Im Erdgeschoss die Rezeption und der Raum fürs Frühstück, in den Geschossen darüber die Zimmer: So sehen Hotels normalerweise aus. In italienischen Bergdörfern gibt es aber Hotels, bei denen die Zimmer über den ganzen Ort verteilt sind. "Albergo Diffuso" nennt sich das kreative Konzept. Und das funktioniert auch in Mainfranken.
Mainbernheim im Landkreis Kitzingen hat die findige Idee übernommen, um dem mittelalterlichen Städtchen neues Leben einzuhauchen und dem Leerstand entgegenzuwirken.
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Gäste zur Übernachtung und zur Weinprobe
"Für uns ist es immer wieder spannend, wer da zur Tür hereinkommt, wie die Menschen drauf sind. Es ist jedes Mal anders", sagt Ute Rauschenbach. Seit sie und ihr Mann dem Verein "Albergo Diffuso Mainbernheim" (externer Link) beigetreten sind, hatten sie schon einige Gäste zur Übernachtung, aber auch zur Weinprobe.
Das Ehepaar hat vor einigen Jahren ein marodes Anwesen aus dem 15. Jahrhundert erworben. Sieben Jahre haben sie selbst daran gearbeitet – und haben ein Weingut mit Übernachtungsmöglichkeiten erschaffen. Das Gebäude ist Teil des Hotelkonzepts "Albergo Diffuso". Es bietet Gästen einen Einblick in historische Gemäuer und ausgezeichnete Weine.
Sanierung statt Abriss – jetzt besondere Unterkunft
Elmar Scheller und seine Frau hingegen wollten ihr altes Bauernhaus mit angrenzendem Ziegenstall in Mainbernheim eigentlich abreißen. Heute schämen sie sich fast dafür. Durch die aufwändige Sanierung konnten sie ein Stück Kultur erhalten und können jetzt eine Unterkunft in historischem Ambiente bieten: dunkler Holz-Fußboden, alte freigelegte Balken, ein gehäkeltes Deckchen auf dem Tisch. So werden die Menschen im "fränkischen Cottage" empfangen.
"Albergo Diffuso" in Mainbernheim 2019 gestartet
In Mainbernheim haben sich Einheimische zusammengetan. Sie wollten ihren kleinen mittelalterlichen Ort mit Leben füllen. Ihr Ziel: sanfter Tourismus statt Massenabfertigung. Mit eigenen Mitteln und viel Herzblut haben sie historische Gebäude innerhalb der Stadtmauern nachhaltig saniert und in Ferienwohnungen verwandelt. So ist 2019 das erste Hoteldorf in Deutschland nach italienischem Vorbild entstanden.
Gastfreundlichkeit wird dabei besonders groß geschrieben, betont Vorstand Elmar Scheller. "Wir wollen nicht nur Gastgeber sein – wir wollen einen intensiven Kontakt mit den Leuten haben und sie familiär aufnehmen." Gäste wie Freunde behandeln – das ist die Idee hinter dem Konzept.
Und die Idee kommt an. Marlies Völkl ist Rentnerin aus Nürnberg, sie hat sich ganz bewusst für den Besuch in Mainbernheim entschieden: "Das ist ein schönes Örtchen, wir haben es von außen schon gesehen." Sie freut sich über die verhältnismäßig kurze Anreise sowie die geplante Stadtführung.
Nachhaltige Sanierung von Weinbauernhaus
Architektin Susanne Pfeifer hat ihr Anwesen, ein Weinbauernhaus aus dem 15. Jahrhundert, ebenfalls nachhaltig saniert und zu einem Altstadthof verwandelt, der sechs Personen Schlafplätze bietet. Blaue Haustür und blaue Fensterläden, Sandstein-Einfassung und ein kleiner Garten: Der Stil aus Alt und Neu, die offene Sommerküche und die Liebe zum Detail machen die Herberge zu einem Schmuckstück in Mainbernheim. Dafür wurde der "Main Altstadthof" im Juli mit der bayerischen Denkmalschutzmedaille 2024 ausgezeichnet.
Initiative gegen Leerstand
Wie auch andere im ländlichen Raum kämpft Mainbernheim mit Leerstand. In dem mittelalterlichen Ort mit seinen vielen Baudenkmälern herrscht sogenannter Ensembleschutz. Das heißt, dass eine Gruppe von Gebäuden erhaltenswürdig ist und geschützt werden sollen.
Hohe Denkmalschutzauflagen schrecken gerade die jungen Leute ab. Sie ziehen raus aus dem Ortskern, bauen sich Einfamilienhäuser in den Neubaugebieten. Die Folgen: Leerstand in der Innenstadt und Gastronomiesterben. Mit dem Konzept "Albergo Diffuso" wollen die Mainbernheimer Bürgerinnen und Bürger dem entgegenwirken. Ferienwohnungen, Zimmer, Rezeption, Gastronomie und weitere Angebote finden sich im Ort verstreut. Die Rezeption ist beispielsweise in einem Café untergebracht.
Idee für "Albergo Diffuso" stammt aus Italien
Die Idee zur Bekämpfung von Leerständen und der Vitalisierung von Orten wurde in den 1980er-Jahren im Norden Italiens entwickelt. Marode, historische Anwesen sollten in Eigenleistung saniert, die Investitionen über Mieteinnahmen wieder reingeholt werden. Doch das allein reichte nicht, um den Tourismus anzukurbeln und Menschen in die entlegenen Ecken Italiens abseits der populären Ziele zu locken.
Die Lösung: gelebte Gastfreundschaft. Gäste wurden als Teil der Gemeinschaft betrachtet und ins Dorfleben integriert. So bot man einen authentischen Urlaub abseits touristischer Trampelpfade. In den letzten Jahren hat sich das Konzept "Albergo Diffuso" dort als eine innovative und charmante Art des Urlaubmachens etabliert.
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