Die drei Straßenschilder stehen jetzt im Neubaugebiet der 8.000-Einwohner-Marktgemeinde Allersberg. Es sei wichtig, weil Rettungsdienste die Anwohner der Wilhelm-Burkhardt-Straße finden müssen, sagt Allersbergs Bürgermeister Daniel Horndasch (parteilos). Der Markt setze damit die geltende Beschlusslage aus dem Jahr 2021 um. Damals hatte er entschieden, drei kleine Straßen in einem Neubaugebiet nach Persönlichkeiten der Allersberger Nachkriegsgeschichte zu benennen. Doch einer davon, Wilhelm Burkhardt, war einige Monate in der gewaltbereiten Nazi-Organisation SA.
Persönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte
Eine Straße im Neubaugebiet an der Lampersdorfer Straße ist nach der ersten SPD-Stadträtin benannt, die zweite nach einem langjährigen CSU-Bürgermeister. Die dritte, von den Freien Wählern vorgeschlagen, nach Wilhelm Burkhardt. Damit würdigt Allersberg einen Bürgermeister, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg für einige Monate im Amt war. Er habe in einer schwierigen Zeit angepackt und vielen Menschen geholfen, so die Begründung. Doch seine Biografie enthält auch die kurze Mitgliedschaft in einer gewaltbereiten Nazi-Organisation. Die Sturm-Abteilung (SA) schreckte nicht davor zurück, politische Gegner mit körperlichen Angriffen einzuschüchtern. Bekannt wurde das erst, als der Beschluss schon gefallen war. Doch Allersberg hält an der Burkhardt-Straße fest. Zwei Anträge, die Straße umzubenennen, scheiterten im Marktgemeinderat.
Bürger fordern: Entscheidung überdenken
Für den einen Antrag waren mehrere hundert Unterschriften zusammengetragen worden, mit der Bitte, die Straße ohne weitere Prüfung umzubenennen. Im vergangenen Sommer wurde dies abgelehnt. Aktuell haben auf der Straße befragte Bürgerinnen und Bürger in Allersberg unterschiedliche Meinungen. "Gerade in der heutigen Zeit, wo viele Befürchtungen haben, dass ein Ruck nach Rechts stattfindet, sollte man diese Entscheidung noch mal überdenken", sagt Simon Schneider, ein junger Mann. "Der Beschluss für den Straßennamen ist ja schon ein bisschen älter." Die Stimmung in der Bevölkerung habe sich inzwischen geändert, meint er. "Ich verstehe den Marktrat nicht, so etwas durchzusetzen, wo jeder sagt, lasst die Finger davon", erklärt ein älterer Mann. "In der ganzen Republik demonstrieren die Menschen gegen die AfD. Bei uns ist das Büro des Abgeordneten am Marktplatz", erklärt er kopfschüttelnd.
Allersberger beklagen: Alles wird hochgekocht
Andere wiederum beklagen, in Allersberg werde "alles hochgekocht". "Ich steigere mich da jetzt nicht so rein", meint ein Mann, der heute in der Nachbarschaft der Nachkommen von Wilhelm Burkhardt wohnt. "Dass die Nazi-Zeit keine schöne Zeit war, ist mir bewusst", sagt er, „aber wenn Burkhardt nur drei Monate in der SA war, ist er dort bestimmt kein so großes Licht gewesen", sagt er. "Das könnte man jetzt auch mal ruhen lassen", meint seine Frau. Doch andere treibt die Befürchtung um, Nazi-Verbrechen könnten relativiert werden. Sie sitzen in der Opposition im Marktgemeinderat und treiben überregionale Berichterstattung über den Fall voran.
Marktgemeinde will eigenes Gutachten in Auftrag geben
Allersberg will vor einer Umbenennung die Geschichte der Nazi-Zeit genauer untersuchen lassen. "Wir entscheiden, wenn wir ein entsprechendes Gutachten haben", so Horndasch. Etwa 35 Personen seien bereits namentlich identifiziert, die in den 1930er- und 1940er-Jahren in Allersberg Verantwortung hatten. Unterlagen zu deren Biografien seien angefordert worden, so Horndasch. "Wir waren nicht untätig."
Das Gutachten ist allerdings noch nicht in Auftrag gegeben. Die zuständige Historikerin wurde befördert und ist nicht mehr in Allersberg tätig. Tanja Josche von den Grünen im Marktgemeinderat befürchtet, dass die Mehrheit mit Bürgermeister Horndasch mit einem eigenen, umfangreichen Gutachten auf Zeit spielen will. Es gebe zu Wilhelm Burkhardt ausreichend Erkenntnisse: "Aus meiner Sicht geht es dabei nicht um die Aufklärung zu Wilhelm Burkhardt, sondern eher darum, dass man es verharmlosen will nach dem Motto: andere hatten auch Dreck am Stecken."
"Ist das Thema wirklich so wichtig?"
Während im Marktgemeinderat die Fronten verhärtet bleiben, wächst der Unmut bei den Allersbergern. "Es muss doch mehr Leute geben, die etwas für Allersberg erreicht haben", sagt ein älterer Herr, "einen Pfarrer vielleicht." Andere schlagen einen Widerstandskämpfer vor. Zwei junge Männer erklären, sie verstünden das Problem nicht, die Straße sei doch völlig abseits und kaum jemand komme dort zufällig vorbei. "Wir haben Kriege auf der Welt und andere große Probleme, darum sollte man sich kümmern", so deren Meinung. Und eine Frau in den Fünfzigern erklärt: "Nachdem es jetzt so hochgekocht ist, und viele stört, hat es inzwischen einen negativen Touch. Bestimmt findet sich ein anderer Name, dann ist doch der Friede wiederhergestellt."
Dieser Beitrag wurde auf Hinweis eines Kommentators am 17.02.24 um 12:45 Uhr korrigiert. Allersberg ist keine Stadt, sondern ein Markt. Wir danken für den Hinweis.
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