Um Punkt zehn Uhr ertönt die Stimme der Sprachassistentin: "Bitte trinke ein Glas Wasser". Kurz darauf klingelt das Smartphone, eine Textnachricht mit einer Aufforderung zum Trinken. Die Trinkerinnerung richtet sich vor allem an ältere Menschen, die oftmals kein Durstgefühl mehr verspüren.
Länger selbstbestimmt daheim leben
Die Sprachassistentin ist nur eine von vielen technischen Raffinessen in der Musterwohnung im AWO-Seniorenzentrum in Freilassing. Zum Beispiel erkennt die künstliche Intelligenz hinter der Sprachsoftware auch über Bewegungssensoren, wenn Bewohner die Kühlschranktür offengelassen haben und Lebensmittel zu verderben drohen. Dann erinnert sie daran, den Kühlschrank zu schließen.
Anlass für das Forschungsprojekt "DeinHaus 4.0" war die Erkenntnis, dass Häuser den Anforderungen ihrer Bewohner im Alter oder mit Pflegebedürftigkeit nicht mehr gerecht werden. Selbstständig daheim zu leben wird der TH-Rosenheim zufolge zunehmend schwieriger oder sogar unmöglich.
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Bewegungssensoren erkennen Stürze, bevor sie passieren
Das Forschungsprojekt soll Menschen mit besonderen Bedürfnissen das Leben zu Hause erleichtern. Dabei gehe es vor allem um die Sicherheit, sagt Projektmitarbeiterin Andrea Kastl. Im Schlafzimmer ist ein Sensor an der Decke montiert, der über Radarsignale erkennt, wenn eine Person gestürzt ist. Aber das eigentlich Besondere daran: "Das Gerät kann auch präventiv Alarm geben, bevor der Sturz passiert", erklärt sie.
Liegt eine Person zum Beispiel hauptsächlich im Bett und ist beim Aufstehen sturzgefährdet, kann der Sensor so programmiert werden, dass er erkennt, wenn sich die Person an die Bettkante setzt. Er schlägt dann bereits Alarm oder benachrichtigt eine Begleitperson. Allerdings ist diese Technologie in Deutschland aufgrund von offenen Fragen zum Datenschutz noch kein Standard.
Ergonomische Möbel und Alltagshelfer
In der etwa 70 Quadratmeter großen Wohnung sind zudem ergonomische und barrierefreie Möbel verbaut. Die Küchenzeile im Wohnraum ist höhenverstellbar und hat eine automatische Herdabschaltung. Außerdem liegen für die Testbewohner viele sogenannte Alltagshelfer bereit, etwa ein Schlüsselfinder, eine smarte Tablettenbox, die an die Medikamenteneinnahme erinnert oder ein Tablet, über das man Türen auf- und zusperren kann.
Entlastung auch für Angehörige
"Die Bewohner sollen sich hier sicher fühlen, aber es geht auch um die Angehörigen, die beruhigter sein können", sagt der stellvertretende Projektleiter Franz Benstetter. Der Gesundheitsforscher und sein Team haben die Musterwohnung so gestaltet, dass sie Menschen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen anspricht. Die Einrichtung berücksichtigt die Bedürfnisse von Menschen nach einer Rehabilitation, etwa nach einem Schlaganfall oder bei einer Long-Covid-Erkrankung, aber auch von Senioren und Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung.
Wer bezahlt?
Doch die Ausstattung ist vor allem eine Kostenfrage. Während des Forschungsprojekts soll deshalb auch evaluiert werden, wie sich Familien die Umgestaltung leisten können. "Wir arbeiten hier auch mit den Kostenträgern zusammen, um zu sehen, was ist in Zukunft finanzierbar, was kann man jetzt schon finanzieren", sagt Gesundheitsforscher Benstetter.
Man müsse auch bedenken, dass Pflegeheime viel kosten. Außerdem fühlten sich Menschen im Alter nachweislich wohler im eigenen Zuhause. Um die Technologie allein gehe es beim altersgerechten Wohnen aber nicht, erklärt Benstetter. Es brauche individuelle Lösungen für verschiedene Bedürfnisse. Die ersten Bewohner sollen ab kommenden Herbst erst stunden-, dann tage- und wochenweise testwohnen und beurteilen, was sie wirklich brauchen und was nicht.
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