Es sind schwere Vorwürfe, die Erdinc Tuncer erhebt: "Das ist Willkür. Ich finde, dass die Behörde hier Amtsmissbrauch betreibt." Was ist passiert? Tuncer ist Vorstandsvorsitzender des Vereins "Cannabis Social Club Minga". Anfang Juli stellte die oberbayerische Anbauvereinigung mit knapp 140 Mitgliedern einen Antrag, um legal Cannabis anzubauen. Ende vergangener Woche kam die Antwort vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL): Antrag abgelehnt. Es ist das erste Mal, dass in Bayern überhaupt über eine Anbaulizenz entschieden wurde.
Die Behörde begründet ihre Absage mit Fehlern in der Vereinssatzung, diese sei nicht mit dem Cannabisgesetz vereinbar. Laut Gesetz gilt: "Die Mitglieder der Anbauvereinigung haben beim gemeinschaftlichen Eigenanbau von Cannabis aktiv mitzuwirken." Der Münchner Cannabis-Clubs schließt in seiner Satzung dabei auch Verwaltungsarbeit, Einpacken und Abwiegen von Cannabis sowie Social-Media-Arbeit ein. So könnten zum Beispiel auch Menschen mit Behinderung Mitglied werden, die am direkten Anbau der Pflanzen nicht mitwirken können.
Vereinschef Tuncer: "Die werden immer etwas finden"
Das LGL sieht das anders. Zum einen fehle in der Satzung die vom Gesetz vorgeschriebene Pflicht zur Mitarbeit, außerdem handele es sich bei den Bereichen Social Media und Verwaltung nicht um "unmittelbar mit dem gemeinschaftlichen Eigenanbau" verbundene Tätigkeiten. Der Ablehnungsbescheid des Landesamts liegt BR24 vor.
Was Vereinschef Tuncer besonders ärgert: Der Satzungstext wurde im Laufe des Antragsprozesses bereits geändert – die finale Formulierung sei "in Zusammenarbeit mit dem LGL" entstanden. Dass die Behörde nun ausgerechnet deswegen ablehnt, nennt Tuncer eine "bodenlose Frechheit". Für den 43-Jährigen steckt hinter der Entscheidung etwas anderes: "In Bayern will man keinen Verein lizenzieren." Deshalb würde die Behörde den Vereinen Steine in den Weg legen. "Die werden immer etwas finden, wo sie einhaken können", sagt Tuncer, sei es zu Auflagen im Bereich Bau, Lebensmittel, Sicherheit oder eben zur Satzung.
Söder hatte angekündigt, Gesetz "extremst restriktiv" anzuwenden
CSU-Ministerpräsident Markus Söder hatte Anfang des Jahres angekündigt: "Wir werden dieses Gesetz extremst restriktiv anwenden." Darauf könne sich jeder einstellen. Auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sagte, man werde den Vollzug "so streng wie möglich" handhaben. Tuncer protestiert: Es könne nicht sein, "dass das auf Bundesebene legalisiert worden ist, und man davon im Freistaat nichts wissen möchte".
Laut der bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten Carmen Wegge wird in Bayern "tatsächlich alles unternommen, um den Eigenanbau und den Konsum von Cannabis so schwer wie möglich zu machen." Bei der Entscheidung zum Münchner Cannabis-Verein müsse sie der Behörde allerdings teilweise rechtgeben. Social Media und Verwaltung gehören laut Wegge nicht zu Tätigkeiten, "die in unmittelbaren Zusammenhang zum Eigenanbau liegen" – die Ausgabe von Cannabis hingegen schon. Dass eine solche Satzung anscheinend "in Zusammenarbeit mit der Behörde erarbeitet worden ist" und darauf nicht hingewiesen worden sei, findet Wegge allerdings "hochgradig irritierend".
Grüne: Nachgeordnete Behörde "wird das befolgen"
Toni Schuberl, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, geht noch weiter: "Die haben diesen Cannabis-Club in eine Falle gelockt." Was in der Satzung stand, sei alles abgesprochen gewesen, die Entscheidung "ein Skandal". Die Gesundheitsministerin habe angekündigt, dass sie "alles ausreizen" werde. "Eine Behörde, die dem Ministerium nachgeordnet ist, wird das befolgen", so Schuberl.
Das LGL, das unter anderem dem Gesundheitsministerium nachgeordnet ist, weist die Vorwürfe zurück. Die Behörde prüfe "sorgfältig und umfassend" und vollziehe das Cannabisgesetz "im vorgegebenen rechtlichen Rahmen". Außerdem trete man dem Vorwurf entgegen, dass "Ablehnungsbescheid und mündliche Auskünfte" nicht zusammenpassen würden, so das LGL auf Anfrage von BR24. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums teilt mit, man könne sich aus datenschutzrechtlichen Gründen "nicht öffentlich zu einzelnen Verfahren" äußern.
Clubchef Tuncer sieht jedenfalls "systematisches Zermürben eines Vereins". Er will gegen die Entscheidung des Landesamts klagen.
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