leider können wir mit der Entwicklung in den letzten zwei Jahren im Landesverband Bayern der AfD nicht zufrieden sein. Wir haben zwar ein gutes Ergebnis bei der Landtagswahl geholt, aber wenn man es vergleicht mit anderen Landesverbänden, beispielsweise Thüringen, Sachsen, aber auch Baden-Württemberg, das sieht man schon, dass noch ordentlich Luft nach oben ist", sagt Winhart.
Nach der zehnjährigen Gründungsphase gelte es nun für die AfD, ein neues Kapitel aufzuschlagen, schreibt Winhart dem BR. Dazu zählen für ihn eine bessere Kampagnenfähigkeit, der Fokus auf das Wachstum der Partei und mehr Unterstützung der Kreisverbände.
Junge Abgeordnete des Flügel-Lagers wollen in Vorstand
Wie aus Parteikreisen zu hören ist, wollen mehrere, junge Abgeordnete aus dem Lager des rechtsradikalen Flügels, der offiziell aufgelöst wurde, aber weiter als Netzwerk tätig ist, in den neuen Landesvorstand. Franz Schmid und Andreas Jurca kommen beide aus Schwaben und sitzen für die AfD seit Oktober im bayerischen Landtag.
Mehrere Vorstandsmitglieder treten wieder an
Die Mehrheit des in die Kritik geratenen Landesvorstands will jedoch weitermachen. Neben Protschka will auch sein Stellvertreter Rainer Rothfuss erneut kandidieren, ebenso der Abgeordnete Gerd Mannes. Mannes ist der bayerische Stimmenkönig der AfD bei der Landtagswahl, er errang in seinem Stimmkreis mehr als 24 Prozent der Erststimmen. Der AfD-Politiker aus Günzburg zählt zum Lager der weniger Radikalen innerhalb der AfD. Bei der internen Vergabe der Ausschuss-Sitze der Fraktion ging Mannes jedoch leer aus: Das Flügel-Lager bestimmte das Personaltableau und fand für den Wirtschaftspolitiker keine Verwendung.
Abgeordneter Mannes für Diskussion über Halemba
In der Causa Halemba ist Mannes für eine offene Aufarbeitung: "Man muss den Willen der Mitglieder akzeptieren. Dass sie hier eine Aussprache wollen, finde ich in Ordnung. Wenn es denn dann der Landesparteitag mehrheitlich beschließt, dann kann und muss auch darüber gesprochen werden."
Bundesvorstand: "Halemba kann nicht Mitglied bleiben"
Ob die bayerische AfD Daniel Halemba aus der Partei wirft oder nicht, das verfolgt auch der Bundesvorstand in Berlin mit Interesse. Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla forderten den Landesverband Mitte Dezember auf, Konsequenzen zu ziehen. Weidel sagte: "Für uns ist völlig klar, dass Herr Halemba nicht in der AfD Mitglied bleiben kann." Ob der rechtsradikale Flügel den jungen Abgeordneten jedoch tatsächlich fallen lässt, ist noch nicht absehbar.
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